Die Atmosphäre in Le Mans ist der Wahnsinn. Die Fans kommen extrem nah an die Fahrer und Autos heran, es gibt eine eigene Fahrerparade, mit zehntausenden von Menschen im Stadtzentrum von Le Mans. Insgesamt waren über 260.000 Zuschauer beim Rennen, das war schon beeindruckend. Natürlich ist es sehr anstrengend und nervenaufreibend dermaßen lange, in einer Zeitspanne von 24 Stunden zu fahren. Ich habe während der gesamten 24 Stunden vielleicht ein, zwei Stunden geschlafen. Ansonsten verfolgst du immer genau mit, was passiert und vergisst das Schlafen.

Das zehrt an der Energie und ich habe nach dem Rennwochenende ein, zwei Tage gebraucht, um wieder in einen normalen Schlafrhythmus zu kommen. Schließlich geht der Le Mans-Rummel nicht erst am Samstag los. Ab Montag der Rennwoche ist mit Meetings, Scrutineering, Autogrammstunden und den beiden Qualifyingtagen am Mittwoch und Donnerstag die ganze Woche Action angesagt.

Le Mans war mein erstes Langstreckenrennen und ich saß während der 24 Stunden in Summe etwas mehr als acht Stunden, sprich ca. 1.700 Rennkilometer, im Auto. Da ich zum ersten Mal auf dieser Rennstrecke ein Rennen bestritt, musste ich zu Beginn des Rennens, speziell in der Nacht, die Strecke kennen lernen, was gar nicht so einfach war, da sie 13,6 Kilometer lang ist und der Asphaltbelag zwischen öffentlichen Straßen und Rennstreckenteilen mehrfach wechselt. 80% der Rennstrecke führt über öffentliche Strassen. Leider hatten wir ja wichtige Trainingszeit am 2. Qualifyingtag verloren. Riccardo Zonta hatte einen Unfall und so konnte ich mich nicht wie geplant an die Strecke und das Fahren bei Nacht gewöhnen. Mein gesamtes, geplantes Nachttraining fiel dadurch aus.

Christian musste sich erst an die Nachtfahrten gewöhnen., Foto: Patching/Sutton
Christian musste sich erst an die Nachtfahrten gewöhnen., Foto: Patching/Sutton

Ganz besonders knifflig war das im Nassen, da zahlreiche Straßenmarkierungen, speziell in den Bremszonen, den Fahrbahnbelag unberechenbar machen. Zudem war auch die Sicht nicht immer optimal. In der Nacht sind die Brems- und Referenzpunkte komplett anders, manchmal siehst du sie gar nicht. Beim ersten Formel 1-Nachtrennen in Singapur sollte das übrigens anders sein: dort wird die Strecke ja beleuchtet, in Le Mans hatten wir nur die Scheinwerfer an den Autos. Erschwerend kam der Regen hinzu, aber auch das Überrunden der langsameren Autos war nicht ohne, weil darin nicht nur Profis saßen, so dass einige mit der Situation bei Nacht im Regen zu fahren sichtlich überfordert waren. So mussten wir extrem aufpassen beim Überholen bzw. Überrunden. Oft waren mehr als 10 Fahrzeuge pro Runde zu überholen.

Nach einem dieser Überholmanöver hatte ich einen Ausflug ins Kiesbett. Ich wollte einen LMP2-Wagen überrunden. Er hat mir zunächst Platz gemacht, dann aber wie man sagt die "Tür zugemacht", wir haben uns seitlich berührt und ich drehte mich ins Kiesbett. Leider brauchten die Streckenposten 3:30 Minuten, um mein Auto aus dem Kiesbett zu befreien, so dass wir eine Runde verloren haben. Die Streckenposten setzen sich aber mit vollem Einsatz für die Piloten ein, was schwer ist bei laufendem Rennen.

Von einem Wechsel der Frontpartie, wegen eines defekten Lichts, abgesehen, hatten wir die gesamten 24 Stunden lang keine technischen Probleme. Der Peugeot 908 FAP HDi war ausgesprochen zuverlässig und dazu schnell. Allerdings kosteten uns ein paar Kleinigkeiten wie das Kühlerausputzen und eine klemmende Radmutter wichtige Zeit. Wenn es so eng zugeht, können solche Details den Unterschied ausmachen.

Zudem kommt es in Le Mans auch zu außergewöhnlichen Zwischenfällen. Als vor mir ein anderes Auto Öl verlor, hat sich das Öl auf meiner Windschutzscheibe mit dem Nieselregen zu einem schmierigen Film verbunden, so dass ich null Sicht nach vorne hatte. Ich musste beim Seitenfenster rausschauen und mich am Gras beim Fahrbahnrand orientieren. Die erforderliche, verlangsamte Fahrt zurück bis zur Box war katastrophal. Ich habe eine zusätzliche Minute auf dem Weg zurück an die Box verloren - zudem war das extrem gefährlich. In einem offenen Auto wäre es vermutlich ein kleineres Problem gewesen: ein Abreißvisier wegreißen und die Sicht ist wieder klar.

In Le Mans hatte Christian ein Dach über den Kopf., Foto: Patching/Sutton
In Le Mans hatte Christian ein Dach über den Kopf., Foto: Patching/Sutton

Ich bin mit unserem dritten Platz sehr zufrieden. Es war phantastisch gleich bei der Premiere in Le Mans auf dem Podest zu stehen. Zumal es erst der zweite Einsatz unseres Peugeot-Teams beim legendärsten Sportwagen Klassiker der Welt war. Für Hauptkonkurrent Audi war dies immerhin schon der 10. Einsatz in Folge. Diesen Erfahrungsvorsprung holt man nicht so schnell ein.

Es war ein sehr langes und sehr schwieriges Rennen, in dessen Verlauf jede Menge neuer Eindrücke und Details auf mich einströmten, die mir bislang in meiner Karriere nicht begegnet sind. Zum Beispiel habe ich Sonntagmorgen für 3 Stunden und 18 Minuten das Steuer übernommen und dabei alleine 680 km zurückgelegt. Ich konnte bei nassen Fahrbahnbedingungen in der Regel 3-8 Sekunden auf den Audi aufholen und wir waren auch zwischen 3 und 5 Sekunden schneller als die anderen Peugeots. So hat Le Mans noch mal so viel Spaß gemacht.

Le Mans ist ohne Frage etwas ganz Besonderes. Aus meiner Sicht war es das beste bzw. schwierigste Rennen, das ich bislang gefahren bin (schnellste Runde über 240 km/h, Rennschnitt über 24h über 212 km/h). Der Wettkampf mit Peugeot gegen Audi war extrem hart und hat sich über die ganzen 14 Stunden hingezogen. Ich würde jederzeit wieder mitfahren, das 24 Stundenrennen von Le Mans war eines der besten Erlebnisse in meiner bisherigen Motorsportkarriere - hart wie die Formel 1, nur dauert das Sprint-Rennen 24 Stunden lang.