Nichts bewegt die Formel 1 derzeit mehr als die Reifen. Und zwar nicht nur im Bodenkontakt auf der Rennstrecke, sondern auch im übertragenen Sinne bei den Diskussionen und Meinungen zur neuen Reifenregel.

Begonnen haben diese dabei bereits im alten Jahr als Anthony Davidson nach den ersten Tests der neuen langlebigen Pneus erklärte, dass diese einen völlig neuen Fahrstil für die Saison 2005 erfordern würden. Schließlich müssen die Piloten nun sowohl das Qualifying – in welcher Form auch immer – als auch das komplette Rennen mit nur einem Reifensatz bestreiten und somit viel mehr mit ihren Gummiwalzen haushalten als dies bislang der Fall war. Einfach neue Gummis an der Box abzuholen, nur weil man einen "schlechten Reifensatz" – den es angeblich ohnehin nicht geben soll – erwischt oder man sich einen Bremsplatten eingefangen hat, ist also nicht mehr erlaubt.

Die Rennen sind erst vorbei, wenn die Flagge fällt

Nick Heidfeld geht jedoch davon aus, dass ihm dies "entgegenkommen" wird. "Wenn ich mir die letzten Jahre und meinen Fahrstil anschaue, dann habe ich die Reifen immer sehr geschont. Ich hatte noch nie einen Teamkollegen, der einen niedrigeren Reifenverschleiß als ich hatte", verriet Nick im Gespräch mit motorsport-magazin.com. "Von daher freue ich mich auf die neuen Regeln, da sie mir ganz stark entgegenkommen werde."

Während Nick sich also nur wenig umzustellen braucht, glaubt sein Teamkollege Mark Webber, dass die neuen Reifenregeln von den Fahrern eine "andere Mentalität" verlangen. "Und zwar im Bezug auf das Qualifying als auch das Rennen." Entsprechend würde nun "sehr viel Druck" auf den Fahrern lasten.

"In den letzten Jahren war das Rennergebnis meistens nach der ersten Boxenstopprunde entschieden, weshalb die Fans dann abschalten konnten", beschreibt Der Australier die Lage der letzten F1-Saisons. "Mit dieser neuen Regel wird das Rennen danach aber noch nicht vorbei sein. Die Rennen werden in diesem Jahr nicht vorbei sein, so lange sie nicht vorbei sind."

Unglaubliche Michelin-Reifen

Für den Spanier Fernando Alonso, der in der letzten Testwoche seinen ersten Test seit dem Saisonfinale absolvierte und somit erstmals mit den neuen Reifen in Berührung kam, stellen die neuen Regeln für seinen Reifenpartner Michelin kein Problem dar.

"Die diesjährigen Reifen haben auf den ersten zehn Runden eine progressive Abnutzung, da geschieht nichts urplötzlich", lobte Alonso nach den Valencia-Tests die "unglaublich" konstanten Pneus aus Clermont-Ferrand. "Aber danach behalten sie das gleiche Grip Level und nutzen sich nicht weiter ab. Es ist wirklich unglaublich."

Bei den Japanern von Bridgestone konzentriert man sich unterdessen nach dem erfolgreichen Vorbild des letzten Winters noch nicht auf die Performance und wählt erst die korrekten Konstruktionen und Mischungen für die neue Saison aus.

"Während der November und Dezember Tests konnten wir eine gute Basis für das Verständnis der Haltbarkeitscharakteristik legen", resümierte Technikmanager Hisao Suganuma. "Diese Woche testeten wir die Reifen, die dadurch entstanden waren. Wir konzentrierten uns darauf einen hochleistungsfähigen, haltbaren Reifen zu finden."

Reifenreglement wirft noch Fragen auf

Laut Toyotas Technikchef Mike Gascoyne müssen allerdings auch noch ein paar andere Antworten gefunden werden – nämlich jene auf brennende Reglementfragen. "Dürfen wir Reifen während eines Boxenstopps von der rechten auf die linke Seite wechseln oder zählt das auch als Reifenwechsel?", stellt Gascoyne eine von vielen Fragen in den Reglement-technisch vagen Raum. "Wenn man aufgrund eines Reifenschadens die Pneus wechseln muss, darf man dann nachtanken oder muss man das extra erledigen?"

"All dies sind Fragen die entstehen, wenn man neue Regeln entwirft", so Gascoyne, der diese Situation aber nur zu gut aus den vergangenen Jahren kennt. Denn auch hier wurden in der Vergangenheit des Öfteren neue unklare Regeln eingeführt, welche erst wenige Tage vor Saisonbeginn in seitenlangen Schreiben klarer definiert wurden.

Der Einfluss auf die Testfahrten

Aber nicht nur die Abläufe an den Rennwochenenden werden sich durch die neuen Reifenregeln verändern. Auch die Testfahrten bekamen durch das neue Reifenreglement ein neues Gesicht.

"Beim Testen geht es jetzt nur noch darum Runden und noch viel mehr Runden zu absolvieren", beschrieb Michael Schumacher nach seiner Testrückkehr in Barcelona die neuen Testfahrten 2005. "Auf eine gewisse Art ist es so, als ob man bei jedem Test nur noch Rennsimulationen macht."

Die Gründe dafür liegen aber nicht nur in den langlebigeren Reifen, die getestet werden müssen, sondern auch in der Zweiwochenend-Motorenregel, welche ebenfalls viele Testkilometer verlangt. "Dies führt dazu, dass wir nur noch Long Runs fahren. Es bedeutet, dass wir in Zukunft immer mehr Runden fahren müssen." Dem Gedanken der Kosteneinsparung und der Testbeschränkung kommt dies natürlich alles andere als entgegen – selbst da Pierre Dupasquier auch weiterhin darauf beharrt, dass Michelin keine speziellen Reifentests benötige.

Für Neo-Ferrari-Tester Marc Gené ist es deshalb völlig "normal" zwischen "100 und 120 Runden am Tag" zu drehen. "Wir sind nun für 20 Runden oder knapp 35 Minuten alleine auf der Strecke. Früher fuhren wir drei gezeitete Runden und kamen wieder in die Box um mit den Ingenieuren zu sprechen", beschreibt der Spanier die veränderten Testverhältnisse und Abläufe. "Dabei haben wir so viele Informationen von jedem Run, dass ich sofort wenn mir etwas auffällt dem Team über Funk bescheid gebe, da ich es ansonsten bis zur Rückkehr in die Box vergessen würde."

Formel 1 Fahrer müssen heutzutage also nicht nur schnell fahren und ein gutes Feedback geben können, sondern auch ein übernatürliches Gedächtnis besitzen...