"Eier, wir brauchen Eier", forderte einst schon ein gewisser Titan. Die Kronjuwelen spielen auch im Jahr 2017 eine große Rolle. Wer dieser Tage ein Formel-1-Auto erfolgreich bewegen möchte, sollte untenrum gut ausgestattet sein.

Das meinte zumindest Alex Wurz. "Überholen in diesem Jahr hängt davon ab, ob man Eier in der Hose hat", twitterte der frühere Formel-1-Pilot fröhlich heraus. Und weiter: "Ich brauche keine 135 Überholmanöver, die einfach sind. Ich liebe die wahren Mega-Manöver wie sie Max und Seb gezeigt haben!"

Zwei Helden in Shanghai

Gemeint waren natürlich die Heldentaten von Max Verstappen und Sebastian Vettel beim Großen Preis von China am vergangenen Wochenende. Eine Wohltat nach dem eher trägen Saisonauftakt in Australien mit gerade einmal fünf Überholmanövern. Jetzt in Shanghai waren es mehr als 50, darunter welche mit Klassiker-Potenzial a la Vettel gegen Daniel Ricciardo.

Das Überhol-Thema schwang wie ein Damokles-Schwert über der neuen Saison. Vor allem nach Melbourne herrschte latente Angst vor langweiligen Prozessionen auf Reifen, die die komplette Distanz halten. Der Fakt, dass der Albert Park noch nie ein Überhol-Mekka gewesen war, wurde dabei gern einmal übersehen.

Die Tops & Flops des China GP (00:53 Min.)

So kann es weitergehen

Mit China folgte das absolute Kontrastprogramm. Beim Rennen im vergangenen Jahr gab es schier unglaubliche 182 Positionswechsel, damit einhergehend die große Boxenstopp-Verwirrung. In der Formel 1 wurde prompt die Sinnfrage gestellt: Was gilt als Überholmanöver, und: Wie viele sollten es pro Rennen denn bitteschön sein?

Nun nach dem Rennen auf dem Shanghai International Circuit herrscht Einigkeit: So darf es gern weitergehen. Vettel, Verstappen und Co. zeigten echte Überholmanöver, also ohne Reifen-Spielchen oder den Einsatz von DRS. Vor allem in Kurve 6 ging es rund: Da wurde innen überholt, gern auch mal über die Außenbahn. Ein Fest für die Fans, die TV-Kommentatoren flippten aus.

Die Zahlen & Fakten des China GP (00:50 Min.)

Nicht nur vorbeifliegen

"Überholen ist schwierig, aber das sollte auch so sein - und nicht nur einfach vorbeifliegen", sagte Vettel nach seinem Duell mit Ex-Teamkollege Ricciardo, bei dem sich sogar die Räder beider Autos berührten. "Das hat Spaß gemacht. Erst hatte ich Sorge, dass da ein Schaden entstanden sein könnte. Aber beide Autos waren in Ordnung. So war es einfach Rad-an-Rad-Racing wie es sein sollte."

Die Autos der Generation 2017 verfügen über wesentlich mehr Downforce als ihre Vorgänger. Das lässt schnellere Kurvengeschwindigkeiten zu, macht das Überholen anderer Autos allerdings noch schwieriger. Wegen des Dirty Air-Phänomens ist es nur bedingt möglich, dem Vordermann zu folgen, ohne seine Reifen zu lädieren. "Es ist nie einfach, diesen Autos zu folgen", sagte Fernando Alonso. "Da muss man beim Überholen etwas Risiko eingehen."

Nach dem Wahnsinns-Rennen erst mal ein Schluck aus dem Pokal, Foto: Red Bull
Nach dem Wahnsinns-Rennen erst mal ein Schluck aus dem Pokal, Foto: Red Bull

Drei, zwei, eins, Max!

Risiko? Das Stichwort für Max Verstappen. Das oftmals unbekümmert erscheinende Wunderkind schnappte sich in China nicht nur einen Podestplatz, sondern auch noch die offizielle Auszeichnung zum Fahrer des Tages. "Wenn man an der Spitze fährt, kann man halt nicht so oft überholen", wusste Rennsieger Lewis Hamilton den Grund, warum nicht er selbst als Star des Rennens gewählt wurde.

Stattdessen Verstappen, dieser Teufelskerl. Dass das Überholen mit den Downforce lastigen Autos schwer sein soll, hatte ihm offenbar niemand gesagt. In der ersten Runde stürmte der Red-Bull-Pilot vom 16. auf den 7. Platz nach vorne. Verstappen überholte innen, außen, überall. "Weil er gut vorbereitet war und wusste, wo sich die trockeneren Stellen befinden", analysierte Sky-Experte Paul Di Resta den Husarenritt, der auf dem Podium enden sollte. Gegen die langsameren Autos hätte sich Verstappen wohl ohnehin durchgesetzt, doch Kaliber wie Felipe Massa hätten bei trockenen Bedingungen vermutlich eine größere Herausforderung dargestellt.

Fernando AlonZoo: Ich pushe wie ein Tier (01:03 Min.)

Trockene Schlange

Halfen die Mischbedingungen dabei, dass der China Grand Prix zum Überholspektakel werden konnte? Das glaubte zumindest Lewis Hamilton. "Die Jungs hinter mir fuhren eine ganze Weile in einer Schlange", sagte er mit Blick auf die Red Bulls und Ferraris. "Wenn es trocken gewesen wäre, wäre das auch so geblieben. Aber wenn es feuchte Stellen gibt, hast du viel mehr Möglichkeiten, auf unterschiedlichen Linien zu überholen."

Oder auch abzufliegen. Im Zuge der Verstappen-Show ging der Bombenstart von Fernando Alonso fast unter. Der ewig tapfere Spanier musste im Gegensatz zu Verstappen mit wesentlich schwächerem Material kämpfen, machte aber ebenfalls zahlreiche Positionen beim Start gut. "Es war ein großer Spaß, die Leute links und rechts von der Strecke rutschen zu sehen. So konnten wir kostenlos überholen."

Nutze deine Chance

Also dürfte das unstete Wetter am Sonntag in Shanghai zumindest einen Teil dazu beigetragen haben, die Anzahl der Überholmanöver zu fördern. Die fahrerische Klasse der Art und Weise, wie teilweise überholt wurde, bleibt unbestritten. Vettel gegen Ricciardo außen in Kurve 6, Verstappen gegen Räikkönen außen in Kurve 7 - das waren echte Leckerbissen.

"Das waren alles aggressive Nutze-deine-Chance-Überholmanöver", meinte Red Bulls Teamchef Christian Horner. "So sollte es sein und hoffentlich hat es den Zuschauern gefallen." Was Horner auch auffiel: Das geschenkte Überholen mittels DRS-Flügel war nur selten zu sehen, trotz ewig langer Gerade: "DRS hat die Arbeit vollrichtet wie ursprünglich geplant: Du kannst ranfahren, aber der Fahrer muss den Job noch immer selber erledigen."