Felipe, wie hast Du von Deinem Rauswurf bei Ferrari erfahren?
Felipe Massa: In einem persönlichen Gespräch mit Stefano Domenicali in dessen Büro, am Dienstag nach Monza. Es war wirklich ein sehr freundschaftliches Gespräch. Ganz ehrlich war ich ja im Prinzip darauf vorbereitet, ich habe irgendwie schon erwartet, dass es in diese Richtung gehen würde. Viele Leute glauben ja, ich wäre jetzt wütend und traurig... Aber das stimmt nicht. Es ist ein Ende, aber es ist auch der Anfang von etwas Neuem. Das Leben geht weiter, es ist ein neuer Weg, eine neue Herausforderung, und ich denke, dass ich die richtige Richtung finden werde. Wenn man mich heute fragt, ob ich mit meiner bisherigen Karriere glücklich und zufrieden bin, dann sage ich ja. Sicher hätte ich gern eine WM für Ferrari gewonnen - ich war ja ganz knapp dran. Aber ich habe immer weiter gekämpft, Vertrauen in mich gehabt - und das wird auch weiterhin so sein.

Du hast gesagt, du hattest damit gerechnet. Gerüchte gab es ja in den letzten Jahren immer wieder, was hat dir das Gefühl gegeben, dass es diesmal ernst ist?
Felipe Massa: Ich glaube, es war so ein Punkt erreicht, wo alle etwas Neues brauchten. Das Team, ich - und ich akzeptiere das. Es könnte auch für mich etwas Gutes bringen, für die Zukunft, nicht nur für meine Zukunft in der Formel 1, von der ich ja noch nicht weiß, wie sie aussehen wird, auch wenn wir hart daran arbeiten. Aber die Zeit bei Ferrari, die ganzen Erfahrungen dort, die Freundschaften, die ich dort geschlossen habe, das bleibt - für immer. Und für all das bin ich Ferrari sehr dankbar.

In Monza hast Du gesagt, es gäbe nicht viele Fahrer, die einen besseren Job machen könnten als Du. Verstehst Du trotzdem die Entscheidung von Ferrari für Kimi?
Felipe Massa: Ja, sicher. Kimi ist ein ganz toller Fahrer. Mich gegen jemand anderen auszutauschen, der nicht diese Qualitäten hat, das wäre etwas schwieriger zu akzeptieren gewesen. Aber Kimi ist wirklich exzellent, war schon Weltmeister, hat auch in diesem Jahr Rennen gewonnen. Ferrari hat nächstes Jahr sicher eine exzellente Fahrerpaarung.

Siehst Du diese Entwicklung sogar ein bisschen als Befreiung an, kannst Du in Zukunft vielleicht gelöster und glücklicher sein?
Felipe Massa: Vielleicht schon, ja. Es kann eine Befreiung sein, neue Wege zu suchen, etwas zu verändern. Viele Leute haben mich für viele Situationen, wie es sie in den vergangenen Jahren bei Ferrari gegeben hat, kritisiert, haben mehr erwartet. Aber ich weiß, was möglich war, aber auch, was für ein Fahrer ich bin, dass ich das Talent habe - was ich oft genug bewiesen habe. Es könnte tatsächlich wichtig sein, noch einmal einen anderen Weg zu gehen und dadurch erst recht noch mal zu zeigen, was ich vielleicht bis jetzt nicht immer zeigen konnte.

Viele, die in der Formel 1 genauer hinschauen, sagen, dass Du wirklich kein schlechter Fahrer bist. Trotzdem war in den letzten drei Jahren der Punkteabstand zwischen Dir und Alonso immer sehr, sehr groß. Woher kommt das?
Felipe Massa: Es ist vieles passiert. In einem Jahr hatte ich wirklich Probleme, mit den Reifen zurecht zu kommen, letztes Jahr war dann die erste Hälfte wirklich schlecht, die zweite aber dann viel besser als erwartet, da habe ich dann in einigen Rennen Fernando geholfen, sonst hätte ich schon einige Punkte mehr gehabt. In dieser Saison ist der Punkteabstand viel größer als er eigentlich sein sollte, weil ich öfters nicht ins Ziel gekommen bin, was aber nicht immer an mir lag. Meine Performance im Vergleich zu ihm war gerade dieses Jahr über die ganze Saison gesehen nicht so schlecht. Aber ich glaube, dass ich noch viel zu zeigen, zu demonstrieren habe - und darauf vertraue ich.

Viele reden von dir bei Lotus - aber das Team hat im Moment finanzielle Probleme. Nun bist Du keiner, der an Türen klopft, um Geld zu finden - aber könnte der brasilianische Markt für einen potenziellen Arbeitgeber nicht trotzdem interessant sein?
Felipe Massa: Sicher... Was ich will, ist das bestmögliche Auto, einfach nur dabei zu sein in der Formel 1, um des Dabeiseins Willen, das interessiert mich nicht. Das habe ich oft genug gesagt, und ich werde meine Einstellung da nicht ändern. Ich werde nicht für irgendein kleines Team fahren, da mache ich lieber etwas anderes. Ich will ein konkurrenzfähiges Auto finden. Und das ist möglich - es gibt Plätze. Und daran arbeiten wir. Was passieren wird, weiß ich noch nicht. Aber es stimmt schon, es gibt Teams, die finanzielle Unterstützung brauchen. Das heißt jetzt nicht, dass ich eigenes Geld mitbringen würde, das würde ich nie tun.

Ich bin Profi, habe mit dem Rennfahren immer Geld verdient - und das wird auch in Zukunft so sein. Aber ich habe gute Beziehungen in Brasilien, es gibt dort auch Unternehmen, die globales Marketing betreiben wollen. Das ist jetzt nicht nur für mich persönlich wichtig, sondern für Brasilien insgesamt, den brasilianischen Rennsport - denn der ist im Moment an einer Grenze... Ich werde deshalb in Zukunft auch versuchen, in Brasilien dafür zu arbeiten, dass es dort wieder Nachwuchspiloten gibt, die unser Land entsprechend repräsentieren können. Denn im Moment ist unser Rennsport in einer tiefen Krise. Da müssen wir uns zusammentun, um das zu verbessern. Und ich bin bereit, meinen Beitrag dazu zu leisten. Wie gesagt, ich glaube, ich habe noch viel zu geben - wir müssen nur den richtigen Weg finden.

Wenn Du von konkurrenzfähigen Teams für dich sprichst, bleibt außer McLaren - wo wahrscheinlich kein Platz frei wird - und Lotus nicht viel übrig, oder? Vor allem, weil Du ja mal gemeint hast, dass Du darunter auch siegfähig verstehst?
Felipe Massa: Na ja, es gibt schon noch Teams, die zumindest die Infrastruktur und die Möglichkeit dafür hätten. Force India, Sauber, Williams...

Nächstes Jahr ist durch die Reglementänderungen sehr wenig berechenbar. Erweitert das Deine Möglichkeiten ein bisschen - weil eben auch mal andere Teams überraschend vorn sein könnten?
Felipe Massa: Das schon, ja, aber es muss schon ein Team sein, bei dem ich heute daran glaube, dass morgen auch etwas dabei herauskommt. Auf reine Hoffnung auf irgendetwas Unwahrscheinliches lasse ich mich nicht ein.

Hast Du ein Zeitlimit für eine Entscheidung?
Felipe Massa: Ich hoffe, dass die Dinge bis Jahresende geklärt sind. Ich werde nicht um jeden Preis um einen Platz in der Formel 1 betteln. Ich möchte alle Möglichkeiten abklären und die bestmögliche Chance nutzen, aber wenn das nicht geht, dann suche ich mir einen anderen Weg. Ich will auf jeden Fall weiterfahren - und es gibt ja auch noch andere Serien. Ich habe bis jetzt noch nicht im Detail darüber nachgedacht, weil ich mich erst einmal mit der Formel 1 beschäftige. Aber die DTM ist zum Beispiel etwas, was mich interessiert. Dass ich in die USA gehen und Indy fahren würde, glaube ich aber eher nicht. Aber wie gesagt, erst mal konzentriere ich mich drauf, in der Formel 1 zu bleiben. Sollte das nicht klappen und es dann auch zu spät sein, in einer anderen Serie unterzukommen, kann ich ja auch ein Jahr Pause machen und das Leben genießen...