Es wurde dunkel, wenn die F1-Piloten das von Trompeten und Feuerwerkskörpern erfüllte Motodrom in Richtung der ersten von drei Schikanen unterbrochenen Waldgeraden verließen. Die High-Speed-Natur des fast sieben Kilometer langen, alten Hockenheimring wich vor einigen Jahren einem modernen Tilke-Kurs - die Erinnerungen an die Ereignisse auf den Waldgeraden und im nahezu unveränderten Motodrom sind aber noch wach. Hockenheim hatte in seiner langen F1-Karriere viel zu bieten; dennoch könnte an diesem Wochenende das vorerst letzte jährliche Rennen auf dem badischen Kurs stattfinden.

1982 - Eine schlagkräftige Truppe

Wir schrieben den Deutschland GP des Jahres 1982. Vor 95.000 Zuschauern sah alles nach einem klaren Sieg von Weltmeister Nelson Piquet aus. Der Brasilianer hatte sich einen großen Vorsprung herausgefahren und dominierte das Rennen beinahe nach Belieben. Dann passierte es: Piquet lief auf den überrundeten Chilenen Eliseo Salazar in dessen ATS-Ford auf und die beiden kollidierten.

Eliseo Salazar war froh einen Helm zu haben..., Foto: Sutton
Eliseo Salazar war froh einen Helm zu haben..., Foto: Sutton

Danach kochte das südamerikanische Temperament des verärgerten Weltmeisters über: Er packte die Fäuste aus und schlug auf Salazar ein. "Irgendwie war das ein Riesenmissverständnis", erinnerte sich Salazar im Gespräch mit motorsport-magazin.com an die Situation zurück. "Ich habe mich damals so schlecht gefühlt. Er war Formel 1-Weltmeister. Ich habe ihn in Hockenheim den Sieg gekostet. Er war mein Freund und man sah im Fernsehen 10 Sekunden lang wie er mit Fäusten auf mich einprügelte. Ich hatte ja noch den Helm auf, es hat nicht sehr wehgetan, aber es hat sicher sehr dumm ausgesehen."

Damit war die Situation aber noch nicht geklärt. Als ein Lieferwagenfahrer Piquet abholen wollte, entdeckte der Brasilianer, dass Salazar bereits auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Jetzt weigerte er sich im gleichen Auto zurück ins Fahrerlager zu fahren. Der Fahrer und Salazar stiegen aus, um den immer noch aufgebrachten Champion zu beruhigen. Diesen Moment nutzte Piquet eiskalt aus, sprang in den Lieferwagen und brauste alleine von dannen.

Seit damals wurde Salazar mindestens "jede Woche einmal" auf diesen Vorfall angesprochen. Der Freundschaft mit Piquet tat es aber keinen Abbruch. "Wir sind nach wie vor gut befreundet", gestand er. "Wir machen immer Späße über damals und zum Spaß ballen wir sogar die Fäuste."

1994 - Das große Feuer

Schon vor dem Deutschland GP des Jahres 1994 ging es heiß her: Michael Schumacher kam als Titelkandidat zu seinem Heimrennen, doch bis zuletzt herrschte die bange Frage: Würde Schumacher überhaupt in Hockenheim starten dürfen? Nachdem er in Silverstone eine schwarze Flagge "übersehen" hatte, wurde er vom FIA World Motor Sport Council für zwei Rennen gesperrt - das erste Rennen davon war sein Heim-GP. Die einzige Chance in Hockenheim zu fahren, war es gegen das Urteil Einspruch einzureichen und damit zu riskieren, dass er möglicherweise eine noch härtere Strafe kassiert.

Schumacher blieb der Heimsieg 1994 verwehrt., Foto: Sutton
Schumacher blieb der Heimsieg 1994 verwehrt., Foto: Sutton

Die deutschen Fans waren von diesen Aussichten natürlich wenig begeistert: Im Vorfeld des Rennens wurden in den Wäldern rund um Hockenheim Holzberge angehäuft und damit gedroht diese in Brand zu stecken, sollte Schumacher nicht am Rennen teilnehmen dürfen. Letztlich entschied man sich bei Benetton doch für den Einspruch und ließ Schumacher an seinem Heimrennen teilnehmen, unglücklicherweise währte dieses aber nur 20 Runden - dann schied er mit einem Motorschaden aus.

Für noch mehr Schlagzeilen sorgte eine andere Situation: Fünf Runden vor Schumachers Ausfall kam Jos Verstappen für seinen geplanten Boxenstopp herein. Zunächst lief alles glatt. Der Niederländer stoppte an der exakt richtigen Position, das Auto wurde vorne und hinten angehoben, die Schlagschrauber drehten die Radmuttern heraus und es wurde damit begonnen die Reifen zu wechseln. Doch etwas stimmte nicht: Der Tankschlauch ließ sich nicht korrekt aufsetzen und es geschah genau das, was die Mechaniker seit der Wiedereinführung der Tankstopps gefürchtet hatten: Benzin spritzte aus dem Tankschlauch über das gesamte Auto, den Fahrer und die Crew!

Die Mechaniker wichen instinktiv vom Benzinüberfluteten Auto zurück und kehrten erst nach Sekundenbruchteilen wieder zurück, um ihre Arbeit zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Benzinregen zwar aufgehört, aber begann auch das ausgelaufene Benzin sich zu entzünden! Ein heller Feuerball huschte vor der Benetton-Box durch das Fahrerlager gen Himmel.

 Jos entfloh dem Flammeninferno., Foto: Sutton
Jos entfloh dem Flammeninferno., Foto: Sutton

"Ich fühlte die Hitze des brennenden Benzins durch meine Handschuhe, aber es war im ersten Moment gar nicht so schmerzhaft wie man es erwartet hätte. Das helle Licht wurde erst hellgelb, dann orange. Langsam begannen sich wieder Formen vor meinen Augen abzuzeichnen und ich konnte wieder etwas sehen", schildert Ex-Benetton-Mechaniker Steve Matchett den Feuerunfall in seinem Buch Life in the Fast Lane. "Meine Handschuhe und mein Overall hatten Feuer gefangen, allerdings spürte ich noch keinen Schock oder Panik. Ich dachte: Okay, ich bin am Leben. Ich stehe in Flammen, aber zumindest bin ich am Leben. Jetzt muss ich mich irgendwie löschen."

Nachdem er über den Boxenboden in Richtung McLaren-Box gerollt war, halfen ihm die Kollegen aus der Nachbarbox das Feuer zu ersticken. Derweil war auch das Auto gelöscht worden und Jos den Flammen aus dem Cockpit entkommen. Am Ende wurden sechs Benetton-Mechaniker wegen Verbrennungen per Hubschrauber ins Krankenhaus eingeliefert. Am schlimmsten erwischte es den Tankmann, dem Sprit am Visier unter den Helm gelaufen war, welcher dort Feuer fing. Für Benetton endete der Deutschland GP wie er begonnen hatte: Mit einer Gerichtsverhandlung, denn dem Team wurde vorgeworfen die Tankanlage unerlaubterweise manipuliert zu haben. Das Team beharrte jedoch darauf, dass alle Änderungen mit der Herstellerfirma Intertechnique abgesprochen gewesen seien.

1995-2002 - Die lange Durststrecke

Die Fans feierten ihren Helden., Foto: Sutton
Die Fans feierten ihren Helden., Foto: Sutton

Im ersten Weltmeisterjahr von Michael Schumacher klappte es also nicht mit dem Heimsieg. Dafür holte er sich 1995 den ersten Triumph vor 150.000 begeisterten Fans. Durch einen Ausfall von Titelrivale Damon Hill in der ersten Runde, sicherte sich Schumacher 10 Punkte im Kampf um seinen zweiten WM-Titel.

Danach sollte er in Hockenheim aber vorerst kein Glück mehr haben: Zwischen 1996 und 2001 stand er nicht mehr auf dem obersten Podestplatz. Obwohl 2001 sein Bruder Ralf den Sieg einfuhr, bekamen die unzähligen Rotkäppchen auf den Tribünen erst 2002 wieder einen Sieg des "richtigen" Schumacher zu sehen. 2004 ließ Michael Schumacher einen weiteren Erfolg im Motodrom folgen und legte damit die Grundlage für seinen vorzeitigen siebten Titelgewinn beim Folgerennen in Ungarn. Mit seinem elften Sieg stellte er in Hockenheim seinen eigenen Siegrekord aus der Saison 2002 ein und blieb zudem zum 50. Mal in Serie ohne einen technischen Defekt.

2000 - Das pure Chaos

Mitten in der Schumacher-Sieges-Dürre gab es einen roten Lichtblick: Im Jahr 2000 errang Schumachers Teamkollege Rubens Barrichello in Hockenheim seinen ersten GP-Sieg. Bevor Rubinho die Tränen auf dem Siegerpodest über die Wangen kullerten, hatte er ein hartes Rennen zu überstehen.

Schon am Start ging es rund: Schumacher und Coulthard kämpften um die Führung, als Fisichella dem Deutschen ins Heck rauschte - damit waren beide schon in Kurve 1 draußen. Während Häkkinen die Führung übernahm, verbesserte sich Rubens Barrichello von 18 auf 10. Bis Runde 25 kämpfte sich der Brasilianer weiter bis auf Rang 3 nach vorne. Dann geschah das Unerwartete: Ein 47-jähriger Ex-Mercedes-Mitarbeiter stürmte mit einem Regencape bekleidet die Strecke, um gegen seine Entlassung zu demonstrieren. Der Mann war schon kurz vor dem Start aufgefallen, als er sich auf die Strecke gelegt hatte.

Rubinhos erster Streich., Foto: Sutton
Rubinhos erster Streich., Foto: Sutton

Nach einem heftigen Unfall von Jean Alesi löste dies eine weitere Safety-Car-Phase aus, in der Barrichello an Coulthard vorbeigehen konnte. Nun hatte er nur noch Häkkinen vor sich. Als 12 Runden vor Schluss erste Regentropfen in der Boxengasse aufschlugen, entschied sich Barrichello als einziger Fahrer der Spitzengruppe dazu auf Trockenreifen draußen zu bleiben. Mit Tränen in den Augen und Wasser unter den Rillenreifen schwamm der Brasilianer zu seinem ersten Grand Prix-Triumph.

Die Streckengeschichte

Der Hockenheimring wurde im Jahre 1932 als zwölf Kilometer langer Dreieckskurs erbaut, da die Stadtväter von Karlsruhe Waldparkrennen verboten und sich die Motorsportfreunde somit einen neuen Rennort suchen mussten Die Strecke war vorerst aber aus Kostengründen noch nicht asphaltiert. Am 29. Mai 1932 wurde als Eröffnungsveranstaltung auf dem damaligen Dreieckskurs das erste Motorradrennen gestartet.

Seine über Jahrzehnte hinweg charakteristische Ovalform erhielt der damals Kurpfalzring getaufte Kurs allerdings erst im Jahre 1938. Erst Mitte der 60er Jahre wurde dann das weltberühmte Motodrom gebaut, welches auch den Grundstein für das 1970 mit einer Länge von 6,786 Kilometern erfolgte F1-Debüt darstellte. Dieses konnte Jochen Rindt für sich entscheiden. Später wurden noch die aus dem alten Streckenlayout bekannten Schikanen eingefügt respektive diese immer wieder, wie etwa die Ostkurve, modifiziert, bevor die Strecke für das Jahr 2002 komplett umgebaut und für den heutigen Verlauf radikal verkürzt wurde.