Vettel-Dominanz & Lotus-Strohfeuer - Fan-Forum: Der Kanada GP aus Sicht der User

Motorsport-Magazin.com lässt die Leser zu Wort kommen: In der neuesten Ausgabe des Fan-Forums dreht sich natürlich alles um den Großen Preis von Kanada. Jetzt gleich lesen & mitdiskutieren!

Vettel-Dominanz: In Kanada eine Klasse für sich

Fährt Sebastian Vettel der Konkurrenz auf und davon? Ist die Kombination Vettel/ Adrian Newey auch in diesem Jahr wieder eine Nummer zu groß für die Konkurrenz? Wie wahrscheinlich ist eine Wende wie im Vorjahr, als Fernando Alonso den WM-Titel noch einbüßte? Ist der Spanier der einzig verbliebene Herausforderer?

Kleriker: Kanada kam Red Bull sehr entgegen, genau wie die Strecke Mercedes entgegen kam. Beide Teams hatten viel weniger mit dem Reifenverschleiß zu kämpfen als in Barcelona. Montreal ist eine ähnlich spezielle Strecke wie Monaco. Der Asphalt ist glatt und es gibt keine Kurven mit hohen Fliehkräften. Aber trotz allem war Ferrari nicht so weit weg von der Leistung, die Red Bull gezeigt hat.

Fernando hat das Rennen schon am Samstag verloren. Mit einem Startplatz in Reihe eins oder zwei wäre der Kampf um den Sieg sicher viel interessanter gewesen. Die Roten haben es neben Force India am Besten geschafft, ihr reifenschonendes Auto an die für sie eher ungünstigen Bedingungen anzupassen. Red Bull und Mercedes haben mehr oder weniger davon profitiert, dass ihnen Strecke und Temperaturen entgegen kamen.

Es bleibt abzuwarten, wie das Kräfteverhältnis in Silverstone bei hoffentlich sommerlichen Temperaturen aussieht. Dann kann man eher sehen, welches Fahrer-Auto-Paket das Stärkere ist. Mein Tipp ist nach wie vor Fernando, auch wenn der Newey-Faktor nicht zu verachten ist. Wer freitags einen neuen Flügel konstruiert, ihn bauen lässt und damit am Samstag das Auto massiv schneller macht, hat meinen absoluten Respekt.

Sebastian hat in Kanada eine vergleichbare Leistung abgeliefert wie Fernando in Spanien. Aber er hat den Vorteil, dass er schon ein paar Punkte enteilt ist. Es könnte also gegen Ende noch einmal spannend werden, wenn alles normal verläuft. Jemand anderes wird sicher nicht mehr in den Titelkampf eingreifen können.

SKY KeepRacingRacer: Ich denke, dass man in der ersten Hälfte nicht von einer Dominanz sprechen kann, da die Karten auf jeder Strecke mit unterschiedlichen Reifenmischungen bei verschiedenen Temperaturen neu gemischt werden. In Spanien war Alonso im Rennen 40 Sekunden vor Vettel, in Kanada hätte dieser wahrscheinlich einen ähnlichen Vorsprung herausfahren können.

Es ist anzunehmen, dass Red Bull - bei solch einer heftigen Kritik an Pirelli - die Reifenproblematik wohl kaum in so einem kurzen Zeitraum lösen konnte. Vettel besticht dieses Jahr eher mit Konstanz, was Alonso letztes Jahr ausgezeichnet hat. Von daher sieht der Vorsprung von Vettel deutlicher aus, als er auf der Strecke tatsächlich war.

Für die zweite Saisonhälfte muss man aber einen Alleingang befürchten, wenn die Konkurrenz in den nächsten Rennen weiter unnötig an Boden verliert. Vettels Paradestrecken und die des Red Bulls kommen erst in den Asienrennen. Dort war es in den letzten Jahren nahezu unmöglich, Punkte gutzumachen. Apropos Konkurrenz: Wenn wir ehrlich sind, dürfte das eigentlich nur Fernando Alonso sein. Über eine Saison hinweg konnten Mercedes und Lotus nie das Entwicklungstempo mitgehen. Und sofern die Teams die Reifensituation besser in den Griff bekommen, sieht es nicht mehr so rosig für Räikkönen aus. Um die Frage abschließend zusammenzufassen: Einen 39-Punkte-Vorsprung, wie ihn Alonso seinerzeit 2012 hatte, würde Vettel sich ab den Asienrennen nicht nehmen lassen.

Korty: Wie ich vor Wochen schon geschrieben hatte, wird Adrian Newey schon die richtigen Maßnahmen treffen, um den RB8 in Europa wieder zum besten Paket zu machen. Dass Red Bull wieder top ist, zeigt die Tatsache, dass auch Webber schnell damit ist. Fernando wird, obwohl er der komplettere Fahrer ist, wieder das Nachsehen haben. Gegen Neweys aerodynamische Fähigkeiten ist kein Kraut gewachsen. Mich würde es überraschen, wenn die WM noch einmal kippen würde. Mit dem Auto kann Vettel nicht viel falsch machen, wenn Newey den Reifenverschleiß in den Griff bekommen hat.

Lotus-Absturz: Drei Punkte aus zwei Rennen

Ist die Performance von Lotus ein Indiz dafür, dass die Truppe aus Enstone den Anschluss verliert? War der gute Start nur ein Strohfeuer? Ist der Reifen-Vorteil aus der Anfangsphase der Saison bereits aufgebraucht? Oder hat sich Lotus diesmal bei der Strategie verpokert? Wie sieht es mit den WM-Chancen von Kimi Räikkönen aus? Bleibt er bei Lotus, wenn er nicht den Titel gewinnt?

Kleriker: Kanada ist für Lotus auf Grund der Streckencharakteristik ein schwieriges Pflaster gewesen. Aber trotz allem ist kein Fortschritt zu erkennen. Lotus hat sich nicht verpokert, sie wirkten ideenlos und haben einfach auf Altbewährtes - weniger Boxenstopps - gesetzt. Nur Paul di Resta hat eine Einstopp-Strategie erfolgreich umgesetzt, alle anderen sind damit gescheitert. Dazu kamen technische Probleme bei Kimi. Dass er wieder Punkte gesammelt hat, war etwas Glück, hat aber auch wieder seine Qualität als Fahrer gezeigt.

Nach zwei so speziellen Rennen ist es vielleicht zu früh für eine Prognose. Zieht man aber den Abgang von Allison, die massiven Geldprobleme und einen Fahrer, der immer wieder durch Ausritte auffällt und zumindest Streckenzeit und Erfahrung kostet, zusammen, ist es schwierig zu glauben, dass man mit der Spitze mithalten kann. Lotus muss sich wohl eher in Richtung Mercedes und deren Fahrer orientieren, als an die Titel zu denken. Kimi hat ja schon gesagt, dass er nicht ewig in der Formel 1 bleiben will. Will er noch einen Titel gewinnen, muss er wechseln, wenn er die Chance dazu hat. Lotus wird sich nächstes Jahr gesund schrumpfen müssen, wenn man noch ein paar Jahre in dem Zirkus mitmischen möchte. Da werden die Titel wieder etwas weiter außer Reichweite rücken.

SKY KeepRacingRacer: Egal, welch starken Eindruck Lotus zu Beginn eines Jahres macht, zu den Titelkandidaten kann ich sie nicht so wirklich zählen. Das liegt daran, dass sie den technischen Entwicklungsmarathon der finanziell starken Teams nie mitgehen können. Und genau das scheint mir gerade wieder der Fall zu sein. Ab einem gewissen Zeitpunkt reicht ein reifenschonendes Auto nicht mehr. Kanada hat Lotus in diesem Punkt die Grenzen aufgezeigt, weil die meisten Teams locker mit zwei Stopps durchgekommen sind.

Räikkönen mit nur einem durch das Rennen zu bringen, hat keinen solch eklatanten Erfolg mehr wie beim Rennen in Barcelona, bei dem die Konkurrenz vier Mal zum Service musste. Die Pneus haben wegen der Verbesserungen bei den Teams länger gehalten. Für die nächsten Rennen heißt das, dass man auf Pirelli und den Abnutzungsgrad der Reifen angewiesen ist. Demnach kann Räikkönen aus eigener Kraft nicht um den WM-Titel fahren, denn es stellt sich momentan wieder der Zyklus ein, dass Red Bull und Co. mit den Reifen haushalten kann beziehungsweise dass Pirelli einknickt und die härteren Reifen zu den Rennen schickt.

Korty: Auch hier möchte ich auf meine Aussagen von vor mehreren Wochen verweisen. Ich habe Lotus von vornherein nicht als direkten Titelanwärter gesehen und angemerkt, dass sie zu schwankende Leistungen zeigen. Dies zeigt sich immer deutlicher. Der Lotus ist zu anfällig für Temperaturen und gewisse Streckencharakteristika. Da hilft dann auch ein solcher Ausnahmekönner wie Kimi nichts mehr. Lotus wird auch im restlichen Saisonverlauf immer mal wieder überraschen, mehr als Platz drei in der Fahrer-WM ist aber nicht drin.

McLaren-Krise: Erstmals seit 64 Rennen ohne Punkte

Bekommt die Truppe aus Woking in diesem Jahr noch die Kurve? Was ist wahrscheinlicher: Dass Sergio Perez und/oder Jenson Button in diesem Jahr noch einen Sieg/einen Podestplatz feiern - oder der Absturz ins graue Mittelfeld? Sollte sich das Team eingestehen, dass es sich bei der Konstruktion des neuen Autos verpokert hat und der Fokus bereits auf das kommende Jahr gelegt werden? Welche Rolle spielen die prominenten Abgänge (Paddy Lowe/ Lewis Hamilton)?

Kleriker: Oh je, McLaren. Für mich als Fan der beiden britischen Traditionsrennställe ist es gerade wirklich nicht einfach. Aber wie heißt es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt. McLaren hat in jedem Jahr Rennen gewonnen, von daher ist auch weiterhin eine begründete Hoffnung vorhanden, dass es dieses Jahr noch klappt. Ich denke, ab Silverstone kann man auch hier besser abschätzen wohin die Reise geht. Allgemein häufen sich aber die Mängel bei dem sonst so perfekt arbeitenden Team. Das beunruhigt mich schon etwas. McLaren entwickelt seit letztem Jahr nicht mehr mit der Schnelligkeit und der Trefferquote, für die sie eigentlich bekannt sind.

Der Absturz ins Mittelfeld ist schon passiert. Als 6ter hat man 5 Teams vor sich und 5 dahinter. In Reichweite ist real nur noch Force India, Gefahr droht maximal von Torro Rosso. P7 in der Wertung wäre für sie eine mittlere Katastrophe, P5 nicht viel besser. Allerdings steht der Goldtopf am Ende des Regenbogens auch nicht in Woking und sie brauchen mittlerweile jedes Pfund an Einnahmen.

Eine Rückkehr zum MP4-27 ist wohl keine Option mehr - die Entwicklung einstellen aber auch nicht. Man muss jetzt sehen, dass man vielleicht noch an Force India vorbei kommt, und schon damit beginnen, sich auf 2014 vorzubereiten. Das nächste Jahr wird durch den eingeschränkten Support von Mercedes kein einfaches Jahr, da macht eine intensivere Vorbereitung sicher Sinn.

Haben die Abgänge von Lewis und Paddy dem Team geschadet? Definitiv! Lewis war immer in der Lage, mehr aus dem Auto heraus zu holen als Jenson. Damit hätte man sicher aktuell mehr Punkte auf dem Konto. Auch hat sich das Team immer eher nach Lewis gerichtet, was die Entwicklung anging. Bei Jenson wurde dann nachgebessert, wenn das Update nicht funktionierte. Jetzt muss man sich völlig neu orientieren. In diesem Jahr stellt sich die Frage nach den Teamchef-Fähigkeiten von Martin Whitmarsh und der Personalie Sam Michael deutlicher denn je. Mal sehen, wie die Bewertung von Ron Dennis ausfällt.

SKY KeepRacingRacer: McLaren kann den Anschluss an die Spitze aus eigner Kraft nicht mehr finden - und folglich auch keine Podestplätze feiern. Doch von "Verpokern" kann nicht die Rede sein. Als man vor dem Monza-Wochenende 2012 die Entwicklungsrichtung für den neuen Boliden vorgeben musste, hat man die Situation schlichtweg falsch eingeschätzt. Man dachte, das damalige Auto hätte kein Potenzial mehr für die kommende Saison.

Mit den Abgängen von Lowe und Hamilton hat das also nichts zu tun. Diese Personen hätten höchstens dazu beisteuern können, wieder die Kurve zu bekommen. Trotzdem ist die Truppe aus Woking durch die Abgänge insgesamt geschwächt worden. Außerdem scheint Whitmarsh keiner zu sein, der die Briten aus der Krise ziehen kann, genauso wenig wie Perez, der Hamilton nicht halbwegs ersetzen kann. Für die Zukunft traue ich McLaren nicht allzu viel zu. In dieser Saison - je nach Strecke - vielleicht ab und an einen siebten oder achten Platz.

Korty: McLaren sucht immer noch nach der richtigen Abstimmung mit den neuen Aufhängungen. Ferrari ist diesem Geheimnis deutlich schneller auf die Schliche gekommen, was aber auch an Alonso gelegen haben kann. Button gilt nicht als der große Inputgeber unter den Fahrern und Perez hat mehr als genug mit sich selbst zu tun. Lewis Hamilton hat mit dem Wechsel zum Mercedes-Werksteam alles richtig gemacht und fehlt der Truppe aus Woking deutlich als Fahrer, der das Team pusht. McLaren wird es schwer haben, noch einmal auf das Podest zu kommen, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert.

Wollt auch Ihr bei unserem nächsten Fan-Forum nach dem England GP dabei sein? Dann sendet uns doch eure Bewerbung in den Kommentaren unter dem Artikel. Einfach kurz beschreiben, was euch als F1-Experten auszeichnet, warum Ihr gerne mitmachen würdet und was ihr vom bisherigen Geschehen in dieser Saison haltet. Wir kommen dann auf euch zurück... viel Erfolg!