Als langjähriger BMW-Werksfahrer verfolgt Formel 1-Experte Hans-Joachim Stuck die Entwicklung des reinrassigen BMW-Werksboliden in München und Hinwil mit besonderem Interesse. Im Exklusivinterview mit motorsport-magazin.com erklärte er unter anderem, warum er sich Jacques Villeneuve als Partner von Nick Heidfeld am besten vorstellen kann.

Ein aufregendes Projekt: Sauber wird durch BMW übernommen. Wo liegen die großen Risiken und Chancen dieser Operation?

Hans Joachim Stuck: Als erstes einmal ist es aus Sicht von BMW sicher die richtige Entscheidung gewesen, es komplett selbst zu machen, nachdem es mit Williams leider nicht funktioniert hat. Es ist natürlich eine sehr kostspielige Entscheidung und sicher auch die langwierigste, um zum Erfolg zu kommen. Die Zeit muss man sich aber nehmen. Denn in letzter Konsequenz wird das zum Erfolg führen. Das heißt natürlich auch, dass man im ersten Jahr nicht zu viel erwarten darf. Personalmäßig werden sicher 80-90 Leute aufgestockt, das Team muss sich aber erst noch finden. Man kann nicht einfach in einen Sauber einen BMW Motor hineinschrauben. Dazu kommt natürlich auch, und das sehe ich ein bisschen als Vorteil, ein neuer V8-Motor. Einige werden sich da wohl ein bisschen strecken müssen.

In der GP Masters Serie zeigte Strietzel einige packende Manöver., Foto: Sutton
In der GP Masters Serie zeigte Strietzel einige packende Manöver., Foto: Sutton

Ist die V8-Einführung für das Team ein Vorteil, da ja alle bei Null beginnen?

Hans Joachim Stuck: BMW ist als Motorenhersteller dafür bekannt, dass sie diese Probleme relativ schnell lösen. Von der Seite sehe ich schon, dass man anfangs Erfolg haben wird, aber dann an die Spitze zu kommen, das wird sehr schwierig werden, weil die anderen ja auch nicht schlafen. Wir haben einige Teams wie Toyota und Honda die auf dem Vormarsch sind. Aber zuerst muss man McLaren-Mercedes schlagen und Renault scheint ebenso bestens aufgestellt zu sein. Es wird immer schwieriger in der Formel 1, weil auch in den hinteren Teams immer professioneller gearbeitet wird.

Der BMW-Motor galt lange Jahre als der stärkste in der Formel 1. Wenn man sich die PS-Tabellen am Ende der Formel 1 Saison 2005 angesehen hat, war er nur noch auf Rang 6. Mark Webber hat viel Kritik geübt und gemeint, dass er was die Motorelektronik angeht, schon 2001 bei Benetton bessere Dinge getestet hätte. Hat BMW da gegen die anderen einen Schritt zurück gemacht?

Hans Joachim Stuck: Ich bin natürlich nicht selbst in der Motorenschmiede dabei, aber ich glaube BMW hat bewiesen, dass sie mit nur einem Motorschaden in diesem Jahr gut vorangekommen sind. Es war sicherlich besser, ein wenig Leistung aufzugeben, auch für die Fahrbarkeit der Motoren. Man muss ja nicht den stärksten Motor haben, um zu gewinnen. Wenn das Konzept des Autos nicht stimmt, dann kann der Motor noch so gut sein: Es bringt einfach nichts. Das hat sich bei anderen gezeigt.

Trotzdem scheinen andere Hersteller deutlich mehr Power zusammenzubringen.

Hans Joachim Stuck: Die Streuung der PS-Zahlen, die man so liest, halte ich für relativ wage. Wenn man nach dem Rennen bei Karl Heinz Zimmermann im Zelt sitzt, wie ein Mario Illien und Mario Theissen miteinander reden und sich über ihre Motoren unterhalten, dann weiß man, dass die alle ganz nahe beieinander liegen und dass eine Menge über die Fahrbarkeit gemacht wird.

Jans Joachim Stuck sieht Villeneuve als Heidfelds Teamkollegen., Foto: BMW
Jans Joachim Stuck sieht Villeneuve als Heidfelds Teamkollegen., Foto: BMW

Die Fahrerpaarung bei BMW steht noch nicht fest. Wäre Villeneuve eine gute Wahl neben Nick Heidfeld?

Hans Joachim Stuck: Mich persönlich würde es freuen wenn Jacques fahren könnte. Aus meiner Sicht würde ich das für vernünftig halten. Jacques ist nach wie vor ein guter, schneller Mann, er ist schließlich ein ehemaliger Weltmeister. Für das erste Jahr mit Sauber wird man kaum einen Besseren finden. Es macht keinen Sinn, einen Räikkönen oder Alonso reinzusetzen, aber gut, die kriegt man ohnehin nicht.

Was ist mit Wurz?

Hans Joachim Stuck: Ja, Wurz wäre sinnvoll, aber McLaren wird so schlau sein den Alex in Euro oder Dollar einzubetten, damit er nicht weggeht. Das ist intern doch die große Konkurrenz. Er hat eine Menge Wissen, das er transferieren könnte. Kovalainen war auch im Gespräch, aber den sollte man lieber noch ein Jahr testen lassen. Ich hoffe, und glaube persönlich, dass Villeneuve im Boot bleibt.

Warum hat er sich 2005 so schwer getan?

Hans Joachim Stuck: Er hat sich nicht schwer getan, er ist mit einem Massa im Team gefahren, der im nächsten Jahr neben Michael Schuhmacher im Ferrari fahren wird. Nicht umsonst wird der jetzt Ferrari-Werksfahrer, das ist ein starker Mann. Man sieht das auch bei Fisichella, dass irgendwann einmal der Altersfaktor mitspielt. Wenn man dann auf eine Runde 1-2 Zehntel verliert, dann addiert sich das und alle glauben der Fahrer gehört zum alten Eisen. Aber Villeneuve ist ein Fahrer der bewiesen hat, dass er kämpfen kann und mit dieser Erfahrung wäre er ein guter Mann für das neue BMW-Formel 1-Team.

Villeneuve ist also für ein Jahr gut. Aber ist er auch für mehrere Jahre eine Option?

Stuck beim US Grand Prix 1976., Foto: Sutton
Stuck beim US Grand Prix 1976., Foto: Sutton

Hans Joachim Stuck: Das muss man sehen. Nach den Anfangserfolgen im ersten Jahr, muss man sich schon nach einem Top-Piloten umsehen. Nick Heidfeld ist sicher einer. Er hat gezeigt, dass er mit einem guten Auto vorne mitfahren kann. Dann muss man schauen wer noch frei ist. Es täte gut, daran nicht zu sparen. Wenn man einen Top-Piloten vom Kaliber eines Alonso oder Räikkönen holt, ist das gut investiertes Geld. Es kostet wesentlich mehr Geld ein Auto nach vorne zu bringen, als einen guten Piloten einzusetzen.

Welche Rolle wird Peter Sauber spielen. Wird er nur noch als Botschafter dabei sein um die Sponsoren glücklich zu halten, oder wird man ihn auch zu wichtigen strategischen Dingen befragen?

Hans Joachim Stuck: Das glaube ich nicht. Ich habe ihn bei mir in der Sendung gehabt [Saisonabschluss-Talkrunde bei Premiere]. Peter ist raus. Er wird sicher zu einigen Rennen mitkommen, wird aber operativ sicher nicht eingreifen.

Wie wird sich Michael Schumacher im kommenden Jahr schlagen. Wie wird er Kritikern antworten, die meinen, seine Zeit sei abgelaufen?

Hans Joachim Stuck: Für Michael ist das ein ganz schwieriges Thema. Er kann eigentlich nur noch verlieren. Wenn du sieben Mal Weltmeister warst, dann musst du ein achtes Mal Weltmeister werden oder du musst aufhören. Für ihn ist es schwierig diesen Punkt zu erreichen. Andererseits hat er sicherlich von sich aus die Fähigkeit Weltmeister zu werden. Aber ob ihm Ferrari dazu das Auto gibt, das steht im Kaffeesatz. Wenn Michael ein Auto hat, mit dem er mit Alonso und Räikkönen mithalten kann, bin ich mir sicher, dass er sie auch schlägt.