Christian, der Wechsel von Lotus-Teamchef Eric Boullier zu McLaren gilt als offenes Geheimnis und wurde bereits flächendeckend publiziert. Wie beurteilst du dies und welche Folgen könnte das für die beiden Teams haben?
Christian Danner: Als Ron Dennis wieder die Fäden bei McLaren in die Hand genommen hat war eigentlich klar, dass Martin Whitmarsh gehen muss. Ron Dennis ist komplett auf Sieg programmiert und alles andere ist für ihn reine Zeitverschwendung. Martin Whitmarsh war allerdings nicht der, der das Team zu Siegen und Titeln geführt hat. Natürlich kamen gleichzeitig mit Dennis' Rückkehr dann die Gerüchte auf, wer denn im Fall der Entlassung Whitmarshs nun die Rolle als Teamchef bei McLaren geben wird. Ron Dennis ist quasi umgehend auf Eric Boullier zugegangen, der bei Lotus in den vergangenen Jahren einen fantastischen Job gemacht hat. Dieser hat allerdings nicht sofort zugesagt, denn er fühlte sich bei Lotus pudelwohl, zudem lief die Entwicklung jüngst ja in eine wirklich gute Richtung. Jedoch war das Angebot von Dennis zu gut, um es abzulehnen. Da sich Boullier mit Lotus-Besitzer Gerard Lopez sehr gut versteht, gab es da kein wirkliches Hindernis, obwohl sich Lotus natürlich gewünscht hätte, dass er früher bescheid gegeben hätte. Bei McLaren ist nun wieder richtig Dampf im Kessel. Auch wurde das Ingenieurs-Departement personell aufgerüstet und sie lassen nichts unversucht, um wieder den Anschluss an die Spitze zu schaffen - eben typisch Ron Dennis. Lotus muss nun schnellstmöglich einen Nachfolger finden, um Ruhe einkehren zu lassen.

Lotus wird als einziges Team den Test in Jerez verpassen, hat nun aber zumindest das fertige Auto präsentiert. Allerdings ist durch den Weggang von Boullier nun wieder eine neue Scharte auszuwetzen. Wie bewertest du den aktuellen Status des Teams und die Aussichten für die Saison?
Christian Danner: Alles in allem muss man sagen, dass sich Lotus natürlich in einer besseren Situation befinden könnte. Jedoch sehe ich das alles nach wie vor noch nicht als sehr dramatisch an. Das Team arbeitet bereits mit Hochdruck an einer Lösung für das Teamchef-Problem und befindet sich meines Wissens nach unter anderem in Verhandlungen mit absoluten Hochkarätern. Solange wird Gerard Lopez diese Position interimsmäßig bekleiden. Dass Lotus den ersten Test verpasst sehe ich als nicht so schlimm an, denn ich gehe davon aus, dass der Jerez-Test ein Installations- und Systemtest ist und nicht wirklich in Richtung Performance geht. Aber dennoch ist es letztendlich natürlich besser, du fährst dort, als du fährst nicht dort. Da das Auto ja jetzt offensichtlich doch rechtzeitig fertig ist, verstehe ich die Absage nicht ganz, aber wahrscheinlich wäre der Aufwand nachträglich zu groß gewesen.

Ein großes Thema scheinen momentan die Nasen der neuen Boliden zu sein. Wie siehst du diese Entwicklung?
Christian Danner: Es gibt laut den führenden technischen Entwicklern drei bis vier Möglichkeiten, die Nase reglementkonform zu produzieren. Jedes Team hat seine eigene Interpretation des Ganzen und entsprechend können wir damit rechnen, bei den Fahrzeugpräsentationen viele verschiedene Versionen zu sehen. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass jedes Team für sich selbst verschiedene Optionen ausgeklügelt hat, und wohl erst nach den Testfahrten entscheidet, welche Nase denn nun am Besten zum Gesamtpaket passt. Man muss auch immer mit Täuschungsmanövern rechnen, um die Konkurrenz möglicherweise zu verwirren. Insgesamt sehen die Autos aufgrund des Technischen Reglements mit Ausnahme der Nasen denen des letzten Jahres doch sehr ähnlich. Das wirklich Revolutionäre befindet sich meiner Meinung nach eher unter der Verkleidung.