Kamui Kobayashi war es, der den Stein mit einer optimistischen Aussage ins Rollen brachte: Er wollte Blanchimont schon im ersten Anlauf mit flach gestelltem Heckflügel durchfahren. "Kommt, lasst uns wetten – legt Geld auf den Tisch, dann beweise ich es euch. Ich kann euch ja dann nachher die Daten zeigen...", verblüffte der Japaner viele im Fahrerlager vollmundig.

Letztlich konnte er die Kurve gar nicht in der ersten Runde mit flachem Flügel durchfahren, da ein DRS-Einsatz im Nassen verboten ist. Trotzdem scheiden sich an seinem Statement die Geister: "Er ist Kamikaze", konnte selbst Vollgastier Lewis Hamilton nicht glauben, was der Japaner da von sich gab. McLaren ließ den Heckflügel regelmäßig in der mit 300 km/h gefahrenen Linkskurve herunter klappen.

Bei anderen Teams ging es jedoch problemlos. Beide Red Bulls wurden mit umgeklapptem Flügelelement gesichtet. "Unser Auto ist scheinbar gut genug, dass es problemlos geht, auch mit offenem Heckflügel", sagte Sebastian Vettel unbeeindruckt. Und auch am anderen Ende des Feldes fuhr man im DRS-Modus durch die Kurve: "Geht recht einfach muss ich sagen. Hab es einfach probiert und hat ziemlich easy funktioniert", frohlockte Timo Glock.

Bei Force India hingegen nahmen die Piloten davon Abstand, den Flügel offen zu lassen: "Ein bisschen knifflig, geht nicht viel. Vielleicht mit wenig Sprit und neuen Reifen. Ich bin das Risiko heute nicht eingegangen", gab Nico Hülkenberg zu. Ist es also der starke Mercedes-Motor, so dass die Daimler-befeuerten Fahrzeuge zu schnell in Blanchimont ankommen?

Es sieht nicht so aus: "Es war eine gute Entscheidung, dass die FIA DRS durch Eau Rouge verboten hat. Vor Blanchimont ist die Zone perfekt", sagte wiederum Nico Rosberg, seinerseits mit Mercedes-Power unterwegs. Es besteht also keine Einigkeit bei den Fahrern, ob diese Kurve mit flachem Flügel zu fahren ist oder nicht.

Hülkenberg sucht nach Erklärungen: "Wenn Timo sagt, es ginge mit dem Virgin problemlos, dann muss man bedenken, dass er kein KERS hat. Er kommt also langsamer aus der Kurve, hat kein KERS, das ist von Auto zu Auto unterschiedlich." Das mag erklären, warum Marussia-Virgin ohne Probleme mit flachem Flügel die faszinierende Kurve durchfahren konnte, jedoch nicht, warum Mercedes mit einem funktionstüchtigen KERS und einem starken Motor ebenfalls dazu in der Lage war.

Mehrere Faktoren spielen bei der Frage, ob Blanchimont mit oder ohne DRS-Einsatz zu durchfahren ist, eine Rolle. Lewis Hamilton äußerte bereits korrekt: "Mit seinem [Kobayashis] Auto ist es sicher möglich, da es davon abhängt, wie viel Luftwiderstand DRS vernichtet." Das DRS ist nicht bei allen Fahrzeugen gleich effektiv. Ein weniger effizientes DRS kann auch in Blanchimont genutzt werden, da weniger Abtrieb verloren geht. Da sich die Balance dabei nicht zu stark verschiebt, bleibt das Auto stabil.

Das Problem beim Einsatz von DRS ist, dass der Frontflügel im Vergleich zum Heckflügel zu viel Abtrieb produziert. Wird DRS in der Kurve genutzt, kann zu High-Speed-Übersteuern kommen. Ein gut ausbalanciertes Auto bricht mit dem Heck jedoch weniger schnell aus. Deshalb hat Red Bull keinerlei Schwierigkeiten beim DRS-Einsatz in Blanchimont gehabt.

Äußerst wichtig im Hinblick auf diese Fragestellung ist auch die Gesamtabstimmung des Fahrzeugs: Ein auf Topspeed getrimmtes Auto fährt mit einem flacheren Frontflügel, da auch das Heckflügel flacher gestellt wird. Während Red Bull nahezu in Monza-Konfiguration im freien Training fuhr, setzt McLaren auf vollen Abtrieb.

McLaren muss somit den Flügel zuklappen, weil bei geöffnetem Heckflügel der Frontflügel viel zu viel Abtrieb produziert. Dem gegenüber ist der Downforce-Unterschied bei einem flacheren Frontflügel nicht so groß. Das ist der springende Punkt: Die Stellung des Frontflügels in Relation zum geöffneten Heckflügel ist hier ausschlaggebend.

Auch vor dem Qualifying wird das Thema sicherlich diskutiert werden. Ein DRS-Einsatz ist jedoch eher unwahrscheinlich: Es ist Regen für den Samstag vorhergesagt, so dass ein Einsatz von DRS eher unwahrscheinlich ist.