Du warst gestern so optimistisch - was ist heute passiert?
Bruno Senna: Das Feeling von den Reifen her war heute früh schon viel schlechter als gestern, da war das aber bei unseren beiden Autos so. Das ist schwer zu erklären, sicher schwer zu verstehen für alle, die noch nie in so einem Auto gesessen und das gespürt haben. Es ist gar nicht die Balance an sich, es ist das Feedback, dass der Reifen gibt. Am Freitag hat sich das toll angefühlt, beim Einlenken war es so, als ob das Auto vorne auf der Straße kleben würde. Heute früh war es dann schon um einiges schwammiger. Nachmittags im Q1 dann etwa so wie am Vormittag, aber da dachte ich eigentlich auch noch, dass es einigermaßen gehen musste, die Runde mit den weichen Reifen war eher auf Sicherheit, ich war ganz gelassen und ruhig. Ich dachte zwar nicht, dass ich auf Pole fahren könnte oder so was, aber irgendwo im Bereich von Pastor.

Und dann?
Bruno Senna: Dann ging bei mir im Q2 auf einmal gar nichts mehr, das Gefühl war völlig weg, der Reifen hat einfach nicht mehr gegriffen. Es war nicht mal so, dass ich große Fehler gehabt hätte, es ging einfach nicht viel mehr. Wir haben die zwei Runden auf der Telemetrie aufeinander gelegt, da war nicht viel Unterschied, mal eine Kleinigkeit hier, eine Kleinigkeit da. Bei Pastor ging es in die gegenteilige Richtung, da hat das Auto plötzlich einen solchen Sprung nach vorne gemacht, dass er und seine Ingenieure selber völlig überrascht waren, was da auf einmal ging, wie viel Stabilität da war.

Direkt nach dem Qualifying hast du gemeint, vielleicht seist du im Setup zu vorsichtig gewesen, im Vergleich zu Pastor zu sehr auf Reifen schonen für das Rennen gegangen...
Bruno Senna: Ja, aber nachdem wir das alles jetzt nochmal analysiert, verglichen und ausgewertet haben, kann es das eigentlich nicht gewesen sein. Es hätte mich ja auch überrascht, wenn das so einen großen Unterschied gemacht hätte. Denn die Unterschiede in diesen Bereichen sind an sich minimal...

Hast du so was früher schon erlebt?
Bruno Senna: Letztes Jahr hatte ich das umgekehrt, in Brasilien und in Singapur, da ist dann mein Auto plötzlich, ohne dass wir genau wussten, warum, im Qualifying auf einen Schlag deutlich besser geworden - und da habe ich dann Petrov jeweils eine Sekunde gegeben und der hatte keine Ahnung, was los war... In Brasilien hat sich damals die Streckentemperatur um gerade mal zwei Grad geändert. Trotzdem hatte ich das Gefühl, ein völlig anderes Auto zu fahren.

Was könnt ihr noch machen, um dieses Phänomen zu verstehen?
Bruno Senna: Das ist jetzt eine ganz schwierige und komplexe Aufgabe für die Ingenieure. Wir haben inzwischen noch mehr Sensoren an den Reifen, müssen jetzt noch mal alles genau anschauen, wer von uns was wie gemacht hat, von der Temperatur beim Wegfahren aus der Box über das Aufwärmen, einfach alles... Das Einzige, was ich heute wissentlich anders gemacht habe als Pastor, ist, dass ich heute auf der Aufwärmrunde das DRS nicht benutzt habe, weil das bis jetzt eher immer kritisch für die Reifen war, er diesmal schon... Wir stehen im Moment alle etwas ratlos vor diesem Phänomen, was da immer passiert, ob es da irgendeine magische Formel gibt, wie man den Reifen genau aufwärmen muss, um ihn in dieses Fenster zu bringen.

Waren denn die Reifentemperaturen bei euch am Ende unterschiedlich?
Bruno Senna: Ja, schon - wenn auch nicht viel. Aber das Fenster, in dem der Reifen funktioniert, ist eben winzig klein, das ist maximal das Fenster von einem kleinen Puppenhaus...

Was kannst Du im Rennen noch erreichen?
Bruno Senna: Schwer zu sagen, mit den Strategien kann man hier sicher nicht so viel machen wie theoretisch in Kanada, die einzige Hoffnung ist, dass unser Rennspeed ganz gut war und dass ich denke ich, was das Reifen schonen angeht, vom Setup her auf der richtigen Seite bin. Aber selbst wenn man eine Sekunde pro Runde schneller ist, kommt man hier nicht vorbei.