Ein stressiger Winter liegt hinter Red Bull Racing. Lange Zeit hatte es gedauert, bis die Motorenfrage für die Saison 2016 final entschieden war. Am Ende ist das meiste beim Alten geblieben. Seine Power Units bezieht Red Bull weiter von Renault, nur den Namen eines Luxus-Uhrenfabrikats statt den einer Edel-Automarke schreibt man auf den neuen RB12. Dessen Entwicklung betrieben die Ex-Weltmeister zwangsläufig in Rekordzeit, erst am Tag der ersten Präsentation bestand das neue Auto den letzten Crashtest. Entstanden ist ein evolutionärer Bolide, der auf einer seit der zweiten Saisonhälfte 2015 starken Basis seines Vorgängers aufbaut.

Die sichtbaren Fahreindrücke bei den Wintertestfahrten bestätigten bereits die Ankündigung der Ingenieure, erneut ein Top-Chassis fabriziert zu haben. Dennoch bleibt ein Problem: Mit den Power Units von Mercedes und Ferrari kann das Pendant Renaults längst nicht mithalten. Selbst Toro Rosso, das durch den 2015er Ferrari befeuert wird, wähnt Red Bull daher als ernstzunehmenden Konkurrenten. Das gilt vor allem für den Saisonbeginn. Für den weiteren Verlauf zählt Red Bull auf Fortschritte seitens Renault, um das eigene Juniorteam zu überflügeln und die erwartete dritte Kraft Williams zu attackieren. Idealerweise geschieht das schon zum Europa-Auftakt, doch spätestens nach der Sommerpause will sich Red Bull in dieser Position befinden.

Das Team: Neue Namen, alte Inhalte bei Red Bull

Neu im Team:

  • TAG Heuer als neuer Motor-Namensgeber
  • Mario Illien arbeitet bei Motorenlieferant Renault intensiver mit

Nicht mehr im Team:

  • Performance-Renningenieur Tim Malyon zog es zu Sauber
  • Trennung von Titelsponsor Infiniti

Bei Red Bull ist die wesentliche Veränderung zur Saison 2016 künstlicher Natur. Der Rennstall fährt weiterhin mit Power Units von Renault. Allerdings benennt Red Bull die Aggregate nach Neo-Titelsponsor TAG Heuer. Den hat das Team von McLaren abgeworben. Der Uhrenhersteller ersetzt die Renault-Nissan-Edelmarke Infiniti. Was die Leistung der Power Unit angeht, so ruhen große Hoffnungen auf Mario Illien. Renault hat falschen Stolz überwunden und lässt sich inzwischen doch vom Ilmor-Motorenpapst unter die Arme greifen.

Was die eigene Verantwortung für den neuen Red Bull angeht, so bleibt das bewährte Ingenieursteam zusammen. Adrian Newey hält sich erneut im Hintergrund, doch obliegt ihm nach wie vor die technische Gesamtleitung. Unter ihm feilen Aerodynamik-Chef Dan Fallows, Chefingenieur Rob Marshall, Auto-Chefingenieur Paul Monaghan und Performance Chefingenieur Pierre Waché weiter am Top-Chassis des RB12. Christian Horner fungiert weiter als Teamchef. Einzig Performance-Renningenieur Tim Malyon hat das Team in Richtung Sauber verlassen.

Das Auto: Motor vs. Chassis - die zwei Seiten des RB12

Der neue Red Bull RB12 unterscheidet sich gegenüber seinen Vorgängern auf den ersten Blick durch eine deutlich mattere Lackierung. Darauf prangt dem Wechsel des Titelsponsors gemäß, siehe oben, ein neues Logo. "Die neue Lackierung schaut gut aus, das Auto ist unglaublich. Natürlich ist es für uns Fahrer wichtiger, wie das Auto auf der Strecke funktioniert", sagt Daniel Ricciardo. Den zweiten Teil erfüllte sein Arbeitsgerät bei den Wintertestfahrten. In Sachen Laufleistung sortierte sich Red Bull im engen Mittelfeld ein und zeigte eine klar bessere Zuverlässigkeit als in den beiden vergangenen Jahren.

Noch etwas besser lief es in Sachen Pace - so man Bestzeiten bei Testfahrten Bedeutung zumessen will. Ricciardo sieht sein Team jedenfalls an der vorderen Spitze des Mittelfelds. Mercedes und Ferrari seien mit Sicherheit die Top zwei. "Aber an Williams sind wir mehr oder weniger nah dran", sagt der Australier. Allerdings werde es sicherlich sehr eng zugehen, etwa mit Toro Rosso. Auch Teamkollege Daniil Kvyat zog ein positives Resümee der Tests. "Den wahren Fortschritt werden wir aber in Melbourne und in den ersten Rennen sehen", sagt der Russe.

Der RB12 gleicht seinem Vorgänger auch technisch sehr. Red Bull hat bewusst auf Evolution statt Revolution gesetzt, nachdem der ohnehin schon schlanke RB11 in der zweiten Saisonhälfte gut funktioniert hatte, die Handling-Probleme überwunden worden waren und im Winter wegen der offenen Motorenfrage verschiedene Lösungen zur Integration der unterschiedlichen Power Units parallel erarbeitet werden mussten. Deshalb und wegen der grundsätzlichen Last-Minute-Arbeitsweise Red Bulls sind jedoch noch größere, vielleicht auch direkt sichtbare, Updates zum Saisonstart zu erwarten. Schon jetzt interessant: Anders als Renault setzt Red Bull auf zwei Extra-Auspuffsrohre - Mickey Mouse statt Schneemann.

Die Fahrer: Bewährungsprobe für Ricciardo & Kvyat

Mit Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat bleibt die Fahrerpaarung bei Red Bull zum ersten Mal seit 2013 unverändert. Für den Australier gilt es in seinem dritten Jahr im Team, wieder auf die Erfolgswelle seiner starken Debütsaison 2014 zurückzufinden, während der Russe in Jahr zwei schlichtweg an seine deutlich stärkere zweite als erste Saisonhälfte 2015 anknüpfen möchte.

Christian Horner glaubt an die Stärke seiner beiden Dans. "Er kam zu Red Bull mit dem Auftrag, Sebastian Vettel zu ersetzen und er ist mit dem Druck sehr gut umgegangen", lobt der Teamchef Kvyat. Ricciardo habe 2015 derweil ein härteres Jahr erlebt als zuvor, aber dennoch überzeugt. "Er hat das gut gemacht und einige richtig starke Rennen gezeigt, besonders in Ungarn und in Singapur", sagt Horner.

Daniel RicciardoDaniil Kvyat
Runden457360
Kilometer2.1271.676
Bestzeit1:23.5251:24.293
ReifenUltrasoftUltrasoft

Die Ziele: Williams jagen, Toro Rosso abwehren

Saisonziel: Best of the rest hinter Rot und Silber.

Redaktionskommentar: Red Bull kann 2016 durchaus eine deutlich stärkere Saison zeigen als im Vorjahr. Aber nicht gleich zum Start. Die große Frage ist: Ab wann ist der RB12 konkurrenzfähig? Das Chassis sollte bereits jetzt top sein, es hängt also in erster Linie von der Power Unit ab. Noch ist das Renault-Aggregat zu schwach, um Red Bull an der Spitze mit Ferrari, Mercedes oder Williams mitspielen zu lassen. Selbst Toro Rosso mit dem Vorjahres-Ferrari im Heck und Force India erscheinen daher zu Saisonbeginn als ernst zu nehmende Gegner. Schafft Renault jedoch die angeblich erwartete, signifikante Verbesserung, so können wir Ricciardo und Kvyat auch wieder auf Podien erwarten. Vor allem auf Stadtkursen und wenn es regnet.

Pro:

  • Erneut extrem starkes Chassis
  • Weiterer Renault-Schritt im Saisonverlauf erwartet
  • Zuverlässigkeit bereits verbessert
  • Beide Fahrer und Team eingespielt

Contra:

  • Juniorteam Toro Rosso dank Ferrari-Motor zum Saisonstart wohl stärker
  • Fahrer unter Druck: Sainz & Verstappen klopfen an
  • Findet Renault wirklich mehr Leistung in der Power Unit?

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