Die makellose Fahrt von Felipe Massa ist im Schatten des Gigantenduells der zwei WM-Kontrahenten zur völligen Nebensächlichkeit verblasst. Dabei galt "Pippo" - sein Spitzname aus seiner Zeit bei Sauber - auf dem Weg in die Formel 1 selbst als Gigant. Als er die Euro 3000-Serie im Jahr 2001 gewann, hinterließ er tiefe Bewunderung bei den Teamchefs. Und eine Spur der Verwüstung bei seinen Konkurrenten. Auf dem Podium in Istanbul schien es, als wollte er es in die ganze Welt hinausschreien: "Seht her! Ich habe es Euch immer gesagt. Ich bin gekommen, um Rennen zu gewinnen."

Acht Jahre sind vergangen, seit der Kleine in Interlagos in der Benetton-Box von Alexander Wurz und Giancarlo Fisichella stand - als Pizzabote. Sein Onkel hat ein Restaurant neben der Rennstrecke. Aus dem Gokart-Fahrer aus betuchten Verhältnissen wurde der nächste brasilianische Grand Prix-Sieger in der langen Tradition nach Fittipaldi & Co.

Spricht man heute mit Weggefährten aus den Nachwuchsformeln erntet man nichts als Bewunderung. Nein, man erntet in blumigsten Worten kübelweise Verehrung für den Fahrstil des Brasilianers. Immer voll, immer an - und manchmal über - der Grenze der Physik. Genau das war sein größtes Problem, als man aus dem jungen Racer versuchte einen Formel 1-Technokraten zu machen. Bei Sauber war man verzweifelt: "Was sollen wir mit dem nur? Der kennt nur 100%." Keine guten Voraussetzungen für die raren Testtage im Schweizer Team.

Doch Peter Sauber hielt immer zu jenem Youngster, den er persönlich entdeckt hatte. Er musste ihn ob der gröberen Reparaturaufwendungen wesentlich öfter in Schutz nehmen als Kimi Räikkönen im Jahr zuvor. "Felipe ist eine außergewöhnliche Person", stellte er mehrmals fest. Es war wohl nicht immer nur lobend gemeint.

Felipe verkörpert die Fahrergeneration der post-Eddie-Irvine-Ära. In der Box zumeist der halbe Clan. Vater Luis Antonio, der auch Hobbyrennfahrer war und in den letzten Jahren deutlich schlanker geworden ist. Über 100 Kilo hat er immer noch. Der Star der Familie war aber Felipes Onkel Zezito, der auch ein paar Rennen gewonnen hat und den kleinen Massa am meisten beeindruckt hat. Könnte sich irgendjemand vorstellen, dass Massa mal Schlagzeilen macht, weil er mit irgendeiner Tussi erwischt worden ist?

Dass Felipe mit besonderem Talent gesegnet ist, war bald klar. Dies hat bisher allerdings auch verhindert, dass er als beinharter Arbeiter glänzen musste. Ich hatte öfters das Vergnügen, mit Felipe gemeinsam ein wenig Zeit zu verbringen. Zum einen bei den traditionellen Wintertrainingslagern in Seefeld in Tirol. Zum anderen in Salzburg bei Red Bull. Ich hatte immer den Eindruck, für ihn sei das alles ein Spiel. Immer einen Bubenscherz auf Lager (etwa Apfelsaft, der mir beim Gang auf die Toilette kurzerhand von Felipe mal versalzen wurde und solche Grobheiten...). Gesagt hat er allerdings auch nie viel, wenn er geredet hat.

Als Ferrari-Stammpilot hat Massa sich vor allem im Kopf weiterentwickelt. Seine Saisonvorbreitung hatte erstmals auch eine große mentale Komponente. Das stellt Ferrari nun aber vor ein großes Problem: Nicht nur, dass er ungeplanterweise dem Teamkapitän um die Ohren fährt. Was macht man mit einem Nummer 2-Piloten, der blöderweise jetzt Grand Prix-Sieger ist und für den man möglicherweise 2007 gar kein Cockpit hat?