Sie stehen in einer Fußgängerzone ihrer Wahl und dürfen sich wahlweise sogar den Schnee wegwünschen. Ihre Aufgabe: Passanten nach den Namen von bekannten Formel 1-Teams befragen. Ferrari, McLaren, Ferrari, Williams, Lotus - all das werden Sie zu hören bekommen. Und dann fällt garantiert noch ein Teamname. Möglicherweise von einem leichten Lächeln begleitet: Minardi.

Die kleine Scuderia mag in ihren 21 Jahren Teamgeschichte vielleicht keine GP-Siege und WM-Titel eingefahren haben, doch in die Herzen der Fans hat es die Truppe von Gian Carlo Minardi dennoch geschafft. Entsprechend traurig war der Paddock, als Paul Stoddart in Shanghai seine australische Abschiedsparty für die Überlebenskünstler aus Faenza veranstaltete.

Eben jener Australier, der das Team anno 2001 vor einem unrühmlichen Ende bewahrte und sich danach zum Brieffreund von Max Mosley aufschwingen sollte, durfte nach Saisonende die letzten Meter in einem Minardi F1-Boliden zurücklegen. Danach begann ein neues Kapitel. Der Name der neuen Ära lautet: Scuderia Toro Rosso. Kurz STR.

Sie sind die neuen Bullen im Paddock., Foto: Sutton
Sie sind die neuen Bullen im Paddock., Foto: Sutton

Das Team Die Fabrik ist noch im italienischen Faenza, das Personal ist teilweise noch das gleiche, aber die finanziellen Möglichkeiten und die Zukunftsaussichten sind besser denn je: Durch den Verkauf des Teams an Red Bull wurde aus dem chronischen Hinterbänkler Minardi ein ernsthafter Anwärter auf Mittelfeldplätze. Angeführt wird das Team von einem deutschsprachigen Dreigestirn: Zum einen wären da die Besitzer. Zwei Österreicher - Dietrich Mateschitz, seines Zeichens Dosenmilliardär, und Gerhard Berger, zuletzt F1-Urlauber, zuvor Rennfahrer und Motorsportdirektor. Der Dritte im Bunde ist der Teamchef: Franz Tost.

Seine Hauptaufgabe bestand in den letzten Monaten darin, neue Leute zu verpflichten und die bisherigen Strukturen zu verbessern. Dank der Zusammenarbeit mit dem Schwesterteam Red Bull Racing und der Unterstützung von Red Bull ging dies ohne größere Probleme über die Bühne. Die Basis für eine erfolgreiche Zukunft ist also gelegt.

Die Tests Alles ist anders: Als das Team noch auf den altehrwürdigen Namen Minardi hörte, kannte man den Begriff "Testfahrten" - also Plural - nur vom Hörensagen. Unter der neuen Führung schwang sich Toro Rosso zwar auch nicht gerade zum Vieltester unter den Teams empor, doch mehrere zweitägige Testsessions mit je einem Auto sorgten für einen ungewohnt stetigen Datenstrom in die Fabrik. Kurz vor dem Saisonbeginn kam dann der große Knaller: STR absolvierte zusammen mit Ferrari und Honda einen viertägigen Test in Bahrain! Zu Minardi-Zeiten hätte man davon noch nicht einmal zu träumen gewagt. Für den Großteil der Testfahrten setzte STR auf den Vorjahreswagen des Schwesterteams, den man allerdings aus Reglementtechnischen Gründen nicht übernehmen durfte. So entstand der STR1.

Neben dem STR1 kam auch ein RB1 zu Testehren., Foto: Red Bull
Neben dem STR1 kam auch ein RB1 zu Testehren., Foto: Red Bull

Das Auto Im ersten Moment sah der STR1 wie eine Mischung aus RB1 und RB2 aus. Beim zweiten Blick auf den ersten Boliden der Scuderia Toro Rosso entpuppte er sich dann auch als eben solcher Zwitter, mit einigen eigenen Lösungen. Der größte Vorteil gegenüber seinem großen RBR-Bruder vom Typ RB2: Der STR1 hatte keine gravierenden Kühlungsprobleme, die den Motor überhitzen ließen. Aber der Motor ist bei der Scuderia ohnehin ein Thema für sich... Bleiben wir zunächst jedoch beim restlichen Auto: Abgesehen von den üblichen Problemchen präsentierte sich der Wagen durchaus als zuverlässig. Und auch die Performance war für seine Verhältnisse akzeptabel. So mancher Experte traut den Jungbullen sogar eine Überraschung zu. Der Grund dafür liegt wie bereits angedeutet im Heck des STR1 begraben.

Der Motor Dort schlummert ein Cosworth V10 der 2005er Generation. Ein Zehnzylinder? Sind die nicht seit diesem Jahr verboten? Ja, aber für Minardi machte die FIA eine Ausnahme: Die Konkurrenzteams erlaubten den Italienern einen gedrosselten V10 einzusetzen, um auf diese Weise Kosten zu sparen. Als Nachfolge-Team von Minardi, setzt nun STR auf den in der Drehzahl limitierten Cosworth-Motor. Allerdings schmeckt dies den Rivalen überhaupt nicht mehr, allen voran Hauptkonkurrent MF1 Racing ist davon mehr als nur wenig angetan. Das Problem: Der V10 soll trotz der Limitierung mehr PS besitzen als die V8 und zudem eine bessere Fahrbarkeit, eine höhere Zuverlässigkeit sowie ein größeres Drehmoment aufweisen. Bei Toro Rosso spielte man dies erwartungsgemäß herunter und räumte zuletzt nur noch den Zuverlässigkeitsvorteil ein, welcher allerdings nach einigen Rennen mit den Achtzylindern aufgebraucht sein soll. Was nun wirklich der Wahrheit entspricht, werden wir erst in Bahrain sehen. Aber bei zwei anstehenden Hitzerennen könnte ein standfester Motor durchaus das Trumpf-As sein, das sich alle in Faenza erhoffen. Sollte zudem ein PS-Vorteil vorliegen, sind weitere Einschränkungen der Drehzahl respektive im Motormanagement nicht auszuschließen.

Tonio und Scott sorgen bei STR für Stimmung., Foto: Sutton
Tonio und Scott sorgen bei STR für Stimmung., Foto: Sutton

Die Fahrer Warum kauft sich ein Getränkehersteller ein zweites Formel 1 Team? Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Dietrich Mateschitz braucht einen Platz um seine vielen Jungtalente reifen zu lassen. Mit Tonio Liuzzi, Scott Speed und Neel Jani gehören drei Red Bull Junioren aus dem eigenen Nachwuchsprogramm zum Fahrerkader der Scuderia Toro Rosso. Allerdings stellt STR auch das unerfahrenste Fahrertrio des gesamten Starterfeldes. Nur Liuzzi hat bereits eine handvoll Grand Prix absolviert. Dabei konnte der letzte F3000-Champion der Geschichte allerdings nur bedingt überzeugen.

Obwohl der Italiener mit dem STR1 wohl kaum regelmäßig um Punkte kämpfen wird, muss er 2006 beweisen, was er drauf hat und dass er im Vorjahr mehr als nur vier Einsätze für RBR verdient gehabt hätte. Im Winter hat er sich zumindest Großes vorgenommen: Nachdem er zuerst nur von regelmäßigen Punkteplatzierungen gesprochen hatte, träumte er sogar öffentlich von einem Podestplatz.

Sein Teamkollege Scott Speed geht mit weniger ausgefallenen Zielen in seine Rookie-Saison. Genauso wie Liuzzi, muss aber auch er zeigen, dass er seinen Platz in der Königsklasse nicht nur seinem Nachnamen und seiner Nationalität zu verdanken hat. Immerhin konnte er 2005 hinter Nico Rosberg und Heikki Kovalainen den 3. Gesamtrang in der GP2 einfahren. Gänzlich überzeugen konnte der Amerikaner allerdings nicht. Im Gegensatz zum hoch gepriesenen Finnen erhielt er aber Red Bull sei Dank ein Stammcockpit in der F1. Beziehungen muss man haben.

Die Scuderia Toro Rosso möchte die rote Laterne abgeben., Foto: Sutton
Die Scuderia Toro Rosso möchte die rote Laterne abgeben., Foto: Sutton

Der Dritte im Fahrerbunde ist der Schweizer Neel Jani. Dieser bringt natürlich als Test- und Ersatzfahrer keine große Erfahrung mit, doch wusste er bei seinen Auftritten in der A1GP Serie zu beeindrucken. Anders als Scott Speed kann er als dritter Fahrer in Ruhe die Strecken kennen lernen und Erfahrung sammeln. Vielleicht entpuppt sich die Position des Eidgenossen ja als Glückstreffer.

Die Prognose In den eigenen Reihen spricht man nicht über große Ziele oder angestrebte Platzierungen. Dennoch dürfte klar sein, dass man sich bei Red Bull schon im ersten Jahr des Zweitteams nicht mit der roten Laterne zufrieden geben wird. Die gute Nachricht für alle im Firmensitz in Fuschl ist: STR scheint im Dreikampf um die letzten drei Startreihen die besten Karten zu besitzen! Während Super Aguri ohnehin nur als Außenseiter anzusehen ist, scheint STR im Vergleich mit Midland das bessere Paket sowie die besseren Finanzen zu besitzen. Und dann wird MF1 in Fachkreisen etwas abgesprochen, dass bei Red Bull in unbändigen Mengen vorhanden ist: Leidenschaft, Esprit und Entschlossenheit erfolgreich zu sein.

Die Team-Analysen im Überblick