Der Computer. Die technische Revolution. Das Zeitalter der Hochtechnologie. Und schließlich: Das Internet. Ein Netzwerk, welches den gesamten Erdball umschließt. Man kann eine Email schreiben - und kurze Zeit später ist diese beim Empfänger angelangt, wo immer sich dieser befinden möge. Und: Man kann sogar Umfragen abhalten, man ist in der Lage, die Meinungen aller Formel 1-Fans, auf der ganzen Welt, einzuholen. Und mit dem Computer kann man sie auswerten. All das hat etwas bewirkt, hat etwas verändert - im Denken von Max Mosley, dem Präsidenten des obersten Automobilverbands FIA. Und heute, im Rahmen der FIA-Pressekonferenz in Monza, hat Max Mosley seine Gedanken an die Öffentlichkeit getragen.

Der erste Schritt wurde bereits vollzogen - nach einer jahrelangen Irrfahrt mit dem Ziel, den Sport zurückzuholen in den lauen Formel 1-Zirkus, ihn wieder zu beleben, nach einer um sich schlagenden Reformwut, wie sie die Formel 1 noch nie erleben durfte, entdeckte man im Jahre 2005 die Hochtechnologie Internet im Hause der FIA - und man befragte die Fans, was sie von all dem halten würden. Max Mosley brachte die, längst bekannten, Zahlen nach Monza - sie sind vernichtend. 94 Prozent wollen mehr Überholmanöver. Für 88 Prozent soll das fahrerische Können im Vordergrund stehen, 74 Prozent wollen weniger Fahrhilfen. Für 51 Prozent ist die Formel 1 mehr ein Geschäft denn ein Sport...

Zahlen lügen nicht

Dass viele Fans mit der Formel 1 unzufrieden sind, konnte Max Mosley immer wieder seinem Briefkasten entnehmen, wenn sich dort wieder einmal zahlreiche Briefe von enttäuschten Motorsportfreunden stapelten. Als er beispielsweise 2003 die Traktionskontrolle verbot, um sie eine Woche später dann doch zu belassen, weil die Hersteller ihm Billigmotoren versprochen haben. Doch jetzt - jetzt hat der Präsident die Unzufriedenheit der Fans in Zahlenwerten serviert bekommen - so nackt und nüchtern solche Zahlen für manche auch sein mögen, sie können in ihrer Absolutheit Vieles bewirken. Die FIA jedenfalls hat die Firma AMD, welche die Umfrage technisch abgewickelt hat, gleich einmal zum neuen offiziellen Ausrüster der Motorsportbehörde erklärt.

Die Fans stimmten ab - das Ergebnis ist vernichtend., Foto: Sutton
Die Fans stimmten ab - das Ergebnis ist vernichtend., Foto: Sutton

Mit AMD hat Max Mosley nämlich Großes vor. 94 Prozent wollen mehr Überholmanöver - seit Jahren klagen die Piloten darüber, dass die Fahrzeuge im Windschatten instabil wären, und dass es deshalb schwierig sei, zu überholen. Seit Jahren versucht Mosley zugleich, die Formel 1 einzubremsen - und nicht selten waren es seine Einbremsmaßnahmen, die das Überholen noch schwieriger machten. Ein ähnliches Phänomen wie die Sparmaßnahmen, die am Ende sündteuer kommen.

Eingeständnis

Dass man nicht selten auf dem Holzweg unterwegs war, das hat Max Mosley heute auch zugegeben: "Wir hatten Maßnahmen, welche den aerodynamischen Abtrieb um 25 Prozent verringern sollten, doch schon am Saisonbeginn haben die Teams einen Großteil des Abtriebs wiederhergestellt. Schlimmer noch, sie erreichten dies mit den unzähligen kleinen Flügeln an den Autos, welche jedoch die Front der Autos noch sensibler machten. Wir haben also nicht nur die 25 Prozent an Abtrieb nicht reduziert sondern auch noch das Überholproblem verschlimmert. Das ist einfach der falsche Weg. In den letzten 38 Jahren hat die FIA versucht, die Kurvengeschwindigkeiten mittels Reduktion der Aerodynamik durch vorgeschriebene Bauteil-Dimensionen zu reduzieren." Während also die FIA in einer Zone des Fahrzeugs Flügel in ihrer Größe beschnitt, heckten die Techniker bereits neue Zonen aus, an denen mit frischem Geflügel für den ersehnten Abtrieb gesorgt wurde.

Der neue Weg: Abtriebswerte statt Bauteil-Dimensionierung!

Dank der Computerfirma will Mosley nun einen neuen Weg beschreiten: Nicht mehr die Bauteile werden dimensioniert - es wird einfach ein Maximum an Abtrieb vorgegeben: "Wir spezifizieren das Maximum an Downforce und damit sind die Diskussionen ein für allemal beendet", sagt Mosley. Der Brite möchte mit Hilfe von komplizierter und modernster Computertechnologie das Überholproblem aus der Formel 1-Welt schaffen. Und auch der von ihm skizzierte Weg ab 2008 - 90 Prozent weniger Downforce und große Slickreifen - soll nun noch einmal vom Computer neu durchdacht werden. Mosley: "Neunzig Prozent weniger Downforce würde die Autos auch mit großen Rädern womöglich zu langsam machen, im Vergleich zu anderen Einsitzer-Rennserien. Eine neue Lösung zu finden bedeutet, dass man es cleverer angehen muss."

Clever heißt für Mosley: "AMD ermöglicht uns den Zugang zu einem der stärksten Computer der Welt..." Auf diesem wolle man nun Simulationen starten, die speziell auf das Problem zweier Fahrzeuge, auf das Überholproblem, abgestimmt sind. Bis zum Ende des Jahres soll simuliert werden. Dann soll ein neues, überdachtes Regelwerk ab 2008 veröffentlicht werden. Laut Mosley haben sowohl die Umfrage als auch die aktuellen Meetings mit den Teamchefs und Technikern zu diesem neuerlichen Umdenken beigetragen.

Die Slicks kommen zurück - hier der Arrows A2 aus 1979., Foto: Sutton
Die Slicks kommen zurück - hier der Arrows A2 aus 1979., Foto: Sutton

Max Mosley ist von dem neuen Weg überzeugt: "Wir sind nahe dran zu wissen, was wir tun werden. Wir werden die Downforce zum ersten Mal über die Quantität reduzieren. Wir werden sagen, dass der Wagen niemals mehr als X-tausend Newton an Abtrieb erzeugen darf, unter allen Umständen." Nicht dazu gesagt hat Max Mosley, wie diese Downforce-Werte im Detail, an der Rennstrecke, überprüft werden sollen. Doch da wird der Computer hoffentlich auch noch eine Lösung ausspucken. Vielleicht schafft der Computer auch gleich eine verlässliche Kontrolle von versteckten Traktionskontrollen? Schon vor dem Ergebnis der Simulationen steht jedoch für Mosley fest, dass zumindest an der Rückkehr von größeren, rillenlosen Reifen festgehalten wird. Ein Eingeständnis - der Weg der Rillenreifen, den man ein Jahrzehnt lang gegangen ist, war grundlegend falsch.

Bitte warten

Während Max Mosley seine neue Erkenntnis, die Reduzierung der Downforce über vorgegebene Abtriebswerte und damit eine neue und spektakuläre Formel 1 ab 2008 feiert, scheinen die Publikumswünsche für das kommende Jahr eher den "Bach runter zu fließen", wie der enttäuschte Volksmund dies ausdrücken würde. 70 Prozent sprachen sich für das alte Mehrrunden- und Low Fuel-Qualifying aus. Beeindruckt von diesen Zahlen hat Zirkusdirektor Bernie Ecclestone zwei neue Vorschläge auf der offiziellen Formel 1-Website veröffentlicht und die Fans zur Abstimmung gebeten. Doch dann wurde es wieder ruhig in Sachen Qualifying. Zu ruhig. Denn mittlerweile scheint es zu spät zu sein, das hat nicht nur Red Bull-Teamboss Christian Horner bestätigt. Die Designer konnten nicht mehr warten, mussten ihre Autos bauen. Mit dem Argument, dass es nun zu spät sei, wird man höchstwahrscheinlich auch 2006 mit einem Qualifikationsmodus antreten, der nur bei einer Minderheit für Entzücken sorgt, das samstägliche Spritmengenrätsel scheint uns erhalten zu bleiben. Aber: Was ist schon ein Jahr Spriträtsel, wenn uns Max Mosley und sein Supercomputer dafür eine spannende Formel 1 ab 2008 basteln?