Damit haben nach dem roten Farbtupfer von Indianapolis die wenigsten Experten gerechnet: Ferrari steht auch in der Heimat von Michelin und Renault in der ersten Startreihe. Als ob Bridgestone-Technikchef Hisao Suganuma das geahnt hätte, sagte er uns bereits am Donnerstag: "Die Tatsache, dass es ihr Heimrennen ist, hat keine große Bedeutung. Aus technischer Sicht macht das keinen Unterschied." Letztlich gilt aber nicht nur für Michael Schumacher: "Wir wollen überall in der Welt erfolgreich sein - nicht nur beim Heimrennen."

1. - S wie Startaufstellung

In der Startaufstellung beziehen nun also am Sonntagnachmittag zum zweiten Mal in Folge und zum ersten Mal seit 45 Jahren in Frankreich zwei Ferrari die Positionen und 1 und 2.

"Es ist gut nach Indy wieder auf 1 und 2 zu stehen", freute sich der Pole-Mann und WM-Zweite. "Wir hatten ein bisschen die Befürchtung, dass Indianapolis ein Einzelfall gewesen sein könnte, aber jetzt hoffen wir das Rennen in der gleichen Position zu beenden. Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung WM. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg."

Fernando zog erneut den Kürzeren gegen die Roten., Foto: Sutton
Fernando zog erneut den Kürzeren gegen die Roten., Foto: Sutton

Der dritte Platz bremste WM-Leader Fernando Alonso aber nicht aus. "Ich bin damit zufrieden, denn nach Indy war es für mich wichtig wieder unter den Top-Leuten zu sein", so der Spanier.

2. - S wie Start

Neben Alonso wird sein Freund und Ex-Teamkollege Jarno Trulli ins Rennen gehen - Michael Schumacher wird sich wünschen, dass dem Italiener beim Start ein Wunder gelingt und er Alonso überholt. Dann könnte der berüchtigte "Trulli-Train" sein Comeback feiern. Andererseits hat Toyota seit einigen Rennen Probleme gut zu starten und bei Renault ist gerade dies alles andere als ein großes Problem - das bewies schon der Gewinn des kleinen Starts zu Beginn des letzten Qualifying-Abschnitts.

Aber nicht nur Alonso baut auf die guten Starts der Franzosen. Auch Giancarlo Fisichella hat sich eine kleine Aufholjagd auf die gelb-blauen Fahnen geschrieben. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auch von Platz 7 mit einer guten Strategie einige Plätze gutmachen und viele Punkte holen kann."

Und dann wäre da noch Nick Heidfeld, der abermals mit einem guten Start den Grundstein für eine Punktankunft legen soll. "Für Nick ist es das klare Ziel, in die Punkteränge zu fahren", so Mario Theissen. "Ich hoffe, er kann mit einem ähnlich guten Start wie in den vergangenen Rennen die Grundlage dafür schaffen."

3. - S wie Setup

Magny Cours mag mitten in der Pampa liegen, aber der Kurs ist für die Fahrer äußerst anspruchsvoll. Befahren wird der Circuit de Nevers mit mittlerem bis hohem Downforce. Das sorgt für eine bessere Bremsstabilität und Traktion und soll gleichzeitig den Grip in den mittelschnellen Kurven erhöhen.

Die Strecke weist eine außergewöhnlich ebene Fahrbahnoberfläche auf. Dies erlaubt eine sehr geringe Bodenfreiheit und eine steife Abstimmung der Aufhängung. Beides trägt zu einem optimalen Arbeiten der Aerodynamik bei. Das steife Setup verbessert darüber hinaus die Agilität - das ist wichtig für die schnellen Richtungswechsel aus den Kurven 6 und 7 sowie 11 und 12. In diesen Abschnitten könnte das Auto etwas nervös wirken, was allerdings keine Zeit kostet, da jeweils Bremszonen und langsame Kurven folgen. Trotz der tendenziell steifen Grundabstimmung für die schnellen Kurven suchen die Ingenieure immer auch nach einem Kompromiss, der guten mechanischen Grip in den langsamen Ecken gewährt.

Magny-Cours hält einige ungewöhnliche Anforderungen für die Mechanik der Autos bereit. Die größte davon sind die sehr hohen Kerbs der ersten Schikane. Für die schnellste Linie müssen die Fahrer die Randsteine überfahren - oder besser überspringen. Wie solche Flugeinlagen ausfallen können, zeigte Giancarlo Fisichella, der am Freitag heftig abhob; seinen R26 aber nicht beschädigte. Beim Abheben verbirgt sich zudem ein großes Risiko den Motor zu überdrehen oder die Kraftübertragung zu überlasten.

In Frankreich zählt ein gutes Drehmoment zu den wichtigsten Stärken des Motors. Dabei geht es zum einen um das kraftvolle Herausbeschleunigen aus den vielen langsamen Kurven, aber auch um gute Fahrbarkeit bei höheren Drehzahlen. In Kurve 3 und den beiden schnellen Schikanen steigen die Fahrer noch in der Kurve voll auf das Gas, während das Auto unter hoher aerodynamischer Last steht. Die Leistungsabgabe muss daher so sanft wie möglich erfolgen, um das Auto nicht aus der Balance zu bringen. Wegen des niedrigeren Leistungsniveaus der V8-Motoren dürfte dies aber nicht ein ganz so entscheidender Faktor werden wie zu Zeiten der V10-Triebwerke.

4. - S wie Strategie

McLaren peilt das Podium an., Foto: Sutton
McLaren peilt das Podium an., Foto: Sutton

"Egal ob 1, ob 2, ob 3 oder 4 - am Ende gewinnen immer wir." So lobte unser Kolumnist Jacques Schulz den "Vierfachfuchs" Ross Brawn, nach dessen Strategie-Geniestreich von 2004. Damals verhalfen er und Luca Baldisseri ihrem Vorzeigefahrer Michael Schumacher mit einer Vierstopp-Strategie zum Sieg in Magny Cours.

Doch welche Strategien erwarten uns in diesem Jahr? "Die vergleichsweise kurze Boxengasse und der dadurch reduzierte Zeitaufwand für Tankstopps wird die Rennstrategie einmal mehr beeinflussen", so Michelin-Chef Nick Shorrock. Zumindest Christian Klien gab einige Einblicke in die Bullen-Taktik: "Wir werden ziemlich sicher auf zwei Stopps gehen, es ist nur die Frage, wann wir genau stoppen."

Für die Top9-Piloten plus Nico Rosberg gilt dies noch unter verschärften Umständen: Da sie im verkürzten dritten Qualifying nicht mehr so viel Sprit verbrennen konnten wie bislang üblich, mussten sie ihre Strategie im Vergleich zu den vorherigen Rennwochenenden umstellen. Entweder sie fuhren ihre Qualifying-Zeit mit einem schwereren Auto oder sie begannen die dritte Session bereits mit weniger Sprit als bislang - dann müssten sie logischerweise auch eher zum ersten Tankstopp an die Box kommen.

"Bei den Strategien eröffnen sich jetzt einige neue Möglichkeiten", weiß auch Michael Schumacher um die Tricks der kleinen Regeländerung. "Wir müssen jetzt abwarten, wie es aussehen wird. Ich freue mich jedenfalls auf das Rennen." Ein Rennen, in dem vor allem "die Reifen eine wichtige Rolle" spielen werden. "Wir haben einen sehr konstanten Reifen", sagte Pedro de la Rosa über seine Michelin-Pneus. "Gestern hatten wir einige Probleme mit den weicheren Reifen", bestätigte er die Aussagen von Christian Klien, der schon am Freitag über die weichen Michelins geklagt hatte. "Also haben wir uns für die harten entschieden und an das Rennen gedacht."

Aber auch Ferrari und Bridgestone sehen sich gut vorbereitet: "Die Reifen sind ein ganz wichtiger Punkt - denn ohne Bridgestone hätten wir immense Probleme gehabt. Michelin beißt und klebt nicht so gut - das ist eher eine Rutschpartie", analysierte Schumacher. "Im Qualifying sah es für uns sehr gut aus, wie es auf Long Runs aussieht, ist noch etwas undurchsichtig." Allerdings könne sich die Strecke bis zum Rennen noch durch die Rahmenrennen verändern.

"Wir müssen jetzt abwarten, wie gut die Reifen auf einem Stint durchhalten werden - es scheint hier einige Schwankungen und Phasen zu geben", betonte Ross Brawn. Das bestätigte auch Schumacher: "Es gibt eine kleine Graining-Phase - sobald wir die überstanden haben, sind wir flott unterwegs", enthüllte er. "In dieser Zeit sind wir für Überholmanöver angreifbar."

Im Qualifying waren sie jedoch klar besser als Michelin. "Wir wussten, dass Ferrari auf einer Runde konkurrenzfähig sein würde, aber ich bin für das Rennen zuversichtlich", sagte Alonso. "Im Qualifying waren sie vielleicht ein bisschen stärker als die Michelin, aber die Renndistanz ist sehr lang, es ist sehr, sehr heiß und da braucht man natürlich einen standfesten Reifen." Deswegen möchte Pedro de la Rosa nicht ausschließen, dass die japanischen Pneus vielleicht nur im Qualifying gut funktioniert haben und im Rennen möglicherweise nicht die nötige Haltbarkeit besitzen werden.

Das schwarze Gold wartet auf die Entscheidung., Foto: Sutton
Das schwarze Gold wartet auf die Entscheidung., Foto: Sutton

"Wir werden jetzt untersuchen, was Bridgestone gemacht hat, aber ich glaube, dass wir den konstanteren Reifen haben", ist sich de la Rosa sicher. Das könnte eine Besättigung für die Probleme von Scott Speed sein, der seine schnellsten Runden im Qualifying erst im zweiten Umlauf drehen konnte. Obwohl der Amerikaner glaubt, dass dies "kein gutes Zeichen" ist, könnte es darauf hindeuten, dass die Michelins im Rennen länger gute Zeiten ermöglichen werden. Die Antithese lieferte Nick Heidfeld, dem die Long Runs von Ferrari am Freitag gut genug waren, um zu glauben, dass die Roten auch im Rennen gut gerüstet sein werden. Am zuversichtlichsten ist ohnehin ein ganz anderer: "Ich bin zuversichtlicher als Ferrari", sagte Ralf Schumacher über seine Bridgestone-Reifen.

5. - S wie Sonntagswetter

Am Donnerstag sagte Hiaso Suganuma noch heiße Asphalttemperaturen um die 45 Grad voraus - diese wurden jedoch schon am Freitag übertroffen. Jetzt prognostizieren die Wetterfrösche 32 Grad Lufttemperatur und natürlich Sonnenschein. Das Regenrisiko beträgt aber immerhin 20%; zumindest am Freitag hat es ja schon einmal heftig gewittert.

"Der Grip ist nicht gerade toll, aber das ist stark temperaturabhängig", analysierte Alonso nach dem Qualifying. "Michelin war im Freien Training dominant, aber als es heißer wurde, sind die Bridgestone-Fahrer alle unter den Top10 gefahren - es hängt also alles von den Temperaturen ab. Wir müssen aber erst abwarten, wie sich die Reifen dann entwickeln - bislang sah Michelin auf Long Runs aber konstant aus."

Für Christian Danner müssten aber alle auf die Hitze gefasst sein. "Daran muss sich mittlerweile jeder gewöhnt haben. Wer in diesem Sommer bis jetzt noch nicht gemerkt hat, dass man auf die Hitze reagieren muss, dem kann ich nicht helfen", verriet er uns. "Egal ob es die Motoren- und Reifenhersteller oder die Fahrer und Teams betrifft: Das sollte kein Thema sein."

6. - S wie Speed

In Magny Cours besteht immer die Versuchung, durch flachere Flügel höhere Top-Speeds erreichen zu wollen, um eventuell auf dem langen Vollgasstück vor Turn 5 einen Gegner zu überholen. Das wäre allerdings nutzlos bis kontraproduktiv: Weniger Abtrieb bezahlen die Piloten mit deutlich geringerer Kurvengeschwindigkeit in Turn 3. Wer hier am Kurvenausgang zu langsam ist, wird diesen Nachteil auch auf der folgenden Geraden nicht wettmachen und keine höhere Endgeschwindigkeit erreichen.

Die Übersetzungen der sieben Gänge liegen hier enger beieinander als üblich, um die Beschleunigung aus niedrigen Geschwindigkeiten zu verbessern. Daher gilt das Hauptaugenmerk dem Geschwindigkeitsbereich von 0-250 km/h, die Top-Speed-Werte sind eher zweitrangig. Das liegt daran, dass die beste Überholmöglichkeit am Ende der Gegengeraden besteht. Diese Passage wird allerdings von einer aerodynamisch sensiblen Kurve eingeleitet, in der es kaum möglich ist, einem Gegner nah zu folgen. Selbst ein Geschwindigkeitsvorteil am Ende der Geraden würde also kaum einen Überholversuch zulassen. Die Ausnahme von dieser Regel bilden die ersten Runden, wenn die Abstände zwischen den Autos ständig schwanken und Positionswechsel mehrfach möglich sind.

Dennoch nannte Pedro de la Rosa genau diese Stelle und diesen Vorgang als einzige Überholchance: "Die Leute glauben immer, dass man in Magny Cours nicht überholen kann, aber das stimmt nicht, man muss nur sicherstellen, dass man das richtige Setup dafür hat." Allerdings sieht auch Überholkünstler Pedro nur eine richtige Überholstelle: "Die lange Gerade zwischen Estoril und Adelaide. Man muss schon in Estoril richtig nah hinter dem Vordermann liegen und das bei der Setup-Erstellung berücksichtigt haben." Sprich: Die Flügel müssen flach, die hohen Gänge lang übersetzt sein. "Mit dem richtigen Setup kann man in der geschwungenen Estoril ans Limit gehen und besitzt danach den Speed, um zu überholen."

Platz Fahrer Top-Speed
1. Michael Schumacher / Ferrari 307,4
2. Kimi Räikkönen / Mercedes 305,0
3. Giancarlo Fisichella / Renault 304,5
4. Fernando Alonso / Renault 304,4
5. Felipe Massa / Ferrari 303,8
6. Ralf Schumacher / Toyota 300,5
7. Pedro de la Rosa / Mercedes 299,5
8. Jarno Trulli / Toyota 298,9
9. Jacques Villeneuve / BMW 298,3
10. Nico Rosberg / Cosworth 298,3
11. Jenson Button / Honda 297,9
12. Scott Speed / Cosworth V10 297,4
13. Christijan Albers / Toyota 297,1
14. Tiago Monteiro / Toyota 296,7
15. Tonio Liuzzi / Cosworth V10 296,0
16. Nick Heidfeld / BMW 295,8
17. David Coulthard / Ferrari 295,2
18. Christian Klien / Ferrari 295,0
19. Rubens Barrichello / Honda 293,4
20. Mark Webber / Cosworth 293,4
21. Takuma Sato / Honda 293,0
22. Franck Montagny / Honda 291,8

7. - S wie Spannung

Das Qualifying ist gut, aber "am Ende zählt nur das Rennergebnis für die Weltmeisterschaft", weiß Ferrari-Teamboss Jean Todt, dass die Doppel-Pole nur für einen Tag Befriedigung bringt - erst jetzt geht es um die Wurst und die langfristigen Auswirkungen. "Es ist eine tolle Ausgangsposition beide Autos in der ersten Reihe zu haben, aber es zählen auch noch andere Schlüsselfaktoren." Nämlich die Zuverlässigkeit, gerade bei der erwarteten Hitze, die Reifenkonstanz, wo sich Michelin im Vorteil sieht, und die Strategie und Boxenstopps.

Michael Schumacher war sogar "etwas überrascht" die Pole geholt zu haben. "Jetzt müssen wir auch im Rennen das Ergebnis von Indianapolis wiederholen und so viele Punkte wie möglich gutmachen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen gewinnen."

Einen Vorgeschmack gab es schon im Qualifying: Fernando Alonso und Michael Schumacher duellierten sich zu Beginn der dritten Qualifying-Session vom simulierten Start bis zur Haarnadel. Flavio Briatore schmunzelte dabei und kündigte an: "Wir werden den Kampf im Rennen austragen." Und wie soll der Sieg gelingen? "Fernando muss nur die Ferrari überholen."

Für Christian Danner wird nur einer der beiden Titelkandidaten gewinnen können. "Das Schöne an der Formel 1 ist in diesem Jahr, dass es nicht nur einen Sieganwärter gibt", freute er sich. "Noch schöner ist, dass sich die Favoritenrolle von Tag zu Tag verändert. Da müssen sich nur die Temperaturen oder Streckenbedingungen leicht verändern und schon ist der Konkurrenz vorne." Uns erwartet also ein spannender 11. Saisonlauf.