Das berühmte Einstiegsthema - das Wetter. Der Fragesteller bei der heutigen FIA-Pressekonferenz erkundigt sich als erstes bei den geladenen Entscheidungsträgern Jean Todt (Ferrari-Teamchef), Norbert Haug (Mercedes-Rennleiter) und Mario Theissen (BMW-Motorsportdirektor), ob sie mit einer derartigen Hitze an diesem Grand Prix-Wochenende auf dem Nürburgring gerechnet haben. Das Fazit: Sie haben es nicht. Und so ist der Weg frei für das nächste Thema...

Neues altes Qualifying

Das neue alte Qualifying. Für die Zuschauer vor Ort hat man das Sonntags-Quali eingeführt, für die Werbekunden respektive TV-Stationen hat man es nun wieder abgeschafft. Geopfert wurde die einzige Session, in der die Boliden mit Low Fuel angetreten sind. Geopfert wurde also der einzige Einblick auf das aktuelle Kräfteverhältnis. Weshalb die Medien wieder von wenig bis gar nicht verifizierbaren Quali-Runden berichten dürfen. Norbert Haug ist mit dem neuesten Quali-Modus nicht wirklich zufrieden und meint, man sollte "noch einmal darüber nachdenken, in Hinblick auf das nächste Jahr".

Für Haug stellt der aktuelle Einzelrunden-Modus eine Gefahr dar. Dann nämlich, wenn "eine Weltmeisterschaft entschieden wird" und "ein Konkurrent seine Quali-Runde im Trockenen und ein anderer im Nassen fahren" muss. Für Haug und Theissen stellt der wieder zurück geänderte Modus keine große Änderung respektive keinen Vor- oder Nachteil dar - außer, dass man wieder neue Rennstrategien sehen könnte. Jean Todt klärt auf: "Ich sagte nicht, dass der neue Modus ein Vorteil für Ferrari sei - ich sagte lediglich, dass er kein Nachteil für uns ist."

Wetterkapriolen entscheiden Startplatz beim WM-Finale - die Horrorvision von Norbert Haug., Foto: Sutton
Wetterkapriolen entscheiden Startplatz beim WM-Finale - die Horrorvision von Norbert Haug., Foto: Sutton

Der Franzose wird gebeten, das "aktuelle Problem" der Scuderia zu beschreiben. Und obwohl in der klinischen PR-Sprache das Wort "Problem" tunlichst vermieden und durch das Wort "Herausforderung" ersetzt wird, sagt Todt ehrlich und gerade heraus: "Wir haben ein Problem mit dem Qualifying. Wir konnten unseren Standard in punkto Standfestigkeit nicht halten. Und wir hatten einige Probleme mit der neuen Reifenregel, die wir wohl nicht so gut interpretiert haben wie unsere Gegner. Und noch einmal: Wir sind in der ersten Runde zu langsam. Im Rennen sind wir dann schneller, oft sogar schneller als der Rest. Aber wenn man von hinten startet, beeinträchtigt dies auch das Rennen."

Todt: Unsere Fahrer sprechen immerhin miteinander!

Ein Thema nach dem anderen wird abgearbeitet - das "Fahrerproblem" bei Ferrari ist als nächstes dran. Rubens Barrichello, der von Michael Schumacher in der letzten Monaco-Runde überholt wurde, sagte, dass er Michael jetzt nicht mehr als seinen Teamkollegen sehen würde, sondern ihn wie jeden anderen Gegner überholen würde. Todt sieht kein Problem: "Ich verstehe, dass so etwas Schlagzeilen zur Folge hat. Aber für mich ist das kein Problem." Es sei eine "sehr winzige Auseinandersetzung", die lediglich die Medien "happy" machen würde.

Dann holt Todt dennoch aus: Man spreche so, als ob Rubens immer für Michael Platz hätte machen müssen, in Wahrheit habe man nur zweimal in sechs Jahren Rubens um diesen Gefallen gebeten. Und: "Ja, ich kann Rubens verstehen, er war enttäuscht. Und ich kann auch Michael verstehen, der einfach ein vor ihm liegendes Auto überholen wollte." Er, Todt, würde jedenfalls versuchen, die Lage zu beruhigen und sicherzustellen, dass "die beiden miteinander reden". Und: "Es gibt keine Auseinandersetzung im Team. Sie sprechen miteinander. Michael hat Rubens an dessen Geburtstag angerufen. Sie haben die gleichen Ziele, das gleiche Auto und die gleiche Unterstützung..."

Und dann sagt Todt: "Ich habe in diesem Geschäft bereits Teamkollegen gesehen, die nicht miteinander sprechen. Unsere Fahrer aber sprechen immerhin miteinander. Sie tauschen Ihre Meinungen aus, auch über private Dinge, über das Geschäftsleben - ich würde sagen, dass es nach diesen sechs gemeinsamen Jahren nicht allzu schlimm werden sollte." Da möchte man es noch einmal genau wissen: "Ihrer Meinung nach wird also der aktuelle Disput zwischen Michael Schumacher und Rubens Barrichello die Arbeit des Ferrari-Teams nicht beeinträchtigen?" Todt: "Nein, überhaupt nicht."

Jean Todt stimmt das Bridgestone-Loblied an..., Foto: Sutton
Jean Todt stimmt das Bridgestone-Loblied an..., Foto: Sutton

Todt bleibt im Fokus der anwesenden und Fragen stellenden Betrachter. Einer von ihnen möchte wissen, welchen prozentuellen Anteil die Reifen an der aktuellen Ferrari-Krise haben. Todt beginnt mit einer Dankesrede von der Stange, natürlich an Bridgestone gerichtet. Die Laudatio hat aber auch dramatische Ansätze. Beim Gewinn der sechs Konstrukteurs-Weltmeisterschaften in Folge sei der Reifenpartner "wahrscheinlich einer unserer größten Vorteile gegenüber unseren Gegnern" gewesen. Aber: "In diesem Jahr haben wir definitiv einen Nachteil im Qualifying."

Autos brauchen Reifen

Und es klingt geradezu rhythmisch, wenn Jean Todt den Lobeshymnen-Rap anstimmt: "They are a great partner, we are happy together - we will solve the problem together..." Wäre es ein Musikvideo und keine FIA-Pressekonferenz, würden jetzt TänzerInnen in den Teamfarben von Ferrari und Bridgestone in den Saal stürmen und sie würden tanzend den Chor singen: "They are a great partner, we are happy together - we will solve the problem together..." Und die zweite Stimme: "Great Partner." Kurze Pause und: "We will solve the problem."

In der Wirklichkeit jedoch sagt Jean Todt: "Wenn Sie mich nun fragen, wann wir gemeinsam das Problem lösen werden, so muss ich sagen: Ich habe keine Idee, wann das sein wird. Ich hoffe, so bald als möglich. Vielleicht am Sonntag. Vielleicht in zwei Wochen. Vielleicht am Ende des..." Todt bricht die selbst gezeichnete Apokalypse vorsorglich ab: "Ich weiß es nicht." Und schon wird die Laudatio fortgesetzt: "Was Bridgestone getan hat, ist fantastisch und ich werde nicht darüber spekulieren, wie sehr es an den Reifen liegt, wie sehr es am Chassis oder dem Fahrer liegt - es ist das gesamte Paket." Und dann verneigt sich Todt vollends, denn plötzlich erkennt er: "Wir brauchen Bridgestone, um Reifen an unseren Fahrzeugen zu haben - und wir wollen bei Bridgestone bleiben."

Ob Todt es begrüßen würde, wenn bei Bridgestone "im nächsten Jahr andere Teams" einsteigen würden, fragt ORF-Reporter Heinz Prüller. Todt: "Das ist die Entscheidung von Bridgestone. Wenn Bridgestone andere Topteams haben möchte, wären wir aber sehr, sehr glücklich. Das würde uns definitiv helfen. Und es steht kein Wort davon in unserem Vertrag, dass Bridgestone nicht auch andere Teams beliefern dürfe."

Mario Theissen schwört, dass er auf dem Heimweg von Monaco nicht in Hinwil war..., Foto: Sutton
Mario Theissen schwört, dass er auf dem Heimweg von Monaco nicht in Hinwil war..., Foto: Sutton

Jetzt fragt man Norbert Haug, warum McLaren-Mercedes zu Michelin übersprang? Weil man gedacht habe, dass Bridgestone auf Ferrari fixiert sei? Weil man befürchtete, als Kunde weniger wichtig genommen zu werden? Haug sagt: "Nein, ich kann nur unterstreichen, was Jean gesagt hat." Jetzt setzt Norbert Haug das Loblied an die japanische Reifenfirma fort: "Wir hatten eine großartige Partnerschaft mit Bridgestone, und diese hält bis heute an. Wir sind mit ihnen seit DTM-Tagen zusammen, seit 1992. Wir erhielten viel Unterstützung. Eine großartige Kooperation." Aber: "Wir saßen im Team an einem Tisch und dachten, wir probieren den Michelin-Weg aus. Das ist der ganze Hintergrund. Ganz sicher. Und ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist, dass Bridgestone schon morgen zurückkommt."

Mario Theissen wird darauf angesprochen, dass er von Monaco nach München über die Schweiz gefahren sein soll. Dort, in Hinwil, steht bekanntlich das Sauber-Werk, mit welchem BMW in Verbindung gebracht wird - viele Gerüchte, bis hin zum Kauf des Rennstalls. Theissen bestätigt seine Reiseroute: "Ja, das stimmt. Wie im letzten Jahr. Und wie im Jahr zuvor." Und ob er in der Nähe von Zürich einen Stopp eingelegt habe, hakt der Journalist nach. Theissen: "Ja, wenn man 900 Kilometer fährt, muss man von Zeit zu Zeit einen Stopp einlegen." Gelächter. Theissen: "Aber ich kann Ihnen sagen, ich fuhr ohne Tankstopp." Noch mehr Gelächter. Und keine TänzerInnen mehr.