14 Jahre dauert sie bereits, die Regentschaft von FIA-Präsident Max Mosley. Viel ist in dieser Zeit passiert. Was man Mosley wirklich zugute halten muss, ist eine immense Verbesserung der Sicherheit. Was man dem 65jährigen Briten ankreiden kann, sind diese unzähligen und höchst komplizierten Regelreformen. Und ein Polit-Hickhack, welches seinesgleichen sucht und immer mehr den Sport in den Schatten stellt, ja ihn sogar zu zerstören droht. Heute mehr denn je. Am Mittwoch droht der nächste Eklat. Sollten die Michelin-Teams drakonisch bestraft werden, droht für den am kommenden Wochenende geplanten Frankreich-GP ein Boykott der sieben Teams. Wie er diese Zeit aus seiner Perspektive erlebt, schilderte Max Mosley dem Guardian in einem Interview.

Jenen Sonntag, an dem der Grand Prix der USA zum lächerlichen Mini Prix verkam, hatte Max Mosley bereits "komplett vorgeplant", wie er sagt. "Ich war in Monaco und hatte zwei wirklich gute Bücher zur Hand. Eines davon heißt 'The Wisdom Of Crowds' - das fand ich besonders faszinierend. Es brachte mich auf den Gedanken: Wenn all diese Tausende von Menschen immer wieder sagen, ich sei ein Wichser - dann haben sie ja vielleicht tatsächlich Recht? Also plante ich ein schönes langes Mittagessen und einen Lese-Nachmittag, bevor ich mir dann das Rennen im Fernsehen ansehen wollte. Aber stattdessen gab es all diesen Ärger für mich."

Max Mosley verrät: "Ich liebe ein ruhiges Leben, so sehr wie jeder andere. Aber ich werde böse, wenn man mich herumstößt. Es ist nicht meine Art, so etwas zu akzeptieren. In einer Situation wie im Falle Indianapolis trete ich nicht zur Seite."

Manche wollen in dem Verhalten des Präsidenten eine zerstörerische Sturheit erkennen - Paul Stoddart beispielsweise fordert daher den Rücktritt von Max Mosley. Mosley sagt nur: "Stoddart ist ein schlimmer Fall. Ich habe ihm geholfen, als die anderen Teams versucht haben, sein Geld zu stehlen. Aber meine Reaktion auf sein derzeitiges Verhalten ist nur, dass er offensichtlich vergessen hat, seine Medizin einzunehmen."

Die Lösung mit der Schikane - alle Teams außer Ferrari, Bernie Ecclestone und Streckeneigner Tony George sahen in ihr einen machbaren Kompromiss, um den Fans ein Rennen zu liefern - wischt Mosley immer noch verärgert zur Seite: "Die Teams benahmen sich wie kopflose Hühner. Dass Bernie diesen Kompromiss gerne eingegangen wäre, kann ich mir gut vorstellen, denn sein Job ist es, maximalen Profit einzufahren. Mein Job aber ist es, einen Sport abzuhalten, absolut fair für jedermann und ohne jemanden einem Risiko auszusetzen. Bernie hat verstanden, dass es für mich unmöglich war, nachzugeben."

Stoddart ist ein schlimmer Fall, sagt Mosley., Foto: Sutton
Stoddart ist ein schlimmer Fall, sagt Mosley., Foto: Sutton

Mosley wiederholt seine Ansicht, dass die Schikane einerseits unfair gegenüber den Bridgestone-Teams gewesen wäre und andererseits im Falle eines Unfalls auf einer veränderten Strecke man Rechtsansprüche befürchten musste, weil man dann die eigenen Regeln nicht eingehalten hätte.

Als Mosley dann also neben seinen Büchern vor dem Fernseher saß, hoffte er, dass "jemand mit der Möglichkeit, die Boxengasse anstatt der Steilwandkurve zu durchfahren, teilnehmen wird". Doch bekanntlich fuhren alle 14 Michelin-Autos in die Box, um aufzugeben - Mosley: "Es war verrückt. Ich war extrem irritiert, denn ich nahm an, dass das Reifenproblem nicht so ernst war, wie es präsentiert wurde. Ich hatte das Gefühl, dass diese Situation gekünstelt war und absichtlich herbeigeführt wurde." Zyniker könnten jetzt sagen: Natürlich - das alles ist nur inszeniert worden! Damit Max Mosley nicht in Ruhe seine Bücher lesen kann...

Doch in dem Gespräch hat sich der Brite längst der Zukunft zugewandt. Die Abhaltung eines USA-GP in Indianapolis im Jahr 2006 werde mit jedem Tag gefährdet, an dem eine Entschädigung für die Zuschauer verzögert werde. Diese Entschädigung soll von Michelin, den Michelin-Teams und - "auch wenn sie nicht Schuld sind" - den Veranstaltern in Indy kommen. Michelin und die Teams sollen zahlen, die Veranstalter das Geld verteilen.

Mosley kann ein oder zwei Sperren nicht ausschließen

Schon am Mittwoch aber werden Entscheidungen fallen, welche die unmittelbare Zukunft der "Königsklasse" beeinflussen werden. Mosley sagt in Hinblick auf die Anhörung: "Ich kann ein oder zwei Sperren nicht ausschließen. Wenn sich herausstellen sollte, dass ein oder zwei Teams wirklich eine Schuld tragen, werden Sperren ausgesprochen. Aber es gibt auch verschiedene andere Möglichkeiten. Punkte, die abgezogen werden. Eine Geldstrafe. Oder eine Rüge. Ich habe keine Ahnung, was passieren wird. Man wird es erst nach der Anhörung der Teams wissen."

Beruhigend ist, dass Max Mosley diese Entscheidungen nicht alleine treffen wird: "Selbst wenn ich Sperren aussprechen möchte, werden es die anderen zwanzig Mitglieder wahrscheinlich nicht wollen." Zu der Äußerung von Patrick Head, Mosley würde die Teamchefs "verabscheuen", sagt Mosley: "Das ist komplett verrückt..."

Die andere Seite ist schuld, sagt Mosley., Foto: Sutton
Die andere Seite ist schuld, sagt Mosley., Foto: Sutton

Er, Mosley, würde das alles "nicht persönlich nehmen". Und: "Es geht ja nur um Animositäten darüber, wer den Sport führen soll. Ich sage, es ist die FIA. Sie sagen, die Teams sollten es tun. Wenn ich einer von ihnen wäre, würde ich auch so denken. Aber die Sportbehörde wird immer gewinnen. Daher mache ich mir keine Sorgen, ob sie eine feindliche Linie einnehmen werden. Was werden sie tun? Wenn sie streiken sollten, schneiden sie sich ins eigene Fleisch. Das wird nicht passieren."

Auch eine eigene Meisterschaft der Hersteller wischt Mosley vom Tisch wie ein Brotkrümmel, das vom schönen langen Mittagessen übrig geblieben ist: "Nur jemand, der das System nicht versteht, glaubt an so etwas. Und das sind ja nur zwei oder drei Teamchefs. Der Rest versteht, dass die Sportbehörde die Kontrolle über den Sport haben muss. Natürlich muss nicht ich persönlich an der Spitze stehen. Und wenn sie einfach ruhig geblieben wären, wäre ich längst schon weg."

Wir tun unser Äußerstes, um das geregelt zu bekommen

Dann beginnt Mosley über seinen Job zu klagen - er müsse da in Monaco im Büro herumsitzen und anderer Leute Probleme lösen. Dabei gäbe es schönere Dinge wie "auf dem Strand sein oder ein nettes Mittagessen zu sich zu nehmen". Wenn alles in Ordnung wäre, würde er es sich ernsthaft überlegen, aufzuhören. Aber: "Wenn man angegriffen wird, kann man ein solches Durcheinander nicht einfach stehen lassen, selbst wenn man es nicht ausgelöst hat. Die Leute glauben vielleicht, das hier ist wie der Balkankrieg, Nordirland oder Palästina. Wo jede Seite glaubt, im Recht zu sein. Aber das ist nicht so. Das hier ist Sport und nicht Politik. Und im Sport müssen die Regeln befolgt werden."

Als ihn der Interviewer fragt, ob er tatsächlich glaube, wirklich in keiner Weise an dem "Durcheinander" beteiligt oder mitschuldig zu sein, beginnt Mosley zu lachen: "Wenn Sie die Frage so stellen und ich sage, es ist alles von der anderen Seite ausgelöst worden, lässt mich das unseriös aussehen, aber..." Mosley bleibt so lange still, bis der Fragesteller einspringt: "Es ist alles die Schuld der anderen?" Mosley antwortet: "Ja. Ich kann nichts anderes denken."

Am Ende bittet der Fragesteller den Herrn Präsidenten um eine Botschaft an all jene, die besorgt ob der Zukunft der Formel 1 sind. Mosley setzt an zu seiner Botschaft, der Fragesteller beschreibt den Sound seiner Stimme als "fast schon komisch in ihrer aufgesetzten Ernsthaftigkeit" - Mosley dröhnt: "Sorry für all das, aber wir tun unser Äußerstes, um das geregelt zu bekommen. Ehrlich."