Bob, 72 WM-Punkte waren bisher zu vergeben, und das Renault Team hat davon 51 abgeräumt - das sind 71 Prozent und mehr als alle anderen Teams zusammen. Wie bewerten Sie diesen Auftakt?

Bob Bell: Wir sind mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden, aber der Punktestand enthüllt nur die halbe Wahrheit. Wir befinden uns in einer wirklich starken Position und gemessen an unserem Rennspeed sind wir sogar besser als 2005.

Wie war die Stimmung im Team, nachdem Fernando in Imola Ferrari den Vortritt lassen musste?

Bob Bell: Sicherlich anders als nach unserem Sieg 2005. Damals befand sich das Team nach vier Siegen in Folge in einem Hoch, doch nach dem Rennen machten wir uns ernsthafte Sorgen wegen der Reifen. In diesem Jahr leistete Michelin hervorragende Arbeit, und für Sorgen gibt es überhaupt keinen Anlass. Die Performance unserer Autos im Rennen zeigte, dass wir keinen Nachteil hatten. Insgesamt sind wir im Vergleich zu unseren Gegnern besser in Form als 2005, und das sorgt für eine positive Stimmung.

Andere Teams reden viel über ihre Entwicklungen, während Renault sich ziemlich zurückhält. Wie ist der Stand der Dinge?

Bob Bell: Wir gehen ganz normal vor und bringen zu jedem Renen neue Teil mit. Unsere Teams in den Workshops arbeiten unermüdlich, und wir steigern unser Level mit jedem Grand Prix. Die Rundenzeiten belegen das ganz deutlich, und wir werden nicht nachlassen.

Aus Chassis-Sicht ist 2006 das zweite Jahr ohne nennenswerte Regeländerungen. Wird es da schwieriger, noch Verbesserungen zu finden?

Bob Bell: Ja, und ich glaube, dass wir diesen Effekt im gesamten Feld beobachten können. Die sichtbare Veränderung der Autos zeigt schon, in welchen Details sie nur noch verbessert werden. Die großen Sprünge finden nicht statt, sondern kleine, kontinuierliche Schritte. Das ist völlig normal, wenn ein Reglement längere Zeit stabil bleibt.

Trotz des Leistungsmankos von rund 200 PS liegen die Rundenzeiten auf dem Niveau des vergangenen Jahres, was zum großen Teil auf die weicheren Reifen zurückgeht. Nachdem Ferrari sich in Imola stark erholt zeigte, glauben Sie an einen Machtwechsel auf dem Reifensektor?

Bob Bell: Nein, ich sehe über das ganze Jahr nach wie vor einen Vorteil bei Michelin. Ferrari war offensichtlich sehr schnell, und ein Team mit Michael Schumacher am Steuer darfst du sowieso niemals abschreiben. Sie werden uns weiter hetzen. Aber in den kommenden Rennen sehe ich eher Michelin vorn.

Wie hat das Team den Leistungsvorteil von 2005 auf den diesjährigen Renault R26 übertragen?

Bob Bell: Der R26 stellt eine logische Entwicklung des letztjährigen Autos dar. Wir haben nur ganz normale Weiterentwicklung betrieben: Ein paar Teile leichter und steifer ausgelegt und die Fahrbarkeit verbessert. Wir haben unsere Arbeitsprozesse weiter vorangetrieben um unseren Windkanal effizienter zu nutzen. Aber das ist keine Zauberei. Du musst hart an den grundlegenden Punkten arbeiten und darfst niemals selbstzufrieden werden.

Der Motor ist allerdings brandneu. Viele Teams sprachen von einem radikalen Wechsel, Renault stellt die Kontinuität in den Vordergrund...

Bob Bell: Die Teams in Viry sind ihre Aufgabe mit dem neuen V8 ganz ruhig angegangen und haben einen exzellenten Motor produziert. Der Wechsel vom V10 zum V8 war keine Revolution, einfach eine rationale Umsetzung technischer Vorgaben und Lösungswege. Ein sachlich abgearbeitetes Programm lieferte die gewünschten Ergebnisse.

Wo liegt denn dann das Geheimnis des R26?

Bob Bell: Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt eins gibt. Wir haben ein gutmütiges, konstantes Auto. Darauf hatten wir uns auch beim Übergang von 2004 auf 2005 konzentriert, und dies über den Winter wiederholt. Wir arbeiten hart daran, die Rückmeldung und die Fahrbarkeit des Autos zu verbessern, damit die Fahrer totales Vertrauen ins Fahrverhalten haben und es ans Limit bringen können, Runde für Runde. Wir wissen, dass wir mit dem R26 unsere Performance über eine fliegende Runde auch über 20 Runden konstant halten können.

Was erwarten Sie von den beiden bevorstehenden Rennen am Nürbrugring und in Spanien?

Bob Bell: Ich schätze, das werden beides "Michelin-Rennen", und dass sich unsere Gegner aus den Reihen der Michelin-Teams rekrutieren werden - also McLaren und Honda. Wir schreiben Ferrari natürlich nicht ab, aber unsere Tests in Barcelona liefen seht gut, und auf dem Nürburgring waren wir 2005 ebenfalls sehr schnell.

Wie wird das Team die weitere Saison angehen?

Bob Bell: Wir gehen raus und greifen an. Das Auto ist gut, und beide Fahrer werden jetzt die B-Spezifikation des RS26-V8 einsetzen. Für uns gilt unverändert: Wir treten an, um zu gewinnen.