Vier Tage nach dem umstrittenen Unfall von Kimi Räikkönen beim Europa-GP hat FIA-Präsident Max Mosley reagiert - wie so oft - mit einem Brief. Adressiert an die Formel 1-Teams und an die beiden Reifenhersteller.

In dem Schreiben heißt es: "Wir wollen weder die Hysterie in punkto Reifen verstärken noch in irgendeiner Weise Kritik an McLaren-Mercedes üben. Die meisten von uns hätten am letzten Sonntag an ihrer Stelle vermutlich genauso gehandelt. Wie auch immer - wir finden einfach, dass nun der richtige Moment gekommen ist, alle Beteiligten an ihre Verantwortlichkeiten zu erinnern."

Diese Verantwortlichkeiten stehen im Brennpunkt der Diskussionen. Das Rad, welches im Falle Räikkönen von dem vorgeschriebenen Drahtseil gesichert wurde, hätte im Falle eines Risses zu einer tödlichen Gefahr für den Finnen werden können. Für Max Mosley geht es dabei aber auch um die Sicherheit des Publikums: "Man sollte nicht vergessen, dass ein mechanischer Defekt bei Höchstgeschwindigkeit auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Zuschauer darstellt."

Denn für Mosley liegt es auf der Hand, wer für die Sicherheit der Rennfahrzeuge verantwortlich ist: "Die in der Formel 1 eingesetzten Regeln haben es immer dem Team überlassen, wie weit sie beim Balancieren zwischen Performance und mechanischer Integrität gehen wollen." Und wenn diese mechanische Integrität aufgrund eines mechanischen Defekts beeinflusst werde, müsse das Team entscheiden, ob man weiterfahren, einen Boxenstopp einlegen oder aufgeben wolle, sagt Mosley.

Und er fügt hinzu: "Sicher hat der Renndirektor die Möglichkeit, die schwarz-orange Flagge einzusetzen - er tut dies jedoch nur in extremen Situationen. Das Team ist immer in einer besseren Position, das Risiko einzuschätzen." Die erwähnte schwarze Flagge mit einem orangefarbenen Kreis in der Mitte zeigt dem Fahrer, dass sein Fahrzeug ein mechanisches Problem aufweist und er unverzüglich an die Box zu fahren hat.

In seinem Schreiben appelliert Max Mosley an die Vernunft und Eigenverantwortlichkeit der Teams: "Wenn Sie auch nur die geringsten Zweifel über die Sicherheit Ihres Fahrzeugs haben, sollten Sie es immer an die Box holen. Und wenn diese Zweifel auch nach dem Boxenstopp bestehen, sollten Sie das Rennen aufgeben."

Diese Sätze erinnern an eine Aussage von Max Mosley, die er in Sachen Motoren-Regelschlupfloch getätigt hatte. Damals meinte der Präsident, die Teams würden es nicht ausnützen, dass sie im Falle eines Rennausfalls ungestraft beim nächsten Rennen einen neuen Motor einbauen dürfen. Damals strafte ihn British American Racing Lügen...

Jetzt - wo die nächste Grauzone des Regelwerks (ab wann ist ein Reifen ausreichend beschädigt?) im Brennpunkt steht, lenkt Mosley wieder von diesen Unklarheiten im Reglement ab (sie werden in dem Schreiben mit keinem Wort erwähnt) und er schiebt alle Verantwortung zu den Teams und zu den Reifenherstellern. Jene Teams, die das gesamte Wochenende nur eines wollen, nämlich den Sieg, sollen vernünftig sein und ihr Auto aus dem Rennen nehmen - das klingt ziemlich naiv. Mosley sagt ja selbst, dass auch er am letzten Sonntag auf Sieg gesetzt hätte. Ein F1-Pilot und auch ein F1-Entscheidungsträger wird immer alles riskieren - genau deshalb wäre ein klares Regelwerk hilfreich. Es ist die FIA, die stets im Zeichen der Sicherheit agiert. Sie ist als Sporthoheit auch für die Sicherheit verantwortlich...

Anstatt für Klarheit im Regelwerk zu sorgen, appelliert Max Mosley an die Reifenhersteller: "Die Formel 1 ist total abhängig von den Reifenherstellern, die dafür sorgen müssen, dass bei der Jagd nach optimaler Performance keine Risiko entsteht." Die FIA verfüge nicht über die technischen Ressourcen und das Knowhow, um strukturelle Integrität, Abnützung und Stärke eines Reifens abschätzen zu können, sagt Mosley. Daher schreibt er den Reifenherstellern ins Stammbuch: "Wir sind zuversichtlich, dass wir uns auf euch verlassen können und dass es in dieser Saison keine weiteren Reifenschäden mehr geben wird."

Sarkasten würden jetzt schreiben: Nach diesem wichtigen Brief des FIA-Präsidenten sollten alle Diskussionen rund um dieses Thema erledigt sein. Die Teams werden künftig beim geringsten Anlass zur Sorge ihre Autos an die Box holen. Und die Gummigiganten werden ab jetzt die Performance hintanstellen und vor allem dafür sorgen, dass keine Reifenschäden mehr entstehen. Wieder einmal hat Max Mosley die Formel 1 gerettet.