Auf dem nächsten von der Formel 1 bespielten Feld steht die Fußball-WM etwas weniger im Mittelpunkt: Montréal fiebert dem Großen Preis von Kanada entgegen, der am 25. Juni auf der malerischen Insel im Sankt-Lorenz-Strom ausgetragen wird. Der BMW Sauber F1 Team Pit Lane Park in der Innenstadt könnte neuer Treffpunkt der Fans werden. Sie freuen sich besonders auf ihren Landsmann Jacques Villeneuve, nach dessen Vater der Circuit Gilles Villeneuve benannt ist. Der Kurs ist schnell, das BMW Sauber F1 Team rechnet sich gute Chancen aus, beim neunten WM-Lauf erneut in die Punkte zu fahren. Zur Vorbereitung wurde drei Tage auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Monza getestet, dabei wechselten sich Villeneuve, Nick Heidfeld und Robert Kubica am Steuer der BMW Sauber F1.06 ab.

Nick Heidfeld:
Montréal und Melbourne sind für mich die Grands Prix, zu denen ich am liebsten reise. Unabhängig von der Strecke, gefällt mir die Stadt Montréal sehr gut. Von daher freue ich mich, ein paar Tage früher dorthin zu fliegen. Die Strecke hat einen speziellen Charakter. Sie ist eine der wenigen Hochgeschwindigkeitsstrecken, die wir noch haben. Es gibt lange Geraden, dazwischen eher langsame Kurven und Schikanen. Die zweite Schikane mag ich besonders. Wenn erst einmal genug Gummi auf dem Asphalt liegt, man also entsprechend Grip hat, und das Auto gut funktioniert, fährt man dort stark über die Randsteine. Gleichzeitig hat die Kurve ein Gefälle, und am Ausgang kommt man recht nah an die Mauer heran. Momentan denken wir, dass unser Auto auf schnellen Strecken besonders gut ist. Ob das tatsächlich der Fall ist, werden wir vor Ort sehen.

Jacques Villeneuve:
Es ist immer schön, nach Montréal zu kommen. Ich habe sehr gute Erinnerungen an meine Heimat. Seit meiner Kindheit habe ich immer mehr Zeit in Europa verbracht und immer weniger Gelegenheit gefunden, Kanada zu besuchen. Umso mehr bedeutet es mir, jedes Jahr anlässlich des Grand Prix zurückzukehren. Ich treffe viele Freunde und natürlich auch meine Familie. Ich versuche immer, mich vor dem anstrengenden Wochenende in einer vertrauten Atmosphäre zu entspannen. Natürlich ist das Interesse der Medien und Fans bei meinem Heimrennen größer, und ich habe viele PR-Termine. Das gehört dazu, und in Montréal macht mir das richtig Spaß. Es ist phantastisch, diese Unterstützung zu spüren. Im Mai haben wir den fünften Geburtstag von meinem Club Newtown in der Innenstadt gefeiert. Da werde ich auf jeden Fall auch mal während des Rennwochenendes vorbeischauen. Die Schwierigkeit der Rennstrecke ist die hohe Bremsbeanspruchung, wir haben nicht mehr viele derartige Kurse. Weil man dort nicht testen kann, weiß man nie, was einen in punkto Grip, Asphaltqualität und Bodenwellen erwartet. Es sind ja sonst öffentliche Straßen. Ähnlich wie Melbourne ist Montréal da ein Überraschungspaket. Das geringe Grip-Niveau, das Layout, die Bremszonen, die Schikanen und Überholmöglichkeiten führen dazu, dass sich dort ab und an mal einer vergisst und es relativ viele Zwischenfälle gibt. Aber das trägt letztlich mit zur Spannung bei. Das Wochenende ist etwas Besonderes. Es macht mich stolz, dass alle gern nach Kanada reisen. Das Publikum ist für jeden Fahrer phantastisch. Du kannst aus egal welchem Land kommen, die Fans werden Dich mit Freude begrüßen. Sie sind das ganze Wochenende unterwegs, das ist wie eine Dauerparty. Du kannst die positive Energie richtig fühlen. Die ganze Stadt ist involviert, das ist fast wie in Monaco. Die Einstellung der Leute ist sehr jung und am Puls der Zeit.

Robert Kubica:
Für mich steht in Montréal eine weitere Rennstrecke auf dem Programm, die ich noch nicht kenne. Ich habe viel über den Kurs gehört, aber am Freitag werde ich dort das erste Mal eine Runde drehen. Das ist immer eine Herausforderung für mich. Ich muss zunächst die Strecke verinnerlichen, ehe ich mit der eigentlichen Arbeit für das Team beginnen kann. Zum Glück ist mir das in diesem Jahr immer sehr zügig gelungen, und so freue mich sehr auf diese Aufgabe. Ich weiß bereits, dass der Kurs sehr hart zu den Bremsen ist und meine Arbeit für die Reifenauswahl sehr wichtig sein wird.

Mario Theissen, BMW Motorsport Direktor:
Beim zurückliegenden Grand Prix hat sich unser junges Team erstmals als vierte Kraft präsentiert. Das war ein toller Erfolg und ist für uns ein ungeheurer Motivationsschub. An diese Leistung wollen wir in Montréal anknüpfen und dort die erste Saisonhälfte positiv abschließen. Der Große Preis von Kanada ist auf jeden Fall einer der Saisonhöhepunkte. Das liegt nicht nur an der technisch und fahrerisch anspruchsvollen Strecke, sondern auch an der Atmosphäre. Die Menschen begeistern sich für die Formel 1, und auch der Anteil der BMW Fans ist traditionell hoch. Kanada ist ein wichtiger und starker Markt von BMW. Die Region Amerika insgesamt, also die USA, Kanada, Mexiko, Argentinien und Lateinamerika, ist nach Europa der zweitgrößte Absatzmarkt der BMW Group. Die Lage der Rennstrecke auf der Insel im Sankt-Lorenz-Strom mit den Hinterlassenschaften der Weltausstellung und der Olympischen Spiele ist bestechend. Das Idyll mit dem hohen Baumbestand kann allerdings auch seine Tücken haben, weil das Laub leicht die Kühler verstopft. Die langen Geraden des Circuit Gilles Villeneuve verlangen den P86-Motoren alles ab. Schneller fährt man nur in Monza und in Indianapolis. Nick wird planmäßig mit einem frischen Motor antreten, in Jacques Fahrzeug verbleibt der P86, der ihm bereits in Silverstone gute Dienste geleistet hat.

Willy Rampf, Technischer Direktor Chassis:
Das hervorstechende Merkmal der Rennstrecke in Montréal ist traditionell die Bremsbeanspruchung. An der einen oder anderen Stelle wird das 2006 etwas an Relevanz verlieren, weil die Höchstgeschwindigkeiten durch den Wechsel auf die V8-Motoren geringer geworden sind. Aber der Circuit Gilles Villeneuve wird weiterhin die extremste Belastungsprobe für die Bremsen bleiben. Da sind gute Kühlung und umsichtige Beanspruchung seitens der Fahrer gefragt. Aerodynamisch verlangt der Kurs ein mittleres Abtriebsniveau. Wir haben ein dafür ausgelegtes Aero-Paket mit einem neuen Frontflügel und einem wiederum neuen Heckflügel bereits in Paul Ricard getestet und erneut in der Woche nach dem britischen GP beim Test in Monza. Es bewahrheitet sich, dass 2006 durch die geringere Leistung der V8-Motoren erheblich seltener mit maximalem Abtrieb gefahren wird. In Montréal gibt es eine gute Stelle zum Überholen, weil nach der Haarnadelkurve eine lange Gerade mit einem harten Bremspunkt folgt. Wichtig ist auch, die Rechts-Links-Kombination vor Start und Ziel moderat anzufahren und nicht zu hart über die Randsteine zu fahren. Es gibt generell relativ wenige und kleine Auslaufzonen. Um in Montréal schnell und sicher über die Runden zu kommen, muss das Fahrzeug sehr präzise reagieren. Selbst kleine Fahrfehler werden nicht verziehen. Auf diese Rennstrecke freut man sich nicht nur, weil sie so anspruchsvoll ist. Sie liegt obendrein noch sehr schön auf der Insel im Sankt-Lorenz-Strom.