Das Monaco-Urteil gegen Michael Schumacher wurde außerhalb des reinen Ferrari-Lagers in der Formel 1 überall mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Nicht selten fiel der Begriff einer "richtungweisenden Entscheidung", die der FIA und ihren Sportkommissaren nach langer Zeit des Zweifels endlich wieder ein Stück Glaubwürdigkeit zurückgegeben habe. Zu lange hätten die unübersehbare Nähe von Ferrari und damit auch Michael Schumacher zur obersten Sportbehörde für Unbehagen bei sehr vielen Beteiligten gesorgt, merkwürdige und nicht immer nachvollziehbare Entscheidungen das Image der Formel 1 des öfteren in Frage gestellt.

Das hatte man zuletzt wohl auch in einigen FIA-Kreisen selbst erkannt. Mit der Berufung des permanenten Formel-1-Kommissars Tony Scott Andrews, eines englischen Anwalts, der dafür bekannt ist, unpolitisch und nicht wie sonst manche FIA-Funktionäre, reichlich profilierungssüchtig zu sein, scheint seit Beginn der Saison tatsächlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer einigermaßen konsistenten und schlüssigen Regelauslegung gelungen zu sein. Dass diesmal auch FIA-Präsident Max Mosley seinen Funktionären vor Ort nicht in den Rücken fiel, sondern anerkannte, dass es Grund für eine Untersuchung gab und dann das Ergebnis dieser Untersuchung auch anerkannte, ohne sich ein eigenes Urteil anzumaßen, "weil ich nicht alle Daten und Fakten gesehen habe", ist ein positives Zeichen für die Zukunft.

Dass sich die Sportkommissare die Zeit zur detaillierten Datenauswertung und fundierten Urteilsbegründung nahmen, zeigt aber auch, dass sie sehr wohl wussten, wie gut fundiert eine solche politisch heikle Entscheidung sein muss, um aller möglichen Kritik - wie sie ja auch prompt von Ferrari und dem Schumi-Umfeld kam - standzuhalten. Aber auch, dass sie ein deutliches Zeichen setzen wollten: Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen - von niemandem. Das relativiert auch ein bisschen den Aspekt der anfänglichen Klagen über den lange dauernden Prozess der Entscheidungsfindung. Außerdem: Wirklich über den Fall Schumacher wurde ja erst ab ca. 18.30 Uhr verhandelt, zuvor nahmen GP2-Rennen und der Fall Fisichella die Aufmerksamkeit der Kommissare in Anspruch. Laut Renndirektor Charlie Whiting stand die Entscheidung dann gegen 21:30 fest - drei Stunden sind bei der Fülle der zu analysierenden Daten und Bilder wohl nicht unangemessen. Und dann brauchte es eben noch eine gute Stunde, bis das ganze zu Papier gebracht und von allen Beteiligten unterschrieben war.

Dass sich Ferrari, Michael Schumacher und sein Umfeld auch im Nachhinein so heftig weigerten, die Entscheidung anzuerkennen, von "Skandal" und "gefährlichem Präzedenzfall" sprachen, kam freilich nicht unerwartet. Wer über viele Jahre immer darauf bauen konnte, "bei den Sportkommissaren Glück zu haben", wie Nick Heidfeld das so schön formulierte, hat eben ein Problem, wenn sich die Spielregeln offensichtlich ändern.

Dass bei einigen im Fahrerlager in den zum Teil sehr harten Worten gegen Schumacher auch eine Menge über Jahre angestauter Ärger zum Ausdruck kam, ist auch klar. Auch wenn sich Schumi und Weber immer wieder darüber beschweren, "dass die alten Kamellen wie Adelaide 94 und Jerez 97 immer wieder aufgewärmt werden": Das Problem sei einfach, "dass die Liste immer länger wird, dass das alles in ein gewisses Bild passt und halt niemand Schumacher mehr irgendetwas glaubt", wie es selbst sein früherer Teamkollege Martin Brundle, Schumacher sonst immer sehr freundlich gesonnen, feststellte.

Dass sich Schumacher mit dieser neuerlichen Aktion selbst am allermeisten geschadet hat, steht für ihn genauso außer Frage wie für fast alle Beobachter. Fast komplette Einigkeit gibt es auch darin, dass kaum jemand verstehen kann, warum sich der siebenmalige Weltmeister diese unnötige Aktion leistete - zu einem Zeitpunkt, als gerade überall seine gewachsene Reife konstatiert wurde und die Vergangenheit tatsächlich in Vergessenheit zu geraten schien. Die Erklärungsversuche reichen von "einem unbändigen Ehrgeiz, der in seinem Charakter verankert ist und der ihn im Notfall eben alle Mittel einsetzen lässt" über "kurzfristiger Aussetzer" bis zu "der aus den vielen Jahren, in denen er sich eben alles erlauben durfte, abgeleiteten Gewissheit, dass das immer so geht". Wäre interessant zu wissen, zu welchem Schluss Michael Schumacher kommt, wenn er ganz ehrlich zu sich selbst ist... Denn dass er tatsächlich an seine eigene "Fehler-Variante" glaubt, ist ja doch unwahrscheinlich...