140.000 Zuschauer kamen zum Großbritannien GP und sahen das spektakulärste und spannendste Rennen der Saison. Der Grand Prix nahm gleich mehrere Wendungen, vier Piloten durften sich realistische Hoffnungen auf den Sieg machen. Am Ende siegte Lewis Hamilton deutlich. Motorsport-Magazin.com erklärt, warum der Brite dennoch glücklich gewann.

Am Start gab es die große Überraschung: Felipe Massa stürmte von Platz drei auf eins nach vorne, Valtteri Bottas schaffte es von vier immerhin an einem Mercedes vorbei und war nach dem Start Dritter. Mercedes war von dem niedrigen Gripniveau schlichtweg überrascht und hatte zu viel Wheelspin. Die Kupplung war auf zu viel Schlupf eingestellt.

Reihenfolge nach Runde 1: Massa - Hamilton - Bottas - Rosberg

Wegen der Kollision zwischen den beiden McLaren und Lotus musste das Safety Car ausrücken. Beim Restart unterlief Hamilton ein Fehler: Der Brite wollte mit aller Macht sofort an Massa vorbei, weil er wusste, dass es unter normalen Umständen auf der Strecke fast unmöglich sein würde. Deshalb attackierte er noch vor der der Start- und Ziellinie. Ab der Safety-Car-Linie darf überholt werden.

Allerdings übertrieb es Hamilton und kam dabei leicht von der Strecke ab. Dabei verlor er einen Platz an Bottas, nur mit Glück konnte er seinen Teamkollegen in dieser Situation hinter sich lassen. Danach passierte das Befürchtete: Hamilton fand keinen Weg an Bottas vorbei, der seinerseits versuchte, an Massa vorbeizugehen.

Reihenfolge nach dem Safety Car: Massa - Bottas - Hamilton - Rosberg

Mercedes hatte nur eine Chance: den Undercut. Weil der Großbritannien GP ein Einstopp-Rennen ist, gab es diese Chance auch nur ein einziges Mal. Also musste der Undercut besonders aggressiv ausfallen. Williams hatte zu diesem frühen Zeitpunkt - obwohl Mercedes schon zuvor einen Boxenstopp antäuschte - niemals mit einem Boxenstopp gerechnet.

Lewis HamiltonFelipe Massa
Rückstand Runde 18+ 1,294
Runde 19Inlap
Sektor 131,14230,9880,154
Sektor 240,74740,903-0,156
Sektor 325,95727,461-1,504
Runde 20OutlapInlap
Sektor 150,39731,18319,214
Sektor 239,46640,889-1,423
Sektor 326,48625,8290,657
Durchfahrtszeit28,41729,369-0,952

In Runde 19 kam Hamilton zu seinem Stopp. Im Umlauf zuvor lag der Brite 1,3 Sekunden hinter dem führenden Massa. Weil dazwischen noch Valtteri Bottas lag, konnte Hamilton auf seiner Inlap nicht komplett aufschließen. In den ersten beiden Sektoren konnte er keine Zeit auf Massa gutmachen. Etwas irritierend: Weil die Boxeneinfahrt die reguläre Strecke abkürzt und das Tempolimit erst später beginnt, ist die Inlap in Silverstone oftmals die schnellste Rennrunde. Der letzte Sektor ist in der Boxeneinfahrt schneller als auf der Strecke.

Hamilton kam als erster der Top-Leute an die Box, Foto: Sutton
Hamilton kam als erster der Top-Leute an die Box, Foto: Sutton

Als Hamilton abbog wusste Massa, dass er in der nächsten Runde kommen musste. Nachdem der Brasilianer zuvor Bummel-Zeiten gefahren war, konnte er das Tempo auf Kommando sofort ein wenig anziehen. Doch Hamilton setzte mit den frischen Reifen gleich Sektorbestzeiten. Der Mittelsektor war der entscheidende Teil: Der Mercedes-Pilot konnte in diesem Abschnitt 1,4 Sekunden auf Massa gewinnen. Auch im letzten Sektor konnte er - wegen der Abkürzung auf der Inlap nur verhältnismäßig - ein wenig Zeit gewinnen.

Die Entscheidung fiel beim Stopp. Massas Durchfahrtszeit war knapp eine Sekunde langsamer als jene von Lewis Hamilton. Der Brite ging vorbei und führte von nun an. Wie langsam Massas Stopp war, zeigte sich auch an der Tatsache, dass er noch vor Rosberg in die Box gekommen war aber direkt neben dem Deutschen wieder losgelassen wurde. Nur die Innenbahn rettete Massa Platz zwei.

Warum klappte der Undercut bei Rosberg nicht?

Weil Massa erst eine Runde später als Hamilton zum Stopp kam, konnte Bottas erst eine weitere Runde später Reifen wechseln. Rosberg kam ebenfalls eine Runde nach seinem Teamkollegen und somit eine Runde vor Bottas. Somit unterschnitt er den Williams-Piloten. Rosberg aber kam hinter Bottas wieder zurück auf die Strecke. Warum?

Rosberg hatte eine starke Inlap, konnte in den ersten beiden Sektoren knapp sieben Zehntelsekunden auf Bottas aufholen. Auch sein Boxenstopp verlief fehlerfrei. Der Mercedes-Mannschaft gelang sogar der zweitschnellste Stopp des gesamten Rennens.

Nico RosbergValtteri Bottas
Rückstand Runde 19+ 1,338
Runde 20Inlap
Sektor 130,74930,988-0,202
Sektor 240,44240,925-0,483
Sektor 325,78427,308-1,524
Runde 21OutlapInlap
Sektor 150,86630,80120,065
Sektor 240,27140,2700,001
Sektor 326,91725,5391,378
Durchfahrtszeit28,39328,781-0,388

Allerdings konnte Rosberg genau den Vorteil des Undercuts nicht ausspielen. Das Prinzip ist einfach: Wenn man eine Runde früher zum Stopp kommt, fährt man eine Runde früher mit frischen Reifen, während der Kontrahent mit den uralten Reifen unterwegs ist. Der Unterschied in der Rundenzeit ist meist so dramatisch, dass sich die Reihenfolge bei knappen Abständen oft umdreht.

Bei Rosberg ging der Undercut nicht auf, weil er direkt hinter Felipe Massa zurück auf die Strecke kam. Ein Angriffsversuch kostete Zeit, danach verlor Rosberg einfach beim Hinterherfahren. Im Mittelsektor, wo Hamilton zuvor die entscheidende Zeit auf Massa gutmachen konnte, verlor Rosberg eine tausendstel Sekunde auf Bottas. Hätte Bottas' Stopp so lange wie der seines Teamkollegen gedauert, hätte es für Rosberg wahrscheinlich noch gereicht. Doch Bottas verlor bei der Boxendurchfahrt 'nur' vier Zehntel auf Rosberg und sortiere sich genau zwischen Massa und dem Deutschen ein.

Williams wurde anschließend hart dafür kritisiert, dass die Strategien nicht gesplittet wurden. Wäre einer der beiden Williams vor Hamilton zum Stopp gekommen, hätte der Mercedes-Undercut nicht funktioniert. Allerdings rechnete Williams schlichtweg nicht damit, dass Hamilton so früh zum Stopp kam. Außerdem fürchteten die Briten, dass bei einem noch früheren Stopp die Reifen am Ende eingegangen wären.

Genau das fürchtete übrigens auch Nico Hülkenberg und verlor deshalb Platz fünf beim Boxenstopp. Beide Ferraris gingen am Force-India-Piloten vorbei. "Sie haben wegen des besseren Autos einen niedrigeren Reifenverschleiß. Sie können zehn Runden früher an die Box und die Reifen überleben trotzdem noch. Bei einem schlechteren Auto mit weniger Abtrieb leben die Reifen nicht so lange", erklärt der Le-Mans-Sieger. Bei Williams gegen Mercedes ist es ähnlich.

Reihenfolge nach Stopp 1: Hamilton - Massa - Bottas - Rosberg

Eigentlich wäre das Rennen für Rosberg damit zu Ende gewesen. Auf der Strecke kam der Deutsche nicht an den Williams vorbei. Auch ein zusätzlicher Boxenstopp, wie er kurz angedacht wurde, hätte nichts gebracht. Er wäre weiter zurückgefallen und hätte später mit frischeren Reifen zunächst wieder aufholen müssen, bevor er überholen hätte können.

Deshalb kam Rosberg der Regen gelegen. Der WM-Zweite schaffte es während des Virtuellen Safety Cars die Temperatur in seinen Reifen zu halten. Als die ersten Tropfen fielen, machte sich das bezahlt. Rosberg kam bei diesen Bedingungen mit Abstand am besten zurecht. Erst ging er scheinbar mühelos an Bottas vorbei, wenig später an Massa.

Trotz Überholmanöver konnte er den Rückstand auf seinen Teamkollegen in riesen Schritten verkleinern. In Runde 37 lag Rosberg mehr als elf Sekunden hinter Hamilton - die Williams konnten das Tempo des Führenden nicht mitgehen und Rosberg kam nicht vorbei.

Innerhalb von fünf Runden schrumpfte Hamiltons Vorsprung auf unter vier Sekunden zusammen. Dann zog der Brite die Reißleine und holte sich Intermediates ab. Bei der Boxeneinfahrt waren die beiden Mercedes-Piloten keine zwei Sekunden mehr voneinander getrennt. Hamilton begründete seine Pace später damit, dass er vorne lag und sich somit schwerer tat, die Bedingungen richtig einzuschätzen.

Hamiltons Stopp erwies sich als goldrichtig. Der Regen nahm zu, Rosberg fuhr in der darauffolgenden Runde deutlich langsamer. Im ersten Sektor verlor er knapp drei Sekunden, im zweiten Sektor sogar sechs Sekunden auf seine vorherige Runde. Im letzten Sektor drei Sekunden trotz abkürzender Boxengasse.

Rosbergs Stopp kam eine Runde zu spät. Von weniger als zwei Sekunden wuchs der Rückstand dadurch auf über neun Sekunden an. Hätte Hamilton zuvor nicht schon so große Probleme bei feuchten Bedingungen gehabt, wäre er vermutlich nicht so früh zum Stopp gekommen. Rosberg wurde quasi zum Opfer seiner starken Pace bei Mischbedingungen. Denn Hamilton kam wohl nicht, weil er wusste, dass der Regen in der darauffolgenden Runde so stark zunehmen würde, sondern weil er in der aktuellen Runde schon genügend Probleme hatte.

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