Quo vadis Formel 1? Wohin soll die Reise gehen? Wie kann eine faszinierende Zukunft der Königsklasse aussehen? Die Sichtweisen und Denkansätze zu diesem Thema sind mannigfaltig. FIA-Präsident Max Mosley hat seine Richtung nach einer Vielzahl von Kehrtwendungen und Kurskorrekturen anscheinend gefunden - nachdem man in den Neunzigerjahren mit Maßnahmen wie der 48 Millionen Dollar-Einschreibekaution die so genannten "Bastelbuden" vom Grid verbannt hatte, möchte Mosley nun wieder zurück in die goldene Ära der Siebzigerjahre. Jetzt möchte Mosley eine von den Herstellern völlig unabhängige Formel 1, so wie das vor 30 Jahren der Fall war...

In einem Interview mit der Welt am Sonntag brachte Mosley seinen Denkansatz noch einmal auf den Punkt: "In den Siebzigerjahren, einer Glanzzeit der Formel 1, gab es praktisch nur einen Motor, und die Hersteller spielten eine untergeordnete Rolle. Selbst kleinere Teams konnten unter diesem System von Fall zu Fall gewinnen. Unser Ziel muss es deshalb sein, für einen Wettbewerb dieser Couleur zu sorgen."

Paradebastelbude Lotus - Aero-Sturm- und Drang..., Foto: Sutton
Paradebastelbude Lotus - Aero-Sturm- und Drang..., Foto: Sutton

Derzeit hält die FIA bei sechs Teams: Ferrari, Williams, Red Bull Racing, Scuderia Toro Rosso, MF1 Racing und Super Aguri. Laut Mosley sollen weitere drei bis vier Teams großes Interesse an einem Einsteig ab 2008 erklärt haben. An eine Herstellerserie glaubt Mosley nicht - sie wäre in seinen Augen eine Meisterschaft "um das goldene Lenkrad". Mosley, der vor nicht allzu langer Zeit noch die Fans mit seinem nach nur einer Woche revidierten Versprechen düpiert hat, die Traktionskontrolle zu verbannen, und zwar nach einem "Gespräch mit den Herstellern", erklärt die selben Automobilkonzerne von nun an quasi zu Statisten: "Wenn wir die notwendigen Regeln durchbekommen, was ich nicht bezweifle, wird Renault in der Formel 1 bleiben, vielleicht sogar auch der eine oder andere Hersteller." Und: "Da aus logistischen und Sicherheitsgründen nur zwölf Teams ab 2008 starten, sind noch drei Plätze für fünf Hersteller frei. Drei von fünf haben also die Chance, an neuen Regelvorschlägen mitzuarbeiten. Oder sie boykottieren weiter die größte Veränderung der Formel-1-Geschichte."

Diese Veränderung besteht in erster Linie aus einer drastischen Kostensenkung - das Budget eines Formel 1-Teams soll ab 2008 maximal 100 Millionen Dollar pro Saison betragen, derzeit operieren die Budgetkaiser mit rund 400 Millionen. Diese Kostensenkung möchte Max Mosley mit einer radikalen Technikabrüstung sowie einer Vereinheitlichung von Bauteilen verwirklichen. Viele sehen jedoch gerade hier den großen Widerspruch und vor allem einen Riesen-Verlust. Mosley fragt: "Glauben Sie, wenn Mercedes mit McLaren 2009 den Titel gewinnt, ob es jemand im Publikum interessiert, mit welchem Motor oder welchem Getriebe das gelang? Ob mit einem V10- oder einem V8-Zylinder? Und das Problem Kosteneskalation lässt sich beliebig in dem neuen FIA-Regelvorschlag auf Getriebe, Elektronik und Chassis übertragen. Die Hersteller geben auch dort zuviel Geld aus..." Mosley argumentiert: "Der britische Motorenbauer Cosworth hat gerade für 20 Millionen Euro einen ebenso konkurrenzfähigen Motor produziert wie Mercedes oder BMW. Dort gibt man aber 180 Millionen dafür aus. Das ist für mich Verschwendung."

Vielfalt in der Form - und unter der Haube., Foto: Sutton
Vielfalt in der Form - und unter der Haube., Foto: Sutton

Auch wenn die Rechnung des 65jährigen an sich stimmig erscheint, dürfte Mosley jedoch eines vergessen: Die Siebzigerjahre gelten nicht nur wegen ihrer Ikonen wie James Hunt, Jochen Rindt, Emerson Fittpaldi, Niki Lauda und viele mehr als die "goldene Ära der Formel 1". Damals florierte in der Formel 1 eine niemals wieder zurückgekehrte technische Vielfalt - die Autos hatten "Gesichter", sie waren auch mit anderer Lackierung eindeutig erkennbar und es gab verschiedene Motorenkonzepte vom V8 bis zum V10 über den Boxer-V12 bis hin zum Turbo. Und das hat sehr wohl die Fans begeistert. Hinzu kam eine aerodynamische Sturm- und Drang-Ära, die einzigartig war. Der Weg von Max Mosley, der hochgerechnet zu Einheits-Chassis und Motor führt, ist in gewisser Weise auch sein persönliches Eingeständnis, dass für ihn die Formel 1-Technik längst ihren Zenit überschritten hat. Er zumindest kann sich anscheinend keine verschiedenen Motorenkonzepte mehr vorstellen und in punkto Aerodynamik hat er wohl gar nicht Unrecht damit, dass man seit Jahren nur Kleinstflügelwerk entwickelt, welches die breite Masse gar nicht mehr registriert. Für die Masse sahen die Boliden des Jahres 2000 nicht anders aus als jene von heute.

Reglement: Öffnen oder Einengen?

Und so ist es auch nachvollziehbar, wenn Mosley dem sinnlosen Wettrüsten im Bereich von Miniflaps und Bargeboards einen Riegel vorschieben möchte. Zugleich jedoch stellt sich die Frage, ob es nicht doch einen Weg geben könnte, die Formel 1 wieder leistbar zu machen, ohne dabei auf die technische Vielfalt und Eigenständigkeit zu verzichten. Ob es nicht doch auch möglich wäre, das Regelwerk in gewissen Bereichen sogar wieder zu öffnen, beispielsweise was Motorenkonzepte oder auch die Bauform der Autos anbelangt. In einem anderen Interview erzählte Mosley, er hätte deshalb davon Abstand genommen, in punkto Aerodynamik mit Schablonen zu arbeiten, weil "die Fans unterschiedliche Autos sehen wollen". Doch mit seinen engmaschigen Regelvorstellungen schafft Mosley de facto diese Schablonen...

Die einzige Lösung wäre wohl ein Gremium aus Spitzendesignern - diese müssten überlegen, ob und in welchen Bereichen eine Öffnung des Regelwerks machbar wäre. Und ob es theoretisch überhaupt noch einen Reiz darstellen würde, beispielsweise einen Sechsradboliden auf die Räder zu stellen. Vielleicht müssten dann auch diese Spitzentechniker eingestehen, dass quasi die optimale Form eines Formel 1-Boliden gefunden wurde und die Autos selbst bei einem völlig freien Reglement einander größtenteils gleichen würden. Nur dann jedoch sollte man sich mit der Mosley'schen Zukunftsformel "F1zukunft = Siebziger-Renaissance - Technikfaszination;" abfinden.