Der Große Preis von Deutschland sorgte heuer für den einen oder anderen Zwischenfall, Chaos und eine Menge Spannung ob der rasanten Action auf der Piste. Besonders die Schlussrunden hatten es in sich - das Publikum in der Eifel konnte sich kaum noch auf den Sitzen halten, musste sich Lokalmatador Sebastian Vettel vor seinem lang ersehnten ersten Heimsieg doch erst einmal einer flotten Lotus-Doppelspitze erwehren. Das lag zum einen an doch recht umfangreichen Updates der Mannen aus Enstone, zum anderen natürlich an den im Anschluss an die Reifenplatzer von Silverstone stark modifizierten Pirelli-Pneus, die letztendlich die eine oder andere taktische Spielerei mit der Strategie förderten. Ein weiterer Grund für das enge Finish war auch das Safety-Car, denn erst dadurch wurde das Feld wieder zusammengeschoben und somit in die Ausgangsposition für eine der besten Strategieschlachten der bisherigen Saison gebracht.

Bei Ferrari schwamm man schon vor dem Start gegen den Strom, Foto: Sutton
Bei Ferrari schwamm man schon vor dem Start gegen den Strom, Foto: Sutton

Ein Faktor war in Deutschland auch das hierzulande so lang vermisste Sommerwetter, das pünktlich zum Grand Prix am Nürburgring jedoch auftrat - und das bereits am Freitag im Training, wodurch sich den Teams die Möglichkeit bot, die neuen Pirelli-Spezifikationen genau unter die Lupe zu nehmen und zu evaluieren. Dabei zeigte sich früh: Der weiche Reifen war teilweise bis zu anderthalb Sekunden schneller pro Runde als die härtere Mischung. Genauso stach den Technikern aber ins Auge, dass dafür sein Leistungsabfall recht schnell war, weshalb die Hochrechnungen auf die Länge des ersten Stints im Rennen zunächst nicht mehr als sechs bis acht Runden lauten konnten. Bei Ferrari sah man sich daher aufgeschreckt und wählte schon für das Qualifying eine ganz andere Strategie als die übrigen Rivalen, setzte man doch für das Zeittraining und damit verbunden auch für den Rennstart auf die härteren Pneus, wodurch man eine bessere Platzierung in der Startaufstellung opferte.

Spannung vorab garantiert

Für ein spannendes Rennen war damit bereits vorab alles angerichtet, doch auf Grund Ferraris mangelnder Pace bei Alonso und dem frühen Wegfall Massas nach seinem Abflug in Kurve eins, verwandelte sich der Kampf um die Spitze schnell in ein reines Duell zwischen Red Bull und Lotus, da auch Pole-Mann Lewis Hamilton bereits am Start zurückfiel und mit Mercedes' anhaltenden Reifenproblemen nicht als ernstzunehmender Siegkandidat gewertet werden konnte. Am Ende lief es somit auf einen Dreikampf zwischen Leader Vettel, Romain Grosjean und Kimi Räikkönen hinaus. Alle drei Piloten starteten auf der weichen Reifenmischung, wobei die hohen Temperaturen am Rennsonntag Lotus entgegenkamen. Grosjean wiederum brachte sich selbst erst in den Kampf um den Sieg, indem er auf einen besonders langen ersten Stint über 13 Runden und den die Reifen bestens schonenden E21 setzte.

Die Bianchi-Aktion würfelte strategisch viel durcheinander, Foto: Sutton
Die Bianchi-Aktion würfelte strategisch viel durcheinander, Foto: Sutton

Lotus' Plan sah es anschließend vor, Vettel durch die eigenen Aktionen zum Reagieren zu zwingen, sprich früher an die Box zu kommen, sodass man den Deutschen im Sinne des Coverns dazu veranlasste, selbst sofort die Reifen zu wechseln und als Konsequenz daraus schließlich hinten heraus einen längeren Stint und somit Reifenprobleme für den Red-Bull-Fahrer zu provozieren. Diese Taktik wurde zumindest zum Teil jedoch durch das Safety-Car durchkreuzt, das in Runde 24 auf die Strecke kam und den herrenlos rückwärts rollenden Marussia von Jules Bianchi als Grund hatte. Dadurch kamen fast alle Piloten geschlossen zu ihren nächsten Stopps an die Box, da sie andernfalls nach der Safety-Car-Phase große Probleme bekommen hätten, auf alten Pneus die frisch bereiften Autos hinter sich zu halten, die zudem durch den Boxenaufenthalt kaum Zeit verloren hatten.

Anschließend war durch die kollektiv vorgezogenen Reifenwechsel jedoch auch klar, dass es für alle unter normalen Umständen nun ein Rennen mit drei Stopps werden würde. Vettel half das jedoch, die Länge seiner Stints besser einzuteilen, ohne dass er in Schwierigkeiten geriet. Letztendlich stoppte Grosjean in Runde 40 einen Umlauf vor Vettel - da der Franzose aber zu diesem Zeitpunkt im Vergleich um eine Sekunde zurückgefallen war, konnte er seinem deutschen Kontrahenten nicht den Rang ablaufen. Das rief unweigerlich Räikkönens Chancen auf den Plan: Der Finne war beim ersten Stopp bereits in Runde acht hereingekommen, also wesentlich früher als Teamkollege Grosjean. Als Konsequenz seines frühen ersten Stopps verlor er im Verkehr hinter Rosberg aber wertvolle Zeit, die ihn am Ende im Kampf gegen Vettel viel hätte kosten können.

Safety-Car hilft & schadet zugleich

Endlich vorbei & auf P2: Doch für Räikkönen war es zu spät, Foto: Sutton
Endlich vorbei & auf P2: Doch für Räikkönen war es zu spät, Foto: Sutton

Im zweiten Stint büßte er gegenüber dem Deutschen so zunächst zehn Sekunden ein - gerettet wurde der Ex-Champ dann durch das Safety-Car, das den Rückstand des Finnen wieder nihilierte. Anschließend zog man bei Lotus sogar kurzzeitig in Betracht, Räikkönen bis ins Ziel auf seinem härteren Reifensatz durchfahren zu lassen. Zwölf Runden vor Schluss hatte er auf Vettel 15 Sekunden Vorsprung, da der Lokalmatador zu diesem Zeitpunkt schon seinen dritten Stopp absolviert hatte. Da Räikkönens Reifen zu diesem Zeitpunkt aber schon zu alt waren und er sonst über 30 Runden auf dem Satz hätte fahren müssen, verwarf man diesen Plan wieder, holte ihn spät doch noch zu einem Stopp herein und setzte fortan auf die Taktik, mit der weicheren Mischung der Spitze auf den härteren Pneus in den verbliebenen Runden einzuheizen. Einmal mehr bewahrheitete sich hier jedoch der alte Sinnspruch in der F1: Heranfahren ist die eine Sache, Vorbeikommen eine ganz andere...

Acht Runden länger als Vettel war der Lotus-Pilot auf der Strecke geblieben - elf Runden lang konnte er auf den weichen Pneus bis ins Ziel attackieren. Für Lotus war das nach den Trainingseindrücken die perfekte Rundenanzahl und ein gutes Fenster für den Wechsel, denn mehr als elf Runden und die Pace hätte bereits wieder umschlagen können. Schon am Freitag hatte sich gezeigt, dass Räikkönen an einem größeren Verschleiß litt als Teamkollege Grosjean. Diesen schnappte er mit seinem starken Speed im Schlussstint recht schnell - auch dank der Mithilfe vom Kommandostand, der Grosjean, der zu diesem Zeitpunkt nur noch minimale Siegchancen besaß, anwies, den schnelleren Lotus-Piloten vorbeizulassen. In Räikkönens Fall ging es sich mit dem Sieg am Ende jedoch auch nicht mehr aus - zu dem Zeitpunkt, als er endlich auf P2 lag und Vettel vor sich hatte, waren seine weichen Reifen schon nicht mehr in dem Zustand, den er benötigt hätte, um dem 26-Jährigen seinen Heimsieg wirklich noch streitig zu machen.

Kurios aber wahr: Das Safety-Car half Vettel trotz eingebüßtem Vorsprung, Foto: Sutton
Kurios aber wahr: Das Safety-Car half Vettel trotz eingebüßtem Vorsprung, Foto: Sutton

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass das Safety-Car, obwohl es Räikkönen half, den hinter Rosberg im Mittelstint eingefangenen Rückstand zu pulverisieren, seiner Rennstrategie eher schadete als half. Hätte es keine Neutralisation und damit die vorgezogenen zweiten Boxenstopps gegeben, hätte der Finne auf seinem ersten harten Reifensatz viel länger fahren und es anschließend tatsächlich mit nur zwei Stopps probieren können - für Grosjan galt das gleiche Szenario, weshalb der Grand Prix auf dem Nürburgring durchaus auch mit einem Lotus-Doppelsieg hätte enden können. Das Überraschungsmoment, das Lotus mit seinem die Reifen besser als die Konkurrenz schonenden E21 als Ass im Ärmel gehabt hatte, wurde ihnen durch die gefährliche Aktion mit Bianchis Marussia zunichte gemacht.

Ferrari im Glück

Bei Ferrari musste man derweil nach zwei Rennen auf dem Podium ohne Pokal aus der Eifel abreisen. Alonso wurde Vierter, knapp hinter Grosjean - am Ende ging sein später Reifenpoker genauso wenig auf wie der von Räikkönen im Vergleich zu Vettel. Der Vorteil von Ferraris andersartiger Strategie bestand in erster Linie in den Anfangsrunden, nach dem ersten Stopp der Starter auf den weichen Reifen. Während diese weiter hinten teilweise im Verkehr steckten, konnte Alonso frei fahren - so lautete zumindest der Plan im Vorfeld. Auch ging man davon aus, dass die weichen Pneus noch schneller abbauen würden und die härtere Mischung über einen Stint verteilt damit die bessere Lösung sei. Schlussendlich ging das aber nicht auf, weil Ferrari die mittlere Reifenmischung zu Beginn nicht genügend auf Temperatur brachte.

Alonso kämpfte - doch das Podium blieb ihm diesmal verwehrt, Foto: Sutton
Alonso kämpfte - doch das Podium blieb ihm diesmal verwehrt, Foto: Sutton

Da Alonso am Anfang auf P8 fuhr und auch hinter Daniel Ricciardo im Toro Rosso feststeckte, änderte man die Strategie und holte den Spanier schon in Runde zwölf erstmals rein - daran gemessen, dass der Asturier auf den harten Pneus fuhr, aber Grosjean, der auf weich startete, trotzdem eine Runde länger draußen blieb und erst nach 13 Umläufen seinen Reifenwechsel absolvierte, ein taktisches Desaster für die Roten. Somit war Ferraris Plan von Anfang an in seinen Möglichkeiten beschnitten. Zwar war Alonso im letzten Stint auf den weichen Reifen der schnellste Mann und fuhr somit wieder an die Lotus-Piloten heran - dass die Strategie der Scuderia augenscheinlich aber doch noch ganz gut aufging, war vor allem dem Safety-Car geschuldet, das die Lücke nach vorne wegwischte... zuvor hatte Alonso auf Vettel nämlich schon gut 20 Sekunden Rückstand, die man rein auf der Strecke wohl nicht mehr reinbekommen hätte.