In wenigen Tagen tauscht der neue österreichische Hoffnungsträger in Sachen Formel 1 eine im Tiefschnee versunkene Berglandschaft mit dem heiß begehrten Platz an der Sonne: Einerseits verspricht die australische Ostküste zu dieser Jahreszeit herrliches Spätsommerwetter Down Under und verlockt zu Surfausflügen, andererseits hat er den Sprung ganz nach vorne geschafft – den Sprung in die Königsklasse des Motorsports.

Der smarte 24-jährige Kärntner Patrick Friesacher – Pat, wie ihn seine engsten Freunde nennen – ist einer der vier auserwählten Rookies der neuen Formel 1 Saison. Seine Freude über die auch für ihn überraschende Entscheidung, den Minardi-Boliden als Stammfahrer pilotieren zu dürfen, ist ihm sieben Tage nach der Bekanntgabe noch immer ins Gesicht geschrieben: Ein strahlendes Funkeln ist für jedermann sichtbar in seinen Augen zu erkennen. Er kann es kaum noch erwarten, nach nur 95 Testrunden in einem Formel 1 Boliden, in Melbourne mit Schumacher & Co an den Start zu gehen.

Trotz des auf ihn plötzlich hereinbrechenden Medienrummels, folgte Patrick mit Freude unserer Einladung zum Interview - nicht zuletzt auch deshalb, weil er schon seit Jahren zu unserer Leserschaft zählt und ein regelmäßiger Besucher von motorsport-magazin.com ist. Die Vorzeichen für eine spannende Plauderstunde waren also gegeben.

Entsprechend gemütlich machte es sich Patrick bevor er sich einen leckeren Cafe Latte bestellte, in unser Mikrofon lächelte und sich selbst vorab mit zwei Schlagwörtern charakterisierte: "Ich bin ehrgeizig ... und in gewissen Sachen eigensinnig!". Seinen Ehrgeiz können wir rasch widerspruchsfrei belegen: Bereits mit zarten fünf Jahren verschrieb er sich dem Motorsport. Startete mit Motocross Junior Rennen, arbeitete sich in die österreichische und später internationale Kartmeisterschaft hoch, ehe er mit 17 nach einem tragischen Rennunfall einen herben Rückschlag in Kauf nehmen musste, welcher ihn kurzfristig an den Rollstuhl fesselte. Er ließ dennoch nicht locker und kämpfte sich mit unzähligen Podiumsplatzierungen über die Formel 3 und Formel 3000 in die Top-Klasse des Motorsports hoch.

Für Deinen ersten F1 Grand Prix musst Du den halben Globus umrunden. Es geht nach Australien. Warst Du schon einmal im Land der Aborigines?

Patrick Friesacher: Nein, ich war noch nie in Australien.

Was erwartest Du von Australien?

Patrick Friesacher: So weit ich weiß, soll es wunderschön sein und ich freue mich einfach mächtig darauf. Die Vorbereitungszeit war jetzt natürlich ziemlich knapp. Ich habe am letzten Samstag einen Tag getestet und damit insgesamt 95 Runden in einem Formel 1 Auto hinter mir. Und jetzt kommt gleich das erste Rennen. Es wird also spannend.

Wann fliegst Du nach Australien?

Patrick Friesacher: Ich fliege am Samstag. Mein Teamkollege ist schon am letzten Dienstag runter geflogen um sich zu akklimatisieren. Da unser Teamchef Australier ist haben wir viele Pressetermine, weswegen wir sehr stark eingeplant sind. Da geht es richtig rund.

Und wie hast Du Dich, unabhängig von dem einen Testtag in Imola, auf die F1 vorbereitet?

Patrick Friesacher: Es war ja eigentlich geplant, dass ich als Freitagstestfahrer zum Einsatz komme. Den Vertrag haben wir unterschrieben und am letzten Montag hat mich plötzlich mein Manager angerufen und gesagt, dass er eine positive Nachricht für mich hat. Da habe ich gefragt was die positive Nachricht sei und dann sagte er zu mir, dass ich Stammfahrer bei Minardi bin. Im ersten Moment war ich total baff und konnte es überhaupt nicht glauben. Am Dienstag folgte schon die Pressekonferenz.

Und wie verlief die Vorbereitung?

Patrick Friesacher: Ich bin jetzt schon die ganze Zeit in einer Privatklinik in Althofen und bereite mich auf die Saison vor. Besonders natürlich im Nackenbereich, wo ich die meisten Probleme hatte. Ich hoffe einfach, dass ich für das erste Rennen fit bin und keine Probleme haben werde. Da ich noch nie eine Renndistanz gefahren bin, weiß ich allerdings noch nicht genau was auf mich zukommt.

Wie war das zuletzt bei den Tests in Imola?

Patrick Friesacher: Ich habe es im Nacken gespürt. Speziell beim Bremsen und in den Kurven.

Wie bereitest Du Dich auf die Dir unbekannten Strecken wie Melbourne vor?

Patrick Friesacher: Du kannst dich ein bisschen mit der Playstation vorbereiten, aber wenn du dann dort hinkommst, sieht es ohnehin wieder ganz anders aus. Deswegen gehst du die Strecke am Rennwochenende auch mit deinem Renningenieur noch einmal ab und tastest dich dann auf den ersten Runden langsam heran.

Welchen großen Unterschied erwartest Du zwischen der Formel 3000 und der Formel 1?

Patrick Friesacher: In erster Linie ist der ganze Umgang mit den Medien und der Presse unvorstellbar größer. Mein Handy läutet jetzt in einer Tour...

Gefällt Dir das oder ist es Dir eher unangenehm?

Patrick Friesacher: Es taugt mir schon. Nur wenn ich mit meinen Ingenieuren zusammensitze, dann muss ich das Handy einfach abschalten, da ich sonst nie zur Ruhe komme und ich mich voll auf meine Arbeit konzentrieren muss. Denn für mich ist das alles Neuland: Alle was man am Lenkrad verstellen kann, die Traktionskontrolle, das Differenzial, die vielen Leute im Team – all das habe ich vorher nicht gehabt.

Überspringen wir Dein erstes Rennen einfach einmal: Wie sieht Dein Programm danach aus?

Patrick Friesacher: Ich komme am 22. März zurück nach Österreich. Gleich nach Melbourne fahren wir nach Adelaide, wo einige Termine auf dem Programm stehen. Vor Malaysia wird es dann aber sicher etwas ruhiger werden.

Seit einigen Tagen gehörst Du zu den 20 Auserwählten die in diesem Jahr in der Formel 1 an den Start gehen dürfen. Hast Du das schon verarbeitet?

Patrick Friesacher: Nein, es ist alles so schnell gegangen und ich hatte noch keine Zeit darüber wirklich nachzudenken. Ich freue mich aber riesig, dass ich überhaupt dabei bin. Schließlich bekommen nicht viele Fahrer eine solche Chance und ich bin jetzt bei den 20 Auserwählten dabei.

Glaubst Du, dass Dich das verändern wird?

Patrick Friesacher: Bislang hat sich nichts verändert und ich hoffe, dass sich auch nichts verändern wird. Denn ich möchte so bleiben wie ich bin.

Hast Du Deine Crew schon kennen gelernt?

Patrick Friesacher: Alle kenne ich noch nicht, aber einen Großteil. Das Team ist richtig familiär und sie haben mich mit offenen Armen empfangen. Es war ein supertoller erster Testtag und gerade zum lernen und anfangen könnte ich mir kein besseres Team vorstellen. Ich fühle mich total wohl

Was hältst Du von Deinem Teamchef Paul Stoddart?

Patrick Friesacher: Er ist sehr nett. Ich kenne ihn ja schon länger, weil er früher ein Formel 3000 Team hatte und er hat mich letztes Jahr schon einmal zur Formel 1 eingeladen, wobei ich ihn richtig kennen gelernt habe. Er ist einfach ein ganz normaler Mensch wie jeder andere auch. Er ist also nicht irgendwie abgehoben, sondern total am Boden geblieben. Mit ihm kann man ganz normal reden.

Zwischen Paul und den anderen Teamchefs gibt es immer wieder heftige Diskussionen und kleinere Fehden. Wie siehst Du das?

Patrick Friesacher: Ich muss mich in erster Linie auf das Fahren konzentrieren. Denn beim Drumherum ist in der letzten Zeit so viel dazu gekommen, dass sich Paul darum kümmern muss. Aber warum soll er sich da nicht einmischen, wenn er eigentlich Recht hat?

Minardi gilt als finanziell chronisch angeschlagen. Die Anlagen in Faenza und Ledbury sind alles andere als auf der Höhe der Zeit und für Windkanalarbeiten bleibt höchstens ein paar Tage Zeit. Wie beurteilst Du die harte Arbeit und die Ausstattung des Teams?

Patrick Friesacher: Minardi hält sich seit 20 Jahren ständig in der Formel 1 und wenn man bedenkt wie viele F1-Teams in den letzten Jahren untergegangen sind, dann machen sie mit den Mitteln die ihnen zur Verfügung stehen einen tollen Job.

Kennst Du Deinen Teamkollegen Christijan Albers schon?

Patrick Friesacher: Ich habe ihn kennen gelernt als ich in die deutsche Formel 3 gekommen bin, da ist er im Vorjahr in meinem Team Meister geworden, weswegen ich etwas mit ihm zu tun hatte. Bei den Tests haben wir etwas miteinander geredet, aber in erster Linie hat er mit seinen Ingenieuren gearbeitet und ich mit meinen. In Australien haben wir sicher mehr Zeit miteinander zu sprechen.

Dein Team möchte die ersten Rennen mit dem Vorjahresauto starten, wobei noch die Zustimmung von Ferrari fehlt. Könnte da Ungemach oder womöglich ein Boykott oder Ähnliches drohen?

Patrick Friesacher: Das glaube ich nicht. Ich habe mit Paul Stoddart gesprochen und er hat uns gesagt, dass wir fix am Start sein werden und es keine Probleme geben wird. Das Auto mit dem wir fahren ist mittlerweile schon vier Jahre alt, es sind zwar einige Änderungen gemacht worden, aber ich bin schon richtig gespannt auf das neue Auto, das ab Imola eingesetzt werden soll.

Dieser neue Wagen soll ziemlich radikal aussehen. Hast Du bereits gesehen wie radikal das neue Auto sein wird?

Patrick Friesacher: Ich habe ein paar Skizzen gesehen. Auf die Details kann ich natürlich nicht eingehen, aber von der Aerodynamik her wird sich viel tun. Die Formen sind einfach mehr denen der anderen Formel 1 Autos angepasst, als dies beim aktuellen Auto der Fall ist. Es wird aber keine ausgefallenen Hörner wie bei McLaren geben, sondern ganz normal aussehen. Es ist einfach viel runder und besser gemacht als der bisherige Wagen.

Als Ziel hast Du den vorletzten Platz in der Team-WM, also vor Jordan, ausgegeben.

Patrick Friesacher: Ja, Paul Stoddart hat das in der Pressekonferenz als Ziel gesetzt. Aber es wäre natürlich schön, wenn wir mit ein bisschen Glück bei dem ein oder anderen Rennen einen Punkt einfahren könnten. Wobei das sicherlich sehr, sehr schwer werden dürfte.

In den letzten Jahren kämpften Minardi, Jordan und Jaguar um die letzten Ränge. Wird Red Bull Racing für Euch auch in Reichweite sein?

Patrick Friesacher: Mit dem alten Auto wird das sicherlich nicht möglich sein. Beim neuen Auto kommt es dann darauf an wie wir es weiterentwickeln können und wie die Basis ist. Denn die kann man erst einschätzen, wenn man das erste Mal damit fährt. Eine tolle Sache wäre es auf jeden Fall, wenn wir noch weiter vorne fahren würden.

Würdest Du als ehemaliger Red Bull Schützling einen Red Bull Boliden härter attackieren als einen Jordan oder ist das völlig egal?

Patrick Friesacher: Das ist völlig egal. Das sind alles Konkurrenten. Die werden alle gleich behandelt.

Wenn man als Neuling in ein Team kommt, muss man sich erst einmal durchsetzen und seine Sporen verdienen. Wie wirst Du die Saison angehen?

Patrick Friesacher: Zuerst möchte ich einfach die Rennen bis zum Ende durchfahren und Erfahrung sammeln. Schließlich sind die 95 Runden die ich bislang gefahren bin nicht wirklich viel. Dennoch möchte ich natürlich vor meinem Teamkollegen sein, das ist ganz klar.

Jordan wurde für seine Fahrerwahl kritisiert. Es sei zu risikoreich mit zwei unerfahrenen Neulingen zu fahren. Wie siehst Du die Lage bei Jordan – und natürlich Minardi?

Patrick Friesacher: Das ist eine Entscheidung des Teamchefs und wenn er sie so getroffen hat, dann gibt´s nichts dagegen einzuwenden. Aber natürlich kann ein erfahrener Pilot ein Auto viel besser und schneller weiterentwickeln, weil er einfach Sachen weiß, die wir als Neulinge erst noch herausfinden müssen.

Die vielen neuen Regeln des letzten Jahres waren für F1-Neulinge wie Deinen Landsmann Christian Klien alles andere als vorteilhaft. Durch die neuerlichen Änderungen mit Zwei-Wochenend-Motoren und noch mehr Motorenschonen und Rundengeiz am Freitag und Samstag wird es für Dich sogar noch schwieriger...

Patrick Friesacher: Eigentlich nicht. Es ist für alle neuen Fahrer gleich. Dennoch muss man sich schnell einleben und bekommt nur wenig Zeit dafür. Deswegen muss gleich von Anfang an etwas passieren. Und wenn es geht muss man vorne irgendwie mitfahren. Früher waren einfach andere Zeiten. Da hat ein neuer Fahrer einen Zweijahresvertrag bekommen und man hat gesagt schauen wir mal was daraus wird. Heutzutage bist du, wenn du keine Leistung bringst, gleich wieder weg vom Fenster.

Was hältst Du von der Entwicklung, dass Fahrer immer später bekannt gegeben werden? Wie es zum Beispiel beim Christian oder beim Nick der Fall war...

Patrick Friesacher: Es wird generell immer schwerer werden in die Formel 1 zu kommen. Früher waren bei 26 Autos einfach mehr Plätze frei und jetzt gibt es immer weniger Teams und somit auch immer weniger freie Plätze. Deshalb ist es nicht einfach rein zu kommen, besonders da so viele rein wollen.

Du bist aber drin – und zwar als 14. Österreicher. Hat das für Dich irgendeine Bedeutung Nachfolger eines Niki Lauda oder Gerhard Berger zu sein?

Patrick Friesacher: Nein, eigentlich nicht. Ich bin der Patrick und ich will meinen eigenen Weg gehen. Ich möchte niemanden kopieren. Denn das würde sicherlich nicht funktionieren.

Wenn wir bei den Österreichern bleiben: Welche Beziehung hast Du zu Christian Klien?

Patrick Friesacher: Ich war mit ihm zusammen im Red Bull Junior Team und wir waren die beiden Piloten, die am längsten unterstützt wurden. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu ihm. Als ich dann von Red Bull weg bin und Christian in die F1 kam, hatten wir weniger Kontakt, aber das ist irgendwo auch verständlich. Ansonsten hatten wir aber immer ein gutes Verhältnis.

Red Bull hat sich letzte Woche in einer Presseaussendung etwas damit gerühmt, dass vier Piloten aus dem Junior Team nun in der Formel 1 sind. Klingt das für Dich ein bisschen zynisch?

Patrick Friesacher: Nein. Sie dürfen sich gerne damit rühmen. Schließlich wäre ich nie so weit gekommen, wenn ich Red Bull nicht gehabt hätte. Ich habe ihnen sehr viel zu verdanken und sie haben mir das Ganze eigentlich erst ermöglicht. Sie haben mich vom Kartsport bis in die Formel 3000 gefördert und es war für mich eine wirklich tolle und coole Zeit, in welcher ich sehr viel gelernt habe und sehr gereift bin. Ohne Red Bull wäre das absolut nicht möglich gewesen.

Was dürfen wir in Deiner ersten Saison von Dir erwarten? Punkte wären natürlich die Krönung...

Patrick Friesacher: WM-Punkte mit Minardi wären wie ein Sieg für ein anderes Team. Denn wenn vorne keines der Top-Teams ausfällt, dann ist es fast nicht möglich in die Punkte zu fahren. Aber vielleicht können wir bei einem Regenrennen mit Glück etwas erreichen. Man weiß ja bekanntlich nie was alles passieren kann... Aber in erster Linie möchte ich meinen Teamkollegen immer im Griff haben. Zudem wäre es schön, wenn wir vor die Jordan fahren könnten.

Auf welche Rennstrecken freust Du Dich besonders?

Patrick Friesacher: Ungarn, Imola und Monaco. Es gibt schon ein paar coole Rennstrecken. Stadtkurse wie Pau oder Macao bin ich schon immer gerne gefahren. Bei Imola empfinde ich die Streckencharakteristik einfach als cool. Auch Spa ist so eine einzigartige Strecke.

Macht das Austragungsland eines Grand Prix, etwa Australien als das Surferparadies schlechthin oder Bahrain als Wüstenstaat, für den Fahrer einen gewissen Reiz aus oder interessiert Dich als Neuling erst einmal nur die Strecke an sich?

Patrick Friesacher: Für mich ist nur die Strecke das ausschlaggebende, da ich mich zu 100% auf meine Arbeit konzentrieren muss.

Du hattest mit 17 Jahren einen schweren Unfall. Hat das irgendwelche Wunden hinterlassen?

Patrick Friesacher: Es war natürlich eine unangenehme Zeit. Denn acht Monate im Rollstuhl sind nicht wirklich angenehm. Ich musste wie ein kleines Kind wieder gehen lernen. Aber das Rennfahren musste ich nicht neu lernen. Das witzige war, dass ich sogar mit meinen Gipsfüßen wieder Kart gefahren bin. Viel zu verdanken habe ich aus dieser Zeit dem Willy Dungl, der mich wieder aufgepäppelt hat. Aber das ist Vergangenheit und vorbei. Höchstens wenn ich länger laufe spüre ich es noch!

Das gesamte motorsport-magazin.com-Team wünscht Dir eine tolle und erfolgreiche Saison. Wir halten Dir die Daumen! Der Cafe Latte hat geschmeckt und wir freuen uns auf die nächste exklusive Plauderstunde.

Auch Patrick bedankt sich artig und hinterlässt allen motorsport-magazin.com-Leserinnen und Lesern nette Grußworte:

Patricks Grußworte können Sie hier anhören (mp3-Format)