"Nun wollen wir einmal sehen, wie es heute läuft", begann ein gutgelaunter Norbert Haug am Rande der Präsentation des neuen Mercedes AMG F1 W03 den ersten offiziellen Testtag mit dem neuen Boliden der Stuttgarter. Dass es für voreilige Schlüsse aber noch etwas früh war, wusste auch der Motorsportchef. "Wir müssen im Vergleich mit der Konkurrenz ja erst noch fahren, allerdings hatten wir hier ja schon einen Testtag und einen Filmtag - da lernt man allerdings nicht sehr viel und die Streckentemperatur war sehr niedrig", so Haug, der anfügte: "Heute wird sich das sicherlich alles zeigen und man lernt dann schon ein bisschen mehr."

Zuletzt wurde im Fahrerlager oftmals spekuliert, Mercedes wolle eine ausgefallene Neuerung am neuen W03 möglichst lange vor den Gegnern verstecken und habe die erste Ausfahrt mit dem Boliden daher bewusst verzögert, um Nachahmern das Leben schwer zu machen. "Das ist nicht der Grund", erklärte jedoch Haug. "Wir hatten so etwa zehn Entwicklungstage mehr, konnten alles sauber abarbeiten. Wir sind in einem Aufholprozess", meinte der Deutsche mit Blick auf die Gründe für den bewussten Aufschub. "Wir haben mit dem alten Fahrzeug die neuen Reifen getestet. Die alten kennen wir ja auf dem letztjährigen Fahrzeug. Und so haben wir uns eine Basis geschaffen und dachten, dass unsere Zeit so am besten genützt ist."

Mehr Entwicklungszeit

Norbert Haug und Mercedes wollen 2012 noch weiter nach vorne, Foto: Sutton
Norbert Haug und Mercedes wollen 2012 noch weiter nach vorne, Foto: Sutton

"Ich verstehe aber auch, dass andere Teams anders gehandelt haben. Nur haben wir eben - mitten in dem Aufholprozess - geglaubt, dass unsere Zeit so am besten investiert ist", meinte der Motorsportchef. Die neuen Reifen seien eine Entwicklung in die richtige Richtung. "Sie sind sehr sensibel - das wird so sein und soll auch so bleiben, denn die Pirelli-Reifen haben sehr zur Spannung und zur Gestaltung der Rennen beigetragen. Man könnte auch einen Reifen bauen, der leicht mehr als 300 Kilometer schafft, so wie das bei Bridgestone früher der Fall war - aber dann gibt es eben weniger Spannung", erklärte Haug, der lobte: "So kann man die Strategie entsprechend spielen und sowohl das Auto als auch die Fahrer müssen dementsprechend mit den Reifen umgehen. Es ist also eine zusätzliche Herausforderung."

Konkrete Ziele wollte er für die Saison 2012 nicht benennen. "Wir haben nun zwei Jahre hinter uns und sind im dritten Jahr. Im Januar 2010 haben wir das Team vorgestellt und wir wollen uns weiterentwickeln", sagte der Mercedes-Chef. "Wir waren zweimal Vierter und das Ziel ist, Schritt für Schritt in Richtung Platz eins zu gehen. Doch das geht nicht auf einmal - es ist wie beim Bergsteigen. Man braucht ein Zwischenlager. Da muss man sich sicher fühlen und von diesem Zwischenlager aus kann man dann weiter nach oben klettern und genau das wollen wir tun", erklärte der Deutsche, der anfügte, dass das eben nicht in drei Jahren ginge.

Wenngleich man es eleganter gelöst hat als beispielsweise Ferrari: Auch Mercedes setzt auf die Stufennase, Foto: Sutton
Wenngleich man es eleganter gelöst hat als beispielsweise Ferrari: Auch Mercedes setzt auf die Stufennase, Foto: Sutton

"Wir haben vergleichsweise ein kleines, kompaktes Team. Wir haben uns neu aufgestellt und jetzt wollen wir Schritt für Schritt voran gehen. Das endgültige Ziel ist natürlich ganz nach vorne zu kommen, zu gewinnen und letztlich auch Weltmeistertitel zu gewinnen. Aber das braucht Aufbauzeit - wie bei allen anderen auch", sagte Haug. Die neuesten Trends in der Formel 1, besonders in Bezug auf die von vielen Fans kritisierte Frontpartie, die sich in Form der Höckernase auch am neuen Mercedes wiederfinden lässt, kommentierte der Motorsportchef gelassen. "Die Stufennase ist optisch natürlich nicht gerade die allerbeste Entwicklung. Aber ich denke, unsere Designer haben das eigentlich ganz gut gelöst und mir gefällt unser Auto eigentlich sehr gut", meinte Haug, der hoffte, das sich das Team 2012 steigern kann.

Bereits über 500 Kilometer

"Letztes Jahr haben wir nicht so ganz stark begonnen. Da waren sowohl bei den Tests, als auch beim ersten Rennen noch nicht alle Dinge ganz aussortiert. Deshalb haben wir uns jetzt mehr Entwicklungszeit genommen. Wir sind auch am Sonntag hier über 350 Kilometer gefahren. Zusammen mit dem Filmtag hat das Fahrzeug nun schon über 500 Kilometer zurückgelegt", verriet der Deutsche. "Das ist nicht so viel, aber auch nicht ganz so wenig. Wir denken, dass wir eine ganz ordentliche Basis haben."

Veränderungen im Vergleich zum Vorgängermodell gäbe es am W03 viele. "Der Radstand ist etwas länger, das Fahrzeug ist insgesamt leichter, wodurch wir mehr Gewicht zum Ausbalancieren haben. An jeder Stelle wo man sich verbessern kann, haben wir versucht das zu tun - beispielsweise an der Aerodynamik", meinte Haug, der jedoch zurückhaltend blieb. "Nun müssen wir sehen, wie der Konkurrenzvergleich ausfällt. Ich denke wir haben ein ganz ordentliches Auto, aber ich kann nicht garantieren, dass die Konkurrenz nicht ein viel besseres hat. Das werden wir sehen."