Auch ein Formel 1-Bolide hat bekanntlich ein Gesicht – und das Regelwerk für die Autos der Generation 2005 scheint sich äußerst positiv auf die Vielfältigkeit und die Eigenständigkeit dieser Antlitze auszuwirken. Der Beschnitt der Aerodynamik respektive die vorgeschriebene Anhebung des Frontwings hat anscheinend für strömende Kreativität in den Designabteilungen der Formel 1-Teams gesorgt.

Nachdem im letzten Jahr McLaren und Williams mit ihren radikalen Lösungen quasi "auf die Nase" fielen, war zu befürchten, dass die Gesichter der 2005er-Boliden wieder, mehr oder weniger, einander gleichen könnten. Doch nach den ersten Neuvorstellungen darf der rote Alarm getrost wieder abgestellt werden…

Während der neue Sauber C24 mit einem "dreistöckigen" Frontflügel aufwartet, zeigt der heute in Barcelona vorgestellte B·A·R-Honda 007 frech die Zunge. Konstrukteur Geoff Willis hat beim Frontwing einen radikalen Weg gewählt. Im Bereich der Schnauze ist der Flügel stark nach unten hin ausgebuchtet - das alleine ist keine Neuheit, denn schon zuvor haben die Techniker diesen Bereich, in dem der Flügel nicht angehoben werden muss, genützt.

Doch von oben betrachtet erkennt man, dass der Frontwing zudem wie eine Schaufel oder Zunge im Bereich der Schnauze auch nach vorne verlängert wurde, Schnauze und Frontwing ragen über die Frontflügelendplatte hinaus. Aus der lächelnden "sexy Lady" 006 wurde also der Agent 007, der die Zunge zeigt – der Eindruck wird durch den roten Streifen sogar noch verstärkt…

Nick Fry: Der erste Sieg als Schritt in Richtung WM-Titel

Das freche Zungenzeigen passt auch gut zu den Vorsätzen des Teams – denn schon in Melbourne möchte man schlicht und einfach den Sieg. Vizemeister B·A·R-Honda startet in der kommenden Saison mit den Nummern 3 und 4, der erste Sieg wäre der nächste logische Schritt, immerhin lieferte B·A·R im letzten Jahr die bislang mit Abstand beste Performance der Teamgeschichte…

Der Mann, unter dessen Führung dieser wunderbare Aufstieg gelang, sitzt bekanntlich nicht mehr an der Kommandobrücke – Teamchef David Richards wurde von Nick Fry abgelöst, dieser erklärte im Rahmen der Präsentation: "Unsere Performance war im letzten Jahr sehr erfreulich – der zweite Platz in der Teamwertung war der Verdienst eines jeden einzelnen Mitarbeiters von B·A·R-Honda. Aber wir waren auch enttäuscht, dass wir kein Rennen gewinnen konnten. Und das hat nun der erste Schritt zu sein – in unserem Dreijahresplan, mit dem Ziel, die Weltmeisterschaft zu gewinnen."

Fry betonte, dass mit dem B·A·R-Honda 007 auch eine neue Ära in punkto Ressourcenverteilung zwischen B·A·R, British American Tobacco und Honda eingeleitet werde. Honda hat kürzlich 45 Prozent Anteile des Rennstalls übernommen – laut Fry ist das die "Formel, die Siege bringen wird".

Technikdirektor Geoff Willis erklärte: "Der 007 ist ein logischer Schritt – wir haben sowohl das bestehende Konzept verfeinert als auch neue Entwicklungen eingesetzt. Aufgrund der Stabilität des Technikerteams und der vermehrten Zusammenarbeit mit Honda konnten wir im Bereich von Motor, Chassis und Getriebe eine verbesserte Integration verwirklichen."

Reifen: Der 007 ist Michelin-optimiert

Ein wichtiges Detail sind natürlich die Reifen – im letzten Jahr stieg B·A·R von Bridgestone auf Michelin um, für viele einer der Gründe für den Quantensprung, welcher dem Team gelungen ist. Willis konnte aber erst den 007 so richtig auf die Reifencharakteristika der französischen Gummis abstimmen.

Neben dem Frontflügel wartet der neue B·A·R-Honda 007 mit weiteren Details auf. Ein deutlich schlankeres Heck, eine etwas längere Airbox, ein neuer Flügel an der Lufthutze, der weiter nach hinten gerückt wurde, stark überarbeitete Sidepods und wie bei allen Teams der neue kleinere Heckflügel. Und wie immer verstecken sich unter der Karosserie zahlreiche weitere Neuerungen – wie zum Beispiel die zweite Generation des Karbongetriebes.

Der Motor: Verbessertes Drehmoment für Raketenstarts

Neben der Aerodynamik musste auch B·A·R-Honda einen Motor entwickeln, der zwei Rennwochenenden hält. Wenn man an die zahlreichen Motorexplosionen an dem Wagen von Takuma Sato denkt, dürfte dies eine große Herausforderung für die Japaner gewesen sein, das Honda-Aggregat galt aber schon im Vorjahr als eines der stärksten.

Takeo Kiuchi, der Leiter des F1-Projekts von Honda, erklärte: "Dieses Mal konzentrierten wir uns auf drei Bereiche: Wir haben den Motor kompakter gemacht und den Schwerpunkt gesenkt, um die Performance des Gesamtpakets zu erhöhen. Wir haben das Drehmoment im Bereich von niedrigen bis mittleren Drehzahlen erhöht, um die Beschleunigung bei Starts oder aus engen Kurven heraus zu erhöhen. Und letztlich – das war die größte Herausforderung – war es unser Ziel, trotz der Zweiwochenendregel die Gesamtpower des Motors zu erhöhen."

Button: Der "heimgekehrte Ausreisser" ist motiviert…

Jenson Button, der schon vor der offiziellen Präsentation den Roll-Out des brandneuen Autos vorgenommen hatte, gab sich natürlich höchst motiviert und siegeslustig – dass er vor Monaten erklärte, dass er mit Williams eher seine Ziele erreichen könnte, ist heute kein Thema mehr. Button spricht aus, was bei der gesamten B·A·R-Präsentation mitschwingt: "2005 ist für B·A·R-Honda ein wichtiges Jahr. Wir müssen beweisen, dass unser Erfolg im letzten Jahr keine Eintagsfliege war." Man müsse "McLaren und Ferrari erneut herausfordern und mit ihnen um Podiumsplätze kämpfen" – später erklärt Button, er hoffe zudem, dass bald schon der erste Sieg gefeiert werden könne, am besten gleich in Melbourne. Die Tests mit dem Konzeptwagen jedenfalls haben Button zuversichtlich gestimmt – und auch der Brite betonte die noch engere Zusammenarbeit mit Reifenausrüster Michelin…

Takuma Sato erklärte: "Ich gehe in meine zweite Saison mit diesem Team und ich verfüge nun über mehr Erfahrung und Selbstbewusstsein, auch die Stabilität im Team wurde verstärkt. Klarerweise möchte ich mich verbessern. Mein Ziel muss lauten, weitere Podestplätze und eventuell meinen ersten Sieg zu schaffen."

Anthony Davidson hat sich bereits damit abgefunden, dass er auch im kommenden Jahr "nur" als Testpilot fungieren wird. Der Brite hat bereits viele Kilometer mit dem Konzeptwagen in 2005er-Konfiguartion absolviert: "Das Testen wurde körperlich anstrengender, da wir wegen der Motorenregel mehr Runden absolvieren mussten." Davidson zeigte sich in punkto Motorenhaltbarkeit aufgrund der Testfahrten zuversichtlich – sich selbst tröstet er mit den Worten: "Für das zweitbeste Team der Welt zu testen, ist eine großartige Möglichkeit, von der viele Fahrer träumen."

Schwieriges Jahr - B·A·R ist Jäger und Gejagter

Dass B·A·R-Honda im kommenden Jahr tatsächlich den ersten Sieg feiern könnte, ist aber alles andere als nur ein Traum. Ob es dem Team jedoch gelingen kann, am Jahresende die Nase vor Ferrari zu haben, scheint angesichts der jahrelangen Teamstabilität bei der seit Jahren siegreichen Scuderia fraglich zu sein.

Und so steht B·A·R-Honda in der Tat vor einem wirklich schwierigen Jahr: Denn nach Platz 2 in der Team-WM erwartet man im Vorstand logischerweise eine weitere Verbesserung oder zumindest keine Verschlechterung. Erwartet wird der erste Sieg. Erwartet wird, dass man zumindest den Vizemeister verteidigen kann. B·A·R ist also Jäger und Gejagter. Als Jäger hat man die unverwundbar wirkende Scuderia Ferrari vor Augen, als Gejagter lauern Renault, Williams und McLaren. Ein Schlüsseljahr…

Der B·A·R Honda 007 im Detail

Chassisbezeichnung 007
Chassis Kohlefaser-Monocoque
Dämpfer Koni
Bremsen Alcon
Räder BBS (vorne 312 mm, hinten 360 mm)
Reifen Michelin
Tankkapazität 150 Liter
Kraftübertragung B·A·R Gehäuse, Siebenganggetriebe, Honda & XTrac Innenleben
Radstand 3.140 mm
Länge 4.465 mm
Höhe 950 mm
Breite 1.800 mm
Spurweite vorne 1.460 mm
Spurweite hinten 1.420 mm

Technische Daten Honda RA004E

Motorbezeichnung RA004E
Zylinderzahl V10
Hubraum 3 Liter
Zylinderbanköffnungswinkel 90 Grad
Ventilanzahl 4 Ventile pro Zylinder
PS über 900
Drehzahl über 18.500
Einspritzsystem Honda PGM-FI
Zündung Honda PGM-IG