Wer auch den ansonsten noch so verschlossenen oder nuschelnden Gesprächspartner zu einer hitzigen Diskussion anregen möchte, der muss dieser Tage nur ein Thema anschneiden, welches die Formel 1 Welt schon seit Jahren beschäftigt sowie teilt: Das Qualifying-Format.

Angesichts der bevorstehenden Entscheidung über eine abermalige Änderung des Qualifying-Systems, zirkulierten auch am vergangenen Wochenende in Ungarn diverse Meinungen und Ideen im Paddock. Zwei davon tragen zwar nicht den offiziellen Segen der FIA, aber immerhin jenen der offiziellen F1-Website, auf welcher die folgenden beiden Vorschläge zur Wahl stehen:

1. Ein 60-minütiges Qualifying wird in zwei Sessions aufgeteilt, zwischen denen eine zehnminütige Pause liegt. Jeder Fahrer darf in jeder Session so viele Runden wie er möchte fahren, muss aber in jedem Teil eine Rundenzeit erzielen. Die besten Zeiten aus jeder Session würden für die entscheidende Zeit zusammenaddiert.

2. Erneut eine 60-minütige Session. Diesmal dürfen die Fahrer aber nur in den ersten 15 Minuten so viel fahren wie sie möchten. Danach scheiden die fünf langsamsten Autos aus. Alle anderen fahren weitere fünfzehn Minuten, bevor wieder fünf Autos ausscheiden. Danach würde es einen halbstündigen Shoot-Out der besten Zehn um die Top10-Startplätze geben - und zwar ohne Beschränkung bei der Rundenzahl oder der Spritmenge.

Die Meinung der Fahrer

Was halten also die Fahrer von diesen Vorschlägen? "Mir gefällt keiner von beiden", gibt sich Jacques Villeneuve offen wie eh und je. "Ich mag das Ein-Runden-Qualifying. Zwar nicht mit Rennsprit und nur einem Versuch, aber es bedeutet auch, dass man keinen Verkehr hat." Und jener Verkehr war in der guten alten Zeit vor dem Beginn der Qualifying-Odyssee das Kultwort schlechthin.

Für den Kanadier gibt es deshalb aus Angst vor dem Comeback der Standardentschuldigung nur eine Lösung: "Wir sollten ein Einrunden-Qualifying mit zwei Versuchen und ohne Rennsprit machen. Das wäre perfekt."

Eine Ansicht die Giancarlo Fisichella vollkommen teilt. "Das alte Format war schön, wegen der Spritmenge und aus einigen anderen Gründen, aber manchmal gab es gelbe oder rote Flaggen und viel Verkehr, die einem eine gute Runde kaputt gemacht haben."

Für Jenson Button ist das Ein-Runden-Qualifying zudem aus Fahrersicht "viel spannender". "Für die Zuschauer war das alte Format vielleicht spannender anzusehen, aber für die Fahrer war es frustrierend eine gute Runde hinzubekommen."

David Coulthard kann unterdessen mit dem Vorschlag eines Liquidations-Qualifyings (siehe Vorschlag 2) nichts anfangen. "Ich mag die Idee nicht", verriet der Schotte. "Mir gefällt aber die erste Idee. Allerdings ohne eine Addition." Der Verkehr stellt für den Red Bull Fahrer kein Problem dar: "Es ist eine der verlangten Fähigkeiten den Verkehr zu vermeiden. Man muss zusammenarbeiten und das erhöht die Spannung."

Die Festlegung der Startreihenfolge für das aktuelle Einzel-Qualifying ist derweil nicht nur für DC ein Graus: "Es ist zutiefst frustrierend, wenn man nach einem Ausfall auch noch das nächste Rennen abschreiben kann", schließt sich Coulthard der Meinung von Martin Whitmarsh an. Dessen Schützling Kimi Räikkönen bekam auf der schmutzigen Strecke in Ungarn gleich die zweite Bestrafung für seinen Motorschaden von Hockenheim.

Zu Spät für eine sinnvolle Änderung?

Darin das abermals eine Änderung her muss, scheinen sich also alle einig zu sein. "Das Ein-Runden-Qualifying wurde eingeführt, um mehr TV-Präsenz für die kleineren Teams zu gewährleisten. Aber es scheint keinen Beweis dafür zu geben, dass diese deshalb mehr Geld eingenommen hätten", begründete Williams-Marketingchef Jim Wright diese Ansicht. "Also haben wir uns da eine Regel ausgedacht, die keinen Effekt hat, wir sollten sie daher wieder abschaffen."

Allerdings befinden sich die Boliden für die kommende Saison bereits in der Designphase, weswegen jede Verzögerung entweder viel Geld für nachträgliche Designveränderungen oder viel Performance durch eine falsch angepasste Designphilosophie kostet. So beruft sich Ferrari auch heute noch darauf, dass man die Leistungsfähigkeit des F2003-GA im ersten Jahr des Ein-Runden-Qualifyings 2003 nicht ausschöpfen konnte, weil man den Wagen für ein anderes Qualifying-System konzipiert hatte.

B·A·R-Technikchef Geoff Willis hätte deshalb am liebsten schon "im letzten Monat" eine Klarstellung über das zukünftige Format gehabt. Laut Williams-Technikdirektor Sam Michael arbeiten die Teams deswegen momentan auf Grundlage ihrer Vermutungen und Annahmen wie das Qualifying 2006 aussehen wird. "Die meisten werden wohl ein Low-Fuel-Qualifying als Basis genommen haben", fügt er an.

Trotz aller guten Ideen schweben aber noch heute jene mahnenden und korrekten Worte von Paul Stoddart über der schier unendlichen Qualifying-Diskussion: "Wir dürfen das System nicht ständig ändern, da dies dem Ansehen des Sports schadet."

Eine Einstellung die Michael Schumacher teilt: "Eine Qualifying-Lösung, mit der alle happy sind, wird es nie geben. Unglücklicherweise haben Zuschauer, Teamchefs und Fahrer verschiedene Ansichten", beschreibt der Champion die aktuelle verfahrene Situation. "Das Schlimmste wäre, wenn wir wieder alles ändern - mehr will ich dazu nicht sagen."

Die lange Leidensgeschichte Qualifying

Die Formel 1 ist ein schnelllebiges Geschäft. In diesem Punkt stimmen alle Experten und Betrachter vollständig überein. Das beste Beispiel für diese These stellt das seit Jahren im ständigen Wandel befindliche Qualifying-Format dar.

Im Bestreben den Zuschauern mehr Fahraction über die komplette Qualifyingzeit hinweg sowie eine verbesserte Show zu bieten, führte Max Mosley Anfang 2003 ein neues Qualifikationsformat ein: Das Einzelrundenqualifying. Doch statt einem Patentrezept für spannende Qualifying-Minuten am Samstag, fand Mosley damit den Anfang einer schier unendlichen Geschichte...

2002 - Die gute alte Zeit. Früher war alles besser, heißt es im Volksmund immer wieder, wenn man mit den Veränderungen der Zeit nicht zufrieden ist. Entsprechend schnell vergisst man dabei auch, dass selbst anno 2002 im einstündigen Zwölfrunden-Qualifying nicht alles perfekt war. Schließlich beschwerten sich die auf den Tribünen und vor den Fernsehern gelangweilt wartenden Fans damals vehement über die rund 20 bis 30 Minuten leere Strecke, auf welcher bestenfalls die Minardi Piloten ihre ersten Runden drehten. Danach ging es allerdings Schlag auf Schlag: In den letzten Minuten der Qualifyingsession waren alle Top-Piloten gleichzeitig auf der Strecke und lieferten sie sich dabei ein Duell auf der letzten Reifenrille, welches selbst ein Hitchcock-Thriller nur schwer zu überbieten vermochte. Nicht umsonst waren die letzten Qualifyingsekunden damals beinahe spannender als ein gesamter Grand Prix.

2003 - Der Anfang vom Ende. Im Jahr 2003 sollte aber alles anders werden. Max Mosley drückte ein großes Regeländerungspaket durch und verärgerte damit nicht nur - erstmalig - die Teams. Auch jene Zuschauer, die Unsummen für ein Ticket ausgegeben hatten, um dann am Sonntagmorgen in der prallen Sonne oder im strömenden Regen zu sitzen und auf eine verwaiste Strecke zu starren, waren vom neuen doppelten Einzelqualifyingformat alles andere als euphorisiert. Zwar erlebten sie am Freitag im ersten Einzelrundenqualifying den wahren Speed der Boliden, da diese hier von den Piloten mit 'leeren Tanks' auf nur einer Runde um den Kurs gelenkt wurden. Doch verwirrte das mit Rennspritmenge gefahrene 2. Qualifying am Samstag durch von der Strategie verwässerte Startaufstellungen.

2004 - Der Langeweile-Horror. Als Reaktion auf die vielen kritischen Töne, ließen sich die Verantwortlichen für das Folgejahr wieder etwas Neues einfallen: Die erste Qualifyingsession wurde vom Freitag, der dadurch zum reinen Trainingstag abgewertet wurde, auf den Samstag verschoben und gleichzeitig im Doppelpack mit dem 2. Qualifying betrieben. Bei den ersten Rennen bedeutete dies eine beinahe zwei Stunden lange, nur von einer zweiminütigen Pause unterbrochene, Marathonsitzung, welche nur die Wenigsten von den Stühlen riss - und dies auch nur, weil sie eingeschlafen heruntergefallen waren. Aus diesem Grund wurde die Pause zwischen den zwei Sessions auf eine gute Viertelstunde erweitert und ein komplett neues System für Silverstone angekündigt. Aber anstelle des rettenden neuen Additionsformats, kam es in Silverstone zum Eklat: Ein falscher Wetterbericht sagte für die zweite Session Regen voraus und sorgte dafür, dass sich die Piloten im 1. Qualifying im langsam fahren übten, da jeder in der zweiten Sitzung als Erster raus fahren wollte. Der Höhepunkt der Farce waren ein absichtlicher Abflug von Michael Schumacher sowie der ausbleibende Regen, welcher die Hollywood-reife Vorstellung endgültig zur Farce machte.

2005 - Den Rechenschieber immer Griffbereit. Für die laufende Saison wurde das Qualifyingformat deshalb erneut geändert. Nun nahm man sich endlich der Leiden der Fans vor Ort an und schob das 2. Qualifying auf den Sonntagmorgen. Doch des einen Freud, ist bekanntlich des anderen Leid, weshalb sich die Fernsehanstalten über die frühe Austragungszeit und die Printmedien über die fehlende Qualifyingberichterstattung beschwerten. Zudem verwirrte das Additionssystem der beiden Sessions von Samstag und Sonntag nicht gerade wenige der unregelmäßigen und auch ein paar der regelmäßigen Zuschauer. Aus diesem Grund wurde wieder einmal während der Saison nachge'bessert': Man kehrte zu nur einer Qualifying-Session am Samstag zurück. Der Sonntagmorgen ist seither wieder verwaist und das Low-Fuel-Qualifying gehört erneut der Vergangenheit an. Wir sind quasi wieder am Anfang des Leidenswegs angelangt. Doch die Hoffnungen für ein spannendes und interessantes Qualifikationsformat im Jahr 2006 stirbt bekanntlich zuletzt...