Alle Jahre wieder fällt der Startschuss der Formel 1 in Melbourne. Der Grand Prix von Australien bot in den vergangenen Jahren zumeist die perfekte Kulisse für den Saisonauftakt der Königsklasse. Bei den Piloten ist der Kurs, der im malerischen Albert Park rund um einen künstlich angelegten See führt, überaus beliebt. "Die Stadt liebt die Formel 1 und die Fans sorgen für eine großartige Atmosphäre - das spüren natürlich auch wir Fahrer", freute sich vor dem Auftakt Vierfachsieger Michael Schumacher auf den Startschuss in der australischen Metropole.

Motorsport-Magazin.com wagt vorab einen Blick auf die 5,303 Kilometer lange Strecke, die sich durch ihre ganz spezifischen Charakteristika einen besonderen Platz im F1-Kalender verdient hat - nicht nur wegen ihrer Rolle als Auftakt-GP. Insgesamt steigt der Große Preis von Australien heuer schon zum 17. Mal im Albert Park, zum 15. Mal als Auftaktlauf. Erstmals wurde auf dem Straßenkurs, der südlich des Stadtzentrums von Melbourne liegt 1996 gefahren. Die Strecke besteht zum Teil aus öffentlichen Straßen - ihr Verlauf wurde über die Jahre daher kaum verändert oder angepasst.

Safety Car wahrscheinlich

Für Spannung ist auf der Piste 'Down Under' immer gesorgt. Das belegen auch statistische Werte. Gleich bei sechs der letzten zehn Australien-GP kam das Safety Car zum Einsatz - insgesamt sogar ganze 15 Mal. Für reichlich Action und Chaos ist im Albert Park also alle Jahre wieder gesorgt. Damit den Zuschauern jedoch auch im Training und Qualifying nicht langweilig wird, bewegen die Piloten ihre Boliden auch unter Einsatz des seit Anfang letzten Jahres verfügbaren DRS am Limit. Für einen Stadtkurs weißt die Strecke eine ausgesprochen hohen Vollgasanteil auf, weswegen die Fahrer den verstellbaren Heckflügel im Zeittraining gleich auf 56 Prozent einer Runde einsetzen können, was fast drei ganzen Kilometern Distanz entspricht.

Heiße Duelle am Ende der Start-Ziel-Geraden: Jenson Button sicherte sich den Australien-Sieg 2009 und 2010, Foto: Sutton
Heiße Duelle am Ende der Start-Ziel-Geraden: Jenson Button sicherte sich den Australien-Sieg 2009 und 2010, Foto: Sutton

McLaren-Star Jenson Button, der die Rundfahrt durch den grünen Park 2009 und 2010 für sich entscheiden konnte und somit als Melbourne-Spezialist gilt, gab im Vorfeld zu: "Der Kurs ist schon eine ganz schöne Herausforderung. Es handelt sich zwar nicht um eine ausgesprochen technische Strecke, aber die Asphaltoberfläche erhält im Laufe eines Wochenendes immer eine viel dickere Gummischicht." Insgesamt würde die besondere Streckencharakteristik somit harte Kopf-an-Kopf-Duelle fördern. Gleichsam warnte Button davor, anhand der jeweiligen Melbourne-Performance eines Autos voreilige Rückschlüsse über den allgemeinen Leistungsstand zu ziehen.

Die Strecke und ihre Anforderungen seien derart einzigartig, dass man sie nahezu mit nichts anderem vergleichen könne. "Für einen Stadtkurs herrscht hier immer noch ein guter Fluss in der Fahrt. Man kann wirklich einen guten Rhythmus finden und es gibt auch einige schnelle Kurven", lobte Button den Austragungsort im Herzen Melbournes. Die Strecke auf irgendeine Art und Weise zuzuordnen, sei beinahe unmöglich. "Denn selbst für einen Stadtkurs hat sie viele unübliche Eigenschaften", stellte der McLaren-Pilot fest.

Sonne steht im Rennen tief

Die Konzentration immer aufrecht zu erhalten ist in der modernen F1 für die Fahrer ohnehin schon nicht leicht. In Melbourne sei es aber eine besondere Herausforderung - auch, da zugunsten besserer Zeiten für die TV-Übertragung des Events nach Europa am Sonntag erst um 17:00 Uhr Ortszeit gestartet wird. Die dann bereits tief stehende Sonne im australischen Herbst, vereinfacht es den Piloten nicht gerade, immer den Überblick zu behalten. Besonders auf der Start-Ziel-Geraden fahren sie genau der Sonne entgegen. Ein Faktor, der harte Duelle bei schlechter Sicht provoziert, denn die erste Kurve gilt als eine der besten Überholmöglichkeiten auf dem Kurs. Doch auch ohne derlei Zwischenfälle dürfen sich die Fans auf packende Zweikämpfe freuen.

"Die neuen Regeln haben auch diesen Ort zu einem noch wettkampfstärkeren Schauplatz gemacht", meinte Button im Vorfeld des Grand Prix - der Brite muss es wissen, lieferte er sich 2011 doch viele Runden lang einen harten Kampf mit Felipe Massa, für den er am Ende von der Rennleitung sogar mit einer strengen Durchfahrtsstrafe belegt wurde. Der Grund für sein auf Attacke ausgerichtetes Rennen sei einfach gewesen: "Das Überholen ist hier jetzt viel einfach geworden, als es das jemals war." Das DRS und auch das KERS spiele dabei natürlich eine übergeordnete Rolle. Vor diesem Hintergrund dürfen sich die Zuseher 2012 sogar auf noch mehr Spannung freuen, denn es gibt eine zweite DRS-Zone.

"Das wird natürlich ein weiterer Zugewinn sein", erklärte Button und fügte an: "Letztes Jahr bei Start-Ziel war es beinahe nicht genug, um wirklich zu überholen. Mit einer zweiten Zone sollte da aber Abhilfe gewährleistet sein." Für das Rennen in diesem Jahr hat die FIA die Zonen daher verlegt. Angedacht sind nun zwei Messpunkte zur Aktivierung des verstellbaren Heckflügels, von denen einer zwischen den Kurven zwei und drei und der andere zwischen Turn zwölf und dreizehn liegen soll. Bevor es soweit ist und sich die Piloten Gedanken um den richtigen Einsatz ihrer Überholhilfe machen dürfen, muss die Strecke aber erst einmal in den Trainingssitzungen an Grip gewinnen.

Freitags wenig Grip

Traditionell gibt es auf den Straßen der impermantenten Strecke besonders am Freitag viele Dreher, das der Asphalt noch äußerst schmutzig und staubig ist - dies bessert sich jedoch im Verlauf des Wochenendes schnell, sobald die Ideallinie einmal sauber gefahren ist. Sollte es jedoch regnen, kommen auf den öffentlichen Straßen noch ganz andere Tücken hinzu. Die vielen aufgemalten Straßenmarkierungen werden beim Anbremsen auf feuchter Fahrbahn spiegelglatt. Hier ist oberste Vorsicht gefragt, sonst findet man sich ganz schnell in einem Dreher und folglich einem der bunten Kiesbetten wieder - und davon gibt es in Melbourne eine ganze Menge, da auf Grund des Platzmangels fast kein Raum für asphaltierte Auslaufzonen geboten ist.

Dreher oder ein Ausritt sind im Albert Park schnell einmal passiert, Foto: Sutton
Dreher oder ein Ausritt sind im Albert Park schnell einmal passiert, Foto: Sutton

Einmal mehr wird der Albert Park so seiner Stellung als wahrem Unikat im Rennkalender gerecht. In Bezug auf die aerodynamischen Anforderungen kann man den Kurs zwar mit Strecken wie Silverstone oder Suzuka vergleichen, da ein mittleres bis hohes Abtriebsniveau erfordert ist - eigentlich handelt es sich jedoch um eine Stop-and-Go-Strecke wie etwa der Circuit Gilles Villeneuve im kanadischen Montreal. Da zudem nahezu jede der 16 Kurven eine unterschiedliche Geometrie aufweist, dauert es oftmals sehr lange, bis der Fahrer mit seinen Ingenieuren einen perfekte Abstimmung für seinen Boliden gefunden hat.

Gefahr durch Bodenwellen

Zwar verzeiht der australische Kurs schon einmal den ein oder anderen Fehler, da die Mauern nicht überall so nahe stehen, wie beispielsweise in Monaco. In der Rundenzeit machen sich Unsicherheiten jedoch schnell bemerkbar. Die Strecke ist durchaus auch für ihre Bodenwellen bekannt, eine saubere Rennlinie daher unbedingt nötig. Bestes Beispiel: Timo Glock, der 2008 im Toyota etwas zu weit von der Strecke abkam und im wahrhaft hohen Bogen ausgehebelt wurde - spektakulärer Abflug inklusive. Zentrales Thema sind 2012 natürlich auch wieder die Reifen. So große Bedenken wie im Vorjahr bei der Premiere der Pirelli-Pneus gibt es heuer aber nicht. Der Kurs um den Albert Park See gilt ohnehin als eher moderat in Bezug auf den Reifenverschleiß.

Die Italiener haben im Winter zudem konzentriert an einer Verbesserung der Performance der Gummis gearbeitet, sehen sich vorab folglich gut gerüstet. Gerade bei den herbstlichen Temperaturen um die 15 Grad Celsius sollte das gefürchtete Graining kein Problem darstellen. Ein kleiner Unsicherheitsfaktor bietet allerdings die Tatsache, dass in Melbourne vornehmlich die Hinterreifen beansprucht werden - bei den Tests in Spanien lag dieser Fokus noch auf der Front. Um genau diese Spannung sind jedoch alle Beteiligten froh - wusste auch Jenson Button und grinste: "Ich kann mich hier an kein Rennen erinnern, das nicht wirklich ereignisreich war. Es ist einfach der perfekte Platz für den Saisonstart."