1. - Wie lassen sich die Strategien entwirren?

Der Türkei GP steckte voller Überholmanöver, Zweikämpfen und Boxenstopps. Ganze 82 Boxenhalte zählte das 58-Runden-Rennen – die meisten seit dem berüchtigten Regenrennen in Donington 1993. "Man muss nur aufpassen, dass man nicht den Überblick verliert", warnte Boxengassenreporter Kai Ebel. "Aber das ist besser, als kurz nach dem Start einzuschlafen."

Die Strategen an der Boxenmauer liefen garantiert nie Gefahr, ins Reich der Träume zu entschlummern. "Es hat heute richtig Spaß gemacht, auch wenn es für mich ungewohnt war im Trockenen vier Stopps zu haben", sagte Nick Heidfeld. Dank der vielen Stopp war das Rennen wieder mehr wie früher: Eher ein Sprint, in dem die Fahrer ans Limit gehen konnte und weniger auf die Reifen achten mussten. "Wir hatten bei Mark [Webber] zwischendurch sogar über fünf Stopps nachgedacht, aber wir hatten keine Reifen mehr dafür", verriet Christian Horner.

Jenson Button klagte hingegen über eine falsche Strategie. "Ich denke, die meisten wollten zunächst meine Strategie fahren, aber viele haben sich im ersten Stint die Reifen zerstört und änderten deswegen die Strategie", berichtete er. "Wir haben das nicht gemacht und dann auch nicht lange genug auf die Stopps gewartet. Die Reifen waren bei jedem Stopp noch gut. Wir hätten länger draußen bleiben sollen, weil der letzte Stint mit so vielen Runden auf harten Reifen war unmöglich."

Dennoch glaubt Teamchef Martin Whitmarsh nicht, dass Button mit vier statt drei Stopps besser gefahren wäre. "Ich denke allerdings auch nicht, dass ihm das geschadet hat." Sebastian Vettel konnten all die Taktiküberlegungen egal sein - er konnte frei voraus fahren und sich ein Polster auf die Verfolger anlegen. "Ich hatte immer zwischen vier, fünf und acht, neun Sekunden Vorsprung. Das hilft natürlich bei der Strategie", freute er sich.

2. – Was lief bei Hamiltons Stopps schief?

Die Boxenstopps waren in letzter Zeit nicht immer die Stärke von McLaren. In China fuhr Jenson Button bei Red Bull vor, in Istanbul kollidierte Lewis Hamilton beim ersten Stopp beinahe mit Felipe Massa, den Ferrari im direkten Duell in letzter Sekunde losließ, und klemmte beim zweiten Stopp eine Radmutter am rechten Vorderrad. Das kostete Hamilton fast zehn Sekunden.

Lewis Hamilton und Jenson Button lieferten sich ein spannendes Duell, Foto: Sutton
Lewis Hamilton und Jenson Button lieferten sich ein spannendes Duell, Foto: Sutton

"Wir hatten ein paar Probleme bei den Stopps", gab Whitmarsh zu. Denn nach dem Mutterproblem wollte Hamilton schon losbrausen, als ihn der Lollipopmann zurückhielt, um diesmal einen Unfall mit dem heranrauschenden Massa zu vermeiden. "Ich muss sagen, dass der Chef-Mechaniker gut gehandelt und einen Unfall vermieden hat", lobte Whitmarsh.

3. - Was war zwischen Heidfeld und Petrov?

Zwischen Nick Heidfeld und Vitaly Petrov wird es am Sonntagabend noch ein Gespräch geben. Der Russe drängte im Rennen seinen Teamkollegen fast in die Boxengasse ab. "Es war nicht optimal, wie wir teamintern gearbeitet haben", meinte Heidfeld. "Wir werden sicher noch mal darüber sprechen. Es war jetzt nicht dramatisch, aber es hätte besser laufen können."

Bei dem Manöver kam Petrov weit raus, wodurch sich beide Renault-Piloten berührten. "Am Flügel wurde vorne rechts ein Teil beschädigt, aber es war nicht so schlimm, dass es großen Einfluss auf das Auto hatte", erzählte Heidfeld. Ohne die Berührung wäre aber noch mehr für ihn drin gewesen. "Wäre ich an Vitaly leichter vorbei gekommen, dann hätte ich locker noch eine Position gut machen können", so der Deutsche.

4. - Warum war Mercedes im Rennen nicht so gut?

In Chin machte Mercedes im Rennen einen unerwarteten Sprung nach vorne, das Auto war sogar schneller, als es das Team in den Benzinberechnungen kalkuliert hatte. In Istanbul war es genau umgekehrt: Dem Silberpfeil fehlte im Rennen der nötige Speed, um gegen Fernando Alonso im Kampf um den letzten Podestplatz zu bestehen.

"Im Rennen war die Balance bei Nico nicht so gut, wie wir erhofft hatten, und mit viel Sprit an Bord war der Reifenverschleiß zu hoch", erklärte Teamchef Ross Brawn. Bereits während des Rennens wurde dem Deutschen mittels Boxenfunk mitgeteilt, dass er die weichen Hinterreifen zu stark abnutzte. "Das beeinträchtigte ihn in der ersten Rennhälfte, in der zweiten Hälfte war unsere Pace hingegen respektabel", meinte Brawn

Die Probleme blieben Nico Hülkenberg nicht verborgen. "Man hatte am Freitag schon gesehen, dass die Longruns nicht so ganz top aussehen", analysierte der Force-India-Ersatzfahrer. "Die müssen sich über die Rennen Gedanken machen." Das weiß auch Brawn: "Für die nächsten Rennen hat das Feintuning unseres Renn-Setups Priorität, besonders auf Strecken, auf denen die Handhabung der Reifen schwierig ist."

5. – Wer hatte Schuld: Schumacher oder Petrov?

Am Ende der DRS-Zone setzte Vitaly Petrov zum Überholen an und zog am Mercedes von Michael Schumacher vorbei - ob er die Kurve wirklich bekommen hätte, lässt sich nicht mehr feststellen, denn Schumacher zog rein und berührte den schwarzen Renault des Russen. Das Ergebnis: Der Frontflügel am Silberpfeil nahm Schaden und der Deutsche musste ihn wechseln lassen.

Vitaly Petrov griff innen an, Foto: Sutton
Vitaly Petrov griff innen an, Foto: Sutton

"Wir waren sehr eng beieinander - ich weiß nicht warum wir da aneinander gekommen sind, keine Ahnung. Aber ich muss es wahrscheinlich auf meine Kappe nehmen", sagte Schumacher. "Ich habe mitbekommen, dass er die Innenseite gewählt hat, obwohl ich die eng gemacht habe. Er ist reingestochen - das ist sein Recht - es war also alles normal."

Neben Schumachers Auto nahm auch Petrovs Bolide Schaden. "Die Kollision mit Michael hat mein Rennen negativ beeinflusst", klagte Petrov. "Er traf mein Auto und danach steckte ich nach meinem Boxenstopp hinter langsameren Autos fest."

6. - Warum fiel Kobayashi zurück?

Kamui Kobayashi hatte schon nach seinem Defekt im Qualifying angekündigt, dass er im Rennen auch an Stellen attackieren würde, an denen es normalerweise gar nicht ginge. So arbeitete er sich binnen weniger Runden bis in Punktenähe nach vorne und glaubte fest daran, dass Platz sieben in Reichweite war. Doch dann machte ein Reifenschaden seinen Hoffnungen einen Strich durch die Rechnung.

"Ich habe schnell gemerkt, dass etwas mit dem Auto nicht in Ordnung ist und sofort an die Box gefunkt", sagte Kobayashi. "Aber ich musste eine komplette Runde damit fahren", schilderte Kobayashi den Reifenschaden hinten links, der durch eine Berührung im Zweikampf mit Sebastien Buemi ausgelöst wurde.

7. – Warum konnte Glock nicht starten?

Starke Nerven brauchten am Sonntag Timo Glock und seine Mechaniker. Der Virgin-Pilot merkte auf dem Weg in die Startaufstellung, dass ihm der fünfte Gang fehlte, also steuerte er zurück an die Box. "Es war ein kurzes Rennen für mich", erklärte Glock. "Es war schon frustrierend, als ich merkte, dass es ein Problem mit dem fünften Gang gab."

Die Mechaniker hatten versucht, in der Box das Getriebe des Deutschen zu wechseln, doch am Ende entschied das Team, das Rennen nur mit einem Auto zu bestreiten. "Timos Crew stand unter enormen Druck, dennoch haben sie ruhig und methodisch an seinem Auto gearbeitet", verriet Teamchef John Booth. "Trotz ihrer 'Herkules'-Arbeit entschieden wir uns keinen Kompromiss beim zweiten Auto einzugehen als die Dinge mit den Reifen hektisch wurden."

8. – Wieso kam Perez gleich nach Runde 1 an die Box?

Das Rennen von Sergio Perez war schon früh gelaufen: Bereits in der ersten Runde kollidierte er mit dem Williams von Pastor Maldonado und musste danach mit seinem Sauber minus Frontflügel die Box ansteuern. "Es ist wirklich ein Jammer, was in der ersten Runde passiert ist", sagte der Mexikaner. "Maldonado hat vor mir hart gebremst, und ich konnte einfach nicht vermeiden, ihn zu treffen. Dabei habe ich meinen Frontflügel abgebrochen und musste zur Box."