In einer idealen F1-Welt wäre es so einfach: Wenn ein Fahrer eine schnellere Runde als der andere fährt, war seine Leistung besser. Die Formel 1 ist nun aber weder ideal noch einfach. Sie ist kompliziert, teuer und bisweilen chaotisch. Deswegen sind Aussagen über das Abschneiden zweier Fahrer im Qualifying nicht so trivial wie der ungeübte Zuschauer annehmen möchte.

"Das kann ich erst nach dem Rennen sagen", sagte Mario Theissen nach dem Qualifying, und zwar in dem Wissen all dieser oben genannten Faktoren. Dabei wäre er einer der wenigen Menschen im Fahrerlager gewesen, die tatsächlich eine Einschätzung der Leistungen von Nick Heidfeld und Robert Kubica hätte abgeben können. Aber damit hätte er zu viel über die Strategie der Weiß-Blauen preisgeben können.

Deshalb hielt sich auch Heidfeld zurück. "Das siehst du morgen", wollte er nicht verraten, wie groß der Unterschied zwischen ihm und seinem Teamkollegen ist. "Sonst schmeißen sie mich raus." So viel konnte er aber verraten: Wenn ein Team sich absichern und das Risiko streuen will, "dann macht man zwei unterschiedliche Strategien".

Aber wie werden diese verteilt? Wer entscheidet darüber, welcher Fahrer mit welcher Strategie fährt und vor allem wie wird das entschieden? "Es wird untereinander entschieden, da gab es noch nie eine Diskussion", sagte Heidfeld. "Wenn es doch mal so sein sollte, entscheidet Willy [Rampf] als Technischer Direktor." Und wie würde er in so einem Fall entscheiden? "Er entscheidet sich für den Fahrer, der über das Wochenende schneller aussah, so dass dieser die vermeintlich schnellere Strategie erhält."

Zwei Fahrer, zwei Autos, zwei Strategien - beinahe der gleiche Output., Foto: Sutton
Zwei Fahrer, zwei Autos, zwei Strategien - beinahe der gleiche Output., Foto: Sutton

Wenn ein Fahrer auf der Pole steht und der zweite durch einen Motorwechsel weit nach hinten gespült wird, machen zwei unterschiedliche Strategien eindeutig Sinn. Aber machen sie das noch immer, wenn die Ausgangssituationen beider Fahrer gleich sind? Wäre es dann nicht besser auf die gleiche Strategie zu setzen und sie nur im Abstand von einer oder zwei Runden zum Tanken kommen zu lassen? "Normalerweise schon", sagte Heidfeld im Wissen, dass sein Team genau das eben nicht vor hatte.

BMW Sauber setzte im Australien GP auf zwei verschiedene Strategien, etwas das Theissen für den Rest des Jahres noch häufiger bei allen Teams erwartet - der neuen Reifenregel sei dank. Allerdings unterlief dem Team eine Fehleinschätzung. "Der weiche Reifen hat Graining, der harte ist auf die Distanz deutlich besser", analysierte Nick vor dem Rennen. Danach gestanden er und Theissen unisono: "Der weiche Reifen hat sich deutlich besser gehalten, als wir dachten." Felipe Massa ging sogar noch weiter: "Wenn das Graining vorbei ist, dann kann man damit so lange fahren wie man möchte."

Aber nicht nur deswegen war Nicks Strategie die riskantere. "Ich wusste, dass nach dem Stopp die Gefahr droht, im Verkehr stecken zu bleiben, und das ist dann auch passiert, als ich dicht hinter Robert war. Ich hätte schneller fahren können als er. Aber auf diese Situation hatte ich mich eingelassen." Es war seine Entscheidung, mit dieser Strategie ins Qualifying und Rennen zu gehen. Am Ende wurde sie mit Platz 4 beinahe mit dem Wunschergebnis belohnt, das ein Podestplatz gewesen wäre. Risiko bei der Strategie kann sich also auszahlen.

Jetzt bleibt nur noch die Frage zu klären, wie Mario Theissen denn nach dem Rennen die Qualifying-Leistungen seiner Piloten beurteilt. "Beide waren sehr gut und sind fehlerfrei auf hohem Niveau gefahren, das ganze Wochenende", bilanzierte er. "Die Qualifyingzeiten waren durchaus vergleichbar, wenn man die unterschiedliche Spritmenge einbezogen hat." In der realen F1-Welt ist es eben nicht so einfach: Wenn ein Fahrer eine schnellere Runde als der andere fährt, war seine Leistung nicht unbedingt besser.