Bei der FIA-Pressekonferenz am Freitag sitzen gewöhnlich die Entscheidungsträger der Formel 1-Teams. Heute waren das Renault-Technikchef Pat Symonds, McLaren-Konstrukteur Adrian Newey, Toyota-Designer Mike Gascoyne, Williams-Technikdirektor Sam Michael und Ferrari-Chefstratege Ross Brawn.

Techniker sprechen gerne über Technik. Formel 1-Techniker sprechen gerne über ihre Boliden - Pat Symonds leidenschaftlich: "Ich denke, jeder Wagen hat seine Individualität. Er hat einen eigenen Charakter - man könnte das als die DNA des Autos bezeichnen." Es geht darum, ob der Renault nicht so gut mit dem Silverstone-Circuit harmoniert. Symonds sieht dort zumindest "mehr Probleme als an den meisten anderen Plätzen".

Mit Pat Symonds, Mike Gascoyne und Adrian Newey sitzen jene Designer an einem Tisch, die in diesem Jahr einen ausgezeichneten Boliden auf die Räder gestellt haben. Gascoyne erklärt, der Knick in der Tabelle - Toyota war am Beginn des Jahres weitaus erfolgreicher - liege nicht daran, dass der Wagen stagniere. Es handle sich um Fehler der Crew - diese sei noch jung und müsse sich erst an die "dünne Luft an der Spitze gewöhnen". Der Brite glaubt aber an weitere Podiumsplätze, prinzipiell bei allen noch ausstehenden Rennen.

Adrian Newey glaubt nicht daran, dass ein drittes Auto stets ein großer Vorteil sein muss: "Hier in Silverstone haben wir unlängst getestet, konnten also die dabei gewonnenen Daten verwenden. Hier war der dritte Wagen also nicht so hilfreich, wie das auf anderen Strecken natürlich sehr wohl der Fall sein kann. Vor allem wenn die Einsatzfahrer ihre Autos schonen müssen."

Sam Michael ist weniger glücklich. Sein Williams stagniert. Das Problem: "Wir hatten vor Magny Cours einen großen Upgrade am Auto. Bei den limitierten Testmöglichkeiten bei solch engem Kalender ist das natürlich eine riskante Strategie." Einige Teile wurden schlicht zu wenig getestet, die Rechnung ging nicht auf. Aber man habe heute bereits weitere Erkenntnisse erlangen können, die Ursachenforschung läuft demnach auf Hochtouren. Aber auch Michael kann "jetzt noch nicht sagen, ob wir vor dem Ende dieses Wochenendes noch dem Problem auf den Grund gehen können".

"Ross, die Leute fragen sich, warum Ferrari in diesem Jahr plötzlich nicht mehr so konkurrenzfähig ist?", lautet die in den Raum gestellte Frage. Brawn antwortet knapp und präzise: "Weil die anderen Autos schneller sind. Das ist alles!" Man habe die Regeländerungen "nicht schnell genug interpretiert". Doch man werde natürlich "alles probieren" - die Chancen würden nicht schlecht stehen, dass man am Ende doch noch "reasonably competitive" sein könnte.

Regeländerungswut und vernichtende Publikumsmeinung

Die Konferenz kippt thematisch weg vom eigenen Tellerrand, hin zum Sport. Hin zu den Lebenserhaltern dieses Sports, dem Publikum. Das durfte auf der FIA-Website seine Meinung äußern - die Zahlen sind vernichtend. 70 Prozent wollen das alte Mehrrunden-Qualifying, wie es vor 2003 praktiziert wurde. Es kommen ausführliche Plädoyers der Entscheidungsträger Ross Brawn, Sam Michael und Adrian Newey für das alte System - 12 Runden, Low Fuel, "vielleicht zwei Satz Reifen", sagt Sam Michael. Die Techniker erklären einhellig, dass man eben sehen möchte, wie die Piloten mit ihren superleichten Boliden ans Limit gehen und eine Chaosrunde in den Asphalt zaubern. Man wolle das Kräfteverhältnis, pur und unverzerrt.

Auch Adrian Newey möchte das alte Mehrrunden-Quali., Foto: Sutton
Auch Adrian Newey möchte das alte Mehrrunden-Quali., Foto: Sutton

Den Technikern ist es aber auch ein Anliegen, daran zu erinnern, dass die diesjährigen Autos für das aktuelle Quali-System konzipiert wurden. Und dass man möglichst bald eine Entscheidung für 2006 treffen sollte, weil die Dimensionierung der Tanks davon abhängt, die Boliden für 2006 wollen bereits gezeichnet werden. Newey erinnert daran, dass "man das Einzelrundensystem genommen hat, weil es auch für die kleinen Teams eine ordentliche Präsenz im TV garantiert hat - diese Dinge sollte man bei einer Rückkehr zu dem alten System bedenken". Zu diesen Dingen gehört auch, dass damals in den ersten 20 Minuten die Strecke wie leergefegt war, weil niemand als "Staubsauger" für die Konkurrenz dienen wollte - auch dafür müsse man sich bei einem Comeback des alten Systems etwas einfallen lassen, sagt Pat Symonds. "Viele Leute in der Formel 1 scheinen ein Kurzzeitgedächtnis zu haben", sagt er. Mike Gascoyne über das große Dilemma, in dem die aktuelle Formel 1 steckt: "Das alles hätten wir schon vor sechs Monaten besprechen sollen. Es scheint, als ob diese Dinge immer zu spät erkannt werden." Die Techniker werden von Regeländerungen durch ihre Konstruktionsräume geschubst. Noch nie zuvor hat die Formel 1 eine derartige Regeländerungswut erlebt. Und vieles wurde anstatt besser schlechter - die FIA-Umfrage liefert dramatische Beweise dafür.

Die Regelvorschläge für 2008. Sie kamen von der FIA. Doch nur Ferrari hat das neue Concorde-Abkommen unterschrieben. Die anderen Teams warten ab. Ross Brawn sagt, dass es wenig Sinn machen würde, wenn nur die FIA und Ferrari die Regeln für 2008 erarbeiten würden, dass sich also die Teams beteiligen sollen. Zudem brauche man "24 bis 26 Autos". Sam Michael findet auch, dass alle Teams an dieser Diskussion teilnehmen sollten, er warnt zugleich vor zu schnellen Entscheidungen, man solle sich Zeit lassen. Und: "Manche der Vorschläge finde ich sehr gut - beispielsweise die Rückkehr zu den Slicks, breitere Autos, 50 Kilo weniger Gewichtslimit. Andere wiederum sind noch zu besprechen. Und manche lehne ich persönlich ab - zum Beispiel den aerodynamischen Abtrieb, der nur noch zehn Prozent der aktuellen Downforce betragen soll. Oder das Standard-Getriebe."

Das Geflügelwerk soll drastisch reduziert werden..., Foto: Sutton
Das Geflügelwerk soll drastisch reduziert werden..., Foto: Sutton

Adrian Newey warnt vor der Spaltung: "Es gibt auch die WGPC, mit den Herstellerteams, die in eine andere Richtung steuern als die FIA und Ferrari. So lange wir da nicht zusammenkommen, wird das ein Problem darstellen. Ich hoffe, dass man sich hier einig wird - denn ich kann mir keine zwei getrennten Serien vorstellen."

94 Prozent der Befragten gaben bei der FIA-Umfrage an, dass sie mehr Überholmanöver sehen möchten. Die Techniker versichern, dass sie das auch möchten, aber: "Wenn wir es so genau wüssten, wie wir das bewerkstelligen könnten, hätten wir es längst schon getan." Für Pat Symonds sind es unterschiedliche Performance-Stärken der Teams, und vor allem eine während des Rennens wechselhafte Performance des Einzelnen. "Künstlich erzeugt, oder auch nicht. Es können Turbomotoren mit einem Boost-Button sein, es können verschiedene Reifencharakteristika sein und natürlich auch Boxenstoppstrategien..."

Mike Gascoyne betont, dass sowohl in den Vorschlägen der Teams als auch in jenen der FIA eine Verringerung der aerodynamischen Abtriebskraft vorgesehen ist. "Eine Änderung des Verhältnisses zwischen mechanischem und aerodynamischem Grip. Und das Streckendesign kann auch eine Rolle spielen." Für Newey ist das Streckenlayout sogar maßgeblich dafür, ob überholt wird oder nicht. Für Sam Michael kommen auch die verschiedenen Strategien hinzu, die zu einem Überholvorgang führen. Ross Brawn sagt: "Man sieht, dass das Format der Autos und das Format der meisten Strecken nicht überholfreundlich sind. Eine Veränderung des Verhältnisses zwischen mechanischem und aerodynamischem Abtrieb erscheint mir sehr logisch." Sein Fazit: "Wir haben mit den Rillenreifen wahrscheinlich den falschen Weg gewählt."