Werter Luca

Kostensenkungen

Nach Charlies E-Mail vom 3. Januar habe ich das Gefühl, es wäre hilfreich, unsere aktuelle Position klarzustellen.

Ein paar generelle Punkte.

Erstens, schon vor der aktuellen Finanzkrise war die Formel 1 finanziell nicht tragbar. Die Kosten waren so hoch, dass wir in der Weltmeisterschaft einige Zeit freie Plätze hatten. Zweitens ist es unmöglich, ohne grundlegende Änderungen die Kosten ordentlich zu senken. Es ist unvermeidbar, dass geliebte Projekte, Einrichtungen und leider auch Leute weichen müssen. Drittens, die Tatsache, dass man erst kürzlich in eine teure Einrichtung investiert hat, ist kein Argument, sie auch weiter zu behalten. Das Geld ist bereits ausgegeben. Es ist weg. Was wir vermeiden müssen, ist andere dazu zu zwingen, ebenso viel Geld auszugeben, um mithalten zu können. Viertens gibt es kein rationales Argument, um die weitere Nutzung von teuren Technologien in der Formel 1 zu unterstützen, die außerhalb des Sports keine Relevanz haben und der Öffentlichkeit unbekannt sind (und deswegen ohne Interesse für sie).

Spezifika

2009

Die Änderungen an den Regeln für 2009, die beim Treffen am 10. Dezember beschlossen wurden, werden viel helfen. Wir brauchen detaillierte Vorschläge zu einigen Aspekten, vor allem bei der 8 Stunden/5 Tage Beschränkung der Windkanal-Nutzung (die nach unserem Verständnis von den Teams vereinbart wurde), wenn wir das als Regel durchsetzen wollen. Es ist aber schon viel erledigt.

Wir sind dazu bereit, weitere Kostensenkungsmaßnahmen für 2009 zu beschließen, wenn sie die Zustimmung aller Teams haben.

2010

Die wirklich großen Änderungen kommen 2010.

Motor

Das Drehzahllimit wird für 2010 und danach auf 17.000 reduziert.

Nacharbeiten werden, höchstens, auf die Ansaugtrompeten und Brennstoffdüsen (nur in der Position) beschränkt, außer dass Cosworth, das die letzten Nachbesserungen verpasst hat, die Erlaubnis erhält, allgemeine Änderungen mit einem limitierten Budget zu machen.

Die Motoren bleiben bis 2013 vollkommen eingefroren, wie bereits vereinbart.

Tests werden auf 15.000 Kilometer pro Jahr beschränkt, Freitagstests eingeschlossen.

Auf dieser Basis wird Cosworth ab 2010 in der Lage sein, konkurrenzfähige Motoren für unter 5 Millionen Euro pro Saison und Team anzubieten, worin auch der volle Support an der Strecke eingeschlossen ist; abhängig ist das Ganze davon, dass sie innerhalb der nächsten ein, zwei Wochen Bestellungen von zumindest drei Teams erhalten.

Die aktuellen Regeln bleiben bestehen, also wird es keine Störung bei existierenden Vereinbarungen zur Motorenlieferung geben. Außerdem wird die Reduktion auf 17.000 Umdrehungen erlauben, dass aktuelle Motorenlieferanten die Kosten weiter senken.

Getriebe

Wir beabsichtigen, es zur Bedingung für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2010 zu machen, dass ein Team ein Arrangement mit XR zur Lieferung des Standard-Getriebes in Übereinstimmung mit der Ausschreibung von XR getroffen hat. Wir verstehen, dass einige Teams weiter ihre aktuellen Arrangements fortführen und/oder ihre internen Lösungen nutzen wollen, aber das voll standardisierte Getriebe ist ein offensichtlicher Weg, um große Summen zu sparen, ohne einen nützlichen Aspekt der Formel 1 zu beeinflussen. Um die Probleme der Interaktion des Gehäuses mit dem Unterboden zu vermeiden, werden wir auch einen Standard-Unterboden verlangen. Noch einmal, das wird keinen Einfluss auf das Spektakel haben, wird aber noch mehr Geld sparen und bestimmte Überprüfungs-Probleme beheben.

Chassis

Wir werden in Kürze eine Liste von Chassis-Teilen und Systemen machen, die von 2010 an die einzigen Elemente des Chassis sein werden, die entwickelt werden dürfen. Wir wollen diese Liste gemeinsam mit der FOTA entwerfen, aber es muss verstanden werden, dass es eine radikale Kürzung bei Forschung und Entwicklung beim Chassis geben wird und dadurch auch eine starke Kostenreduktion. Wenn gut durchdacht, sollte das auch den Bedarf an Windkanal-Stunden, sowie CFD- und Simulations-Arbeit einschränken.

Rennwochenende

Wir hätten gerne, dass die FOTA Vorschläge bringt, um die Kosten der Rennwochenenden weiter zu senken, wobei die Priorität immer darauf liegen sollte, dass Sparmaßnahmen in Bereichen getroffen werden, die für die Öffentlichkeit nicht sichtbar sind und auch die Sicherheit nicht beeinflussen.

KERS

Kein Team ist verpflichtet, KERS einzusetzen. Es steht den Teams auch offen, sich auf ein Standard-System zu einigen oder sich zu einigen, es gar nicht zu verwenden. Wir sind immer mehr der Meinung, dass die Nutzung von chemischer Speicherung (vor allem Batterien) in der Formel 1 verboten werden sollte, da die aktuell verfügbaren Batterien unpassend sind. Es sind zumindest zwei mechanische oder elektro-mechanische Systeme für die Formel 1 in Entwicklung und es könnte auch andere, wie beispielsweise hydraulische Systeme, geben. Die Formel 1 würde von Systemen profitieren, die mehr Kapazität als die aktuellen 400KJ, 60KW haben (zum Beispiel Maxima von: 2MJ gespeichert, 150KW rein, 100KW raus), aber immer noch sehr klein und leicht wären, wie das in der Formel 1 entscheidend ist. Diese Zahlen sind theoretisch mit mechanischen Vorrichtungen möglich, aber in der nahen Zukunft mit dem Einsatz von Batterien oder Kondensatoren nicht sinnvoll. Solche nicht-chemischen Vorrichtungen hätten eine enorme Signifikanz für den Straßenverkehr und andere Einsatzgebiete, wenn sie erfolgreich entwickelt werden.

Das ist ein Thema, das wir gerne weiter mit der FOTA ergründen wollen. Vor allem würden wir gerne untersuchen, wie die ausgezeichneten Ingenieurs-Kapazitäten der Formel 1 genutzt werden können, um KERS zu entwickeln, ohne hohe Kosten für die Teams zu haben.

Reifen

Offensichtlich wird aktuell viel Geld ausgegeben, um eine Gewichtsverteilung zu erreichen, die die bestmögliche Leistung aus den aktuellen Reifenbreiten holt. Wir würden mit der FOTA gerne eine mögliche Änderung des Breiteverhältnisses zwischen vorne und hinten diskutieren, um dieses Problem zu eliminieren. Gleichzeitig möchten wir mit Bridgestone und der FOTA die Möglichkeit untersuchen, Mischungen zu bringen, die keine "Marbles" produzieren.

Budgetgrenze

Wir verstehen, dass dies wieder innerhalb der FOTA diskutiert wird. Die Idee, dass jedes Team den gleichen Geldbetrag haben sollte, damit der Erfolg einfach nur ein Resultat von intellektueller Fähigkeit ist, ist sehr ansprechend. Wenn ordentlich durchgesetzt, wäre das ein sehr faires System. Eine Ansicht ist sogar, dass viel mehr Geld als ein anderes Team zu haben, ebenso unfair ist, wie einen größeren Motor zu haben. Wir würden das gerne weiter mit der FOTA diskutieren. Unter den aktuellen Umständen könnte sogar eine freiwillige Grenze funktionieren, da kein Hersteller, dessen Vorstand die vereinbarte Summe abgesegnet hat, unbedingt weitere, geheime Ausgaben erlauben wird und die unabhängigen Teams wahrscheinlich nicht den Zugang zum nötigen Geld haben.

Die "Show"

Die Hauptkritik der Rennfans ist der Mangel an Überholen und Rad-an-Rad-Duellen. Änderungen an den Aerodynamik-Regeln wurden von einer Gruppe von Top-Experten der Teams vorgeschlagen und gelten ab 2009. Es bleibt abzuwarten, ob diese und zusätzliche 80 PS von KERS beim Überholen helfen. Es gibt auch Vorschläge zur Änderung der sportlichen Regeln, wie beispielsweise die teilweise oder gänzlich umgedrehten Startaufstellungen, die Startplätze durch Los zu vergeben, die Weltmeisterschaft dem Fahrer mit den meisten Siegen zu überreichen und so weiter. Keine dieser Ideen scheint sich aber mit dem Problem auseinanderzusetzen, dass das schnellere Auto wegfährt, sobald es vorbei ist. Keiner dieser Vorschläge trägt also zu engen Rad-an-Rad-Duellen bei.

Wir werden die FOTA um Hilfe bitten, die Verwendung von beweglichen aerodynamischen Vorrichtungen zu untersuchen. Wenn radikal genug, könnten sie einem Auto, das einem anderen folgt, einen Leistungsvorteil geben, weil es hinten liegt. Auf primitive Weise war das in den 60ern der Fall, als ein Auto "gezogen" wurde, weniger Luftwiderstand hatte und dadurch hinter einem anderen Auto schneller war. Das Ergebnis waren Rad-an-Rad-Duelle auf den sogenannten Windschatten-Strecken, wie beispielsweise Monza. Mit moderner Technologie könnten bewegliche Aero-Teile genutzt werden, um einem Auto mehr Abtrieb zu geben und weniger Luftwiderstand, wenn es in turbulenten Strömungen war. Das würde aber stark bewegliche (möglicherweise automatische) Aero-Teile verlangen.

Die Zukunft

Wie bereits erwähnt waren die finanziellen Barrieren zum Einstieg schon vor der aktuellen Wirtschaftskrise zu hoch. Wir hatten eine Weltmeisterschaft, die von dem Willen der Autoindustrie abhing, weiter riesige Summen für die Formel 1 auszugeben und die verbliebenen unabhängigen Teams sind (mit einer Ausnahme) vollkommen Abhängig von der Großzügigkeit von Milliardären. Unter den aktuellen Umständen wäre es verrückt, anzunehmen, dass es so weitergehen kann. Die Kosten müssen auf einen Punkt reduziert werden, an dem ein gut geleitetes unabhängiges Team nur mit dem FOM-Geld und etwas Sponsorengeld profitabel arbeiten kann. Das ist der einzige Weg, um die Weltmeisterschaft zu schützen und es neuen Teams zu erlauben, die Lücken zu schließen, sowie jene zu ersetzen, die weg sind.

Die FIA selbst hätte durch einen Niedergang der Formel 1 keinen finanziellen Nachteil, aber sie würde auf andere Arten leiden. Und wir glauben in jedem Fall, dass wir die Pflicht haben, alles Nötige zu tun, um die Weltmeisterschaft für die Teilnehmer, die Rechteinhaber und den Motorsport allgemein zu erhalten. Wir sind deswegen auch bereit, radikale Schritte zu setzen. Wir hoffen, dass ungeachtet der Änderungen, die getroffen werden müssen, alle Teams, die 2010 noch im Geschäft sind, mitmachen werden. Aber wie bereits erwähnt, werden wir auch bereit sein, eine unabhängige Serie anzuerkennen, sollten einige Teams ihren eigenen Weg gehen wollen.

Wir hoffen auf die Unterstützung der FOTA bei den Maßnahmen, die wir setzen und auch auf die uneingeschränkte Hilfe, um die Entscheidungen zu treffen, die noch getroffen werden müssen.

Mit besten Wünschen

hochachtungsvoll

Max Mosley