Eric, wenn Sie den Australien GP in einem Wort zusammenfassen müssten, welches wäre das?
Eric Boullier: Stolz, denke ich.

Warum?
Eric Boullier: Naja, wir hatten eine harte Saison 2011. Aus menschlichem und technischem Gesichtspunkt war das vorige Jahr sehr, sehr hart. Wir nahmen mit einem innovativen Konzept einige Risiken, es zahlte sich aber nicht aus und wir haben dafür den Preis bezahlt. Diese Erfahrung hielt uns aber nicht davon ab, das Thema 2012 wieder mutig anzugehen. Das Team hat bewiesen, dass es keine Angst davor hat, wieder außerhalb der normalen Bahnen zu denken. Das ist genau das, was ich erwartet habe. Ich nehme an, das ist die DNA von Enstone. Als Teamchef kann ich von dieser Herangehensweise nur beeindruckt sein.

Haben Sie den E20 in Melbourne so stark erwartet?
Eric Boullier: Vor dem Qualifying wusste niemand, was er erwarten sollte. Das war vielleicht sogar noch mehr der Fall als in vergangenen Jahren, denn es gab nur wenige zuverlässige Informationen von den Wintertests. Wir wussten, unser Auto ist recht schnell, aber wir hatten bei den anderen keine Ahnung. Samstag war eine Erleichterung: man kommt nicht durch Zufall in die zweite Startreihe.

Wie sieht es mit Sepang aus?
Eric Boullier: Es ist eine völlig andere Strecke als der Albert Park. Dennoch glauben wir, dass der E20 dort konkurrenzfähig sein sollte. Eine seiner größeren Stärken ist der sehr niedrige Reifenabbau. Wenn man die sehr heißen Bedingungen in Malaysia berücksichtigt, kann das nur eine Hilfe sein. Wir denken, wir können dort konkurrenzfähig sein.

Romain Grosjean schied unverschuldet aus, Foto: Sutton
Romain Grosjean schied unverschuldet aus, Foto: Sutton

Romain und Kimi scheinen eine sehr starke Fahrerpaarung zu sein...
Eric Boullier: Ja, und das war unser Ziel für dieses Jahr. Die Beiden kommen gut miteinander aus und sie pushen sich gegenseitig. Das ist eine ideale Situation für uns. Wir wussten das von Anfang an. Romain hatte in Australien wirklich Pech, da er dort um die Spitzenplätze hätte mitkämpfen können. Leider wurde er von einem anderen Fahrer aus dem Rennen geworfen. Aber das ist Teil des Spiels, würde ich einmal annehmen. Dennoch war es wirklich frustrierend. Solche Manöver von Gegnern sind in den ersten Runden eines Rennens unnötig. Dieser Fahrer hat die Ziellinie ebenfalls nicht gesehen, ich würde also sagen, es gab da etwas Gerechtigkeit... Kimi konnte während des Rennens elf Plätze gutmachen, das zeigt, wie motiviert er ist.

Die Weltmeisterschaft 2012 wird wohl durch die Entwicklungsarbeit entschieden werden. Wird das Team dort mithalten können?
Eric Boullier: Entwicklung bedeutet Ressourcen und Investitionen. Mit Genii Capital hinter uns wissen wir, dass wir von einem starken und zuverlässigen Unterstützer profitieren. Sie werden alles Nötige tun, um uns dabei zu helfen, die Teile zu entwerfen und zu produzieren, die wir brauchen, um stärker zu werden. Genii kam nicht in die Formel 1, um Zweiter zu werden.

Wie kann das Team gegen Mercedes, Ferrari oder Red Bull kämpfen? Euer Budget hat mit diesen Teams so gar nichts gemein...
Eric Boullier: Das stimmt, aber unsere Philosophie ist, dass Geld keine Siege und Weltmeisterschaften kauft. Für uns geht es in der Formel 1 darum, clever und kosteneffizient zu sein. Der E20 ist das erste Auto aus Enstone, das mit unserem 60-Prozent-Windkanal und unserer verbesserten CFD-Einrichtung entworfen wurde. In ein paar Wochen wird unser brandneuer Simulator funktionstüchtig sein. Die Leute in Enstone haben die richtigen Werkzeuge, um weiter zu pushen und wir investieren dort, wo wir das müssen. Ungeachtet dessen sollten uns die Leute nicht für ein zweitklassiges Team halten.

Ihr wart dieses Jahr das einzige Team, das eine kommerzielle Vereinbarung mit weltweit operierenden Unternehmen bekanntgegeben hat...
Eric Boullier: Genau. Das heißt, unsere Herangehensweise überzeugt die größten Unternehmen der Welt. Wenn Partner sich dem Lotus F1 Team anschließen, dann gehen sie damit keine kommerzielle Partnerschaft ein: sie werden Teil einer besonderen Familie. Der menschliche Aspekt der Formel 1 wird normalerweise vernachlässigt, aber wir machen ihn zur Nummer 1 unserer Prioritäten-Liste. Unsere Kommunikations- und Marketing-Philosophie ist einzigartig in diesem Sport. Wir sind ehrlich, offen, zugänglich und manchmal auch etwas frech. Wir lieben unsere Fans und wir belügen die Medien nie. Das ist im Fahrerlager ungewöhnlich und das macht das Lotus F1 Team zu einer sehr einzigartigen Organisation. Das wird sich letztendlich auszahlen. Die guten Jungs gewinnen am Ende immer.