"Die Formel 1 durchlebt Zyklen", schloss sich Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug Anfang 2004 einer weit verbreiteten Fahrerlager-Meinung an. Was im Jahr 1999 mit einem unscheinbaren Gewinn der Konstrukteursweltmeisterschaft begann, sollte sich in den Folgejahren zu einer roten Lawine entwickeln, die alles und jeden der sich ihr in den Weg stellte mit sich riss und weit unter sich begrub.

Sechs Mal ging die Konstrukteurstrophäe in Folge nach Maranello. Fünf Mal wurde sie von ihrem ebenso funkelnden Kollegen begleitet: Dem Fahrer-WM-Pokal. Da ist es kein Wunder, dass sich die Ferrari-Rivalen vor jeder Saison auf's Neue darauf beriefen, dass jede Serie und jeder noch so rote und erfolgreiche Zyklus eines Tages ein Ende haben müsse.

Ein Sinnbild für 2005: Ferrari am Haken., Foto: Sutton
Ein Sinnbild für 2005: Ferrari am Haken., Foto: Sutton

Die findigen Volkswirte unter unseren Lesern dachten bei diesen Worten sofort an die aus Lehrbüchern bekannten kurzfristigen Kitchin-Zyklen, mittelfristigen Juglar-Zyklen und langfristigen Kondratieff-Zyklen. Die Titelrivalen der Scuderia Ferrari werden an letztere garantiert nur ungern gedacht haben. Schließlich halten diese theoretisch rund 50 Jahre an.

"Wenn man sich die Geschichte ansieht gibt es immer Perioden der Überlegenheit, welche für einige Jahre anhalten, so wie McLaren Mitte der 80er und Williams in den frühen 90ern. Ferrari erlebt dies eben jetzt," outete sich David Coulthard als Anhänger der Zyklus-Theorie.

"Diese Dinge kommen und gehen in Zyklen und es ist schwierig das zu ändern," fügte ein gewisser Fernando Alonso hinzu. Damals konnte noch niemand ahnen, dass es jener junge Spanier sein würde, der die Ferrari-Ära und damit den roten Siegeszyklus zu einem unerwarteten Ende bringen sollte.

Sir Frank Williams wusste mit all seiner Erfahrung aus Jahrzehnten des Hardcore-Racings zumindest eines - oder wenigstens hoffte er dies: "Die Ferrari-Erfolge dauern nicht ewig." In diesem Punkt stimmte ihm selbst Jean Todt zu. "Unsere Erfolgsserie wird nicht ewig anhalten", betonte der Franzose vor jedem neuerlichen Titelgewinn im Kanon mit Ross Brawn und Michael Schumacher. "Unser Ziel ist es aber ganz klar", so der siebenfache Champion, "die Ära Ferrari noch so lange wie möglich anhalten zu lassen."

In der Saison 2005 war es dann doch so weit. Nachdem man zwischen 2000 und 2004 jeweils mindestens 8 und zweimal sogar 15 GP-Siege einfahren konnte, durfte man in der abgelaufenen Saison gerade einmal die volle Punktzahl verbuchen. Und das ausgerechnet in einem 'Rennen', in welchem aufgrund des Indy-Skandals nur sechs Autos an den Start gegangen waren.

Michael Schumacher fasste das Ende des Ferrari-Zyklus gefasst und realistisch zusammen: "Das war beileibe keine Saison, auf die wir stolz sein können, und die Tatsache, dass wir in beiden WM-Wertungen Dritter geworden sind, verfälscht unsere Leistung sogar noch."

Der einzige Saison'sieg' sorgte für keinerlei Lächeln., Foto: Sutton
Der einzige Saison'sieg' sorgte für keinerlei Lächeln., Foto: Sutton

Tatsächlich: Ohne den 'Petit Prix von Indianapolis' wäre die Scuderia bei den Konstrukteuren nur auf Platz 4 hinter Toyota gelandet. Michael Schumacher wäre ohne die zehn "geschenkten" US-Punkte nur WM-Sechster und Rubens Barrichello nur Gesamt-Elfter statt Achter geworden. Vom einstigen Ruhm und Glanz ist 2005 aber auch mit den Indy-Punkten nicht viel übrig geblieben.

"Einerseits ist es enttäuschend", sagte Teamchef Jean Todt, "andererseits ist es vielleicht gut eine so schlechte Saison mit einem solch schlechten Ergebnis abzuschließen. Denn das macht die Dinge klar: Wir wissen jetzt wo wir stehen und was wir zu tun haben."

Hätte man stattdessen beim Saisonfinale ein gutes Ergebnis erzielt, hätte dies an den Endresultaten in den WM-Wertungen nichts verändert, aber man hätte vielleicht denken können, dass Ferrari "nicht so schlecht" sei. "Manchmal ist es gut, wenn man mit der Nase im Mist steckt."

Und was müssen die Italiener unternehmen, um ihre Nase 2006 aus dem Mist herauszunehmen und sie wieder stolz in den Himmel strecken zu können? "Wir müssen einfach gute Arbeit leisten", lautet die ebenso ehrliche wie einfache Antwort des Teamchefs. "Wir haben in diesem Jahr keine gute Arbeit geleistet und mussten dafür bezahlen." Jetzt heißt es "überall" besser zu werden. Allen voran bei den Reifen, die in diesem Jahr "zu wenig Grip" aufbauten, und bei der Stabilität des Autos.

Michael Schumacher glaubt fest daran, dass seine Truppe im nächsten Jahr zurückschlagen kann. "Wir konzentrieren uns nun voll auf das nächste Jahr und unser Anspruch kann nur sein, wieder um die Titel mitzukämpfen", gibt er ein klares Ziel vor. "Wenn man sich vor Augen führt, dass die anderen Teams es bei unserer Überlegenheit aus dem letzten Jahr geschafft haben, in diesem Jahr leistungsmäßig so weit vor uns zu liegen, kann es im Rückschluss natürlich auch uns gelingen, 2006 wieder vorn dabei zu sein."

Kommen die alten Zeiten wieder zurück?, Foto: Sutton
Kommen die alten Zeiten wieder zurück?, Foto: Sutton

Das beste Beispiel ist McLaren Mercedes. Die Silbernen besaßen über einen Großteil der Saison das anerkannt schnellste Auto. Noch vor anderthalb Jahren waren sie mit ihrem MP4-19 aber die Lachnummer der F1-Welt. Damals titelten die Boulevardblätter von der Silberfackel und dem schnellsten Feuerzeug der Welt. Noch ein Jahr früher geisterte das Phantomauto vom Typ MP4-18 durch die Gazetten und die Silberpfeile fuhren im Nirgendwo durch die Ergebnislisten.

Entsprechend scheint auch hier eine Zyklus-Theorie zu gelten: Auch die schlechten Zeiten, wie sie Ferrari in dieser Saison eindeutig erlebt hat, enden irgendwann und führen auf die Siegerstraße zurück. Die neue Herausforderung der Scuderia besteht nun darin den Übergang vom Gejagten zum Jäger schnell zu meistern. Denn der Jäger möchte nach einem Jahr ohne Beute in der nächsten Saison wieder kräftig zuschlagen. Dann könnte schon 2006 ein neuer Zyklus beginnen...