Die vierte Station im Rennkalender der Saison 2011 ist der Istanbul Park. Das Rennen in der Türkei wird erst seit dem Jahr 2005 ausgetragen und war dennoch Schauplatz vieler interessanter Entscheidungen und Wendungen. Doch während sich die Piloten nahezu ausschließlich auf den von Hermann Tilke entworfenen Kurs freuen, zogen in der Vergangenheit Gewitterwolken über der 5,338 km langen Strecke auf. Der Grand Prix steht aufgrund finanzieller Engpässe vor dem möglichen Aus. Das liegt vor allem am mangelnden Zuschauerinteresse. "Unglücklicherweise denke ich, dass das Rennen recht teuer für die Einheimischen ist, was bedeutet, dass die Atmosphäre oft nicht so ist, wie sie sein könnte", schildert Mark Webber seine Eindrücke.

In der Türkei bleiben die Tribünen oft leer, Foto: Sutton
In der Türkei bleiben die Tribünen oft leer, Foto: Sutton

Zwischen den Welten

Tatsächlich könnte der Grand Prix 2011 der letzte auf einer einmaligen Formel-1-Strecke sein. Denn sie ist der einzige Austragungsort, der sich gleichzeitig auf zwei Kontinenten befindet. Asien und Europa. Zwei weitere Besonderheiten greift Michael Schumacher heraus: "Der Kurs wird gegen den Uhrzeigersinn gefahren und besitzt viele Höhenunterschiede." Das seien auch die Gründe, weshalb es dem siebenmaligen Weltmeister "Spaß macht, dort zu fahren."

Damit ist er nicht allein: "Der Istanbul Park ist eine gute Strecke und beliebt bei Teams und Piloten. Sie ist technisch und fahrerisch ziemlich anspruchsvoll", erklärt James Key, Technischer Direktor bei Sauber. Einige Bodenwellen, die durch den neu aufgetragenen Asphalt sogar noch verstärkt wurden, machen das Fahren zusätzlich zu einer Herausforderung. Viele Piloten zogen sogar Vergleiche zum legendären Kurs in Spa-Francorchamps und gaben ihm den Beinahmen: Die Adrenalinpumpe am Bosporus.

Kurve 8

Allerdings verblassen alle Besonderheiten im Hinblick auf die Kurve acht. "Die Stelle, die mir am besten gefällt, ist die Kurve acht, die eigentlich aus drei Linksbögen besteht", erklärt Kamui Kobayashi. Dieser einzigartige Streckenteil, der mit durchschnittlich 270 km/h durchfahren wird, kann im Ansatz mit der Parabolika in Monza verglichen werden. Allerdings verweilen die Piloten 8,5 Sekunden in Kurve acht, während es in Italien nur 7,3 Sekunden sind.

"Es ist eine fantastische Kurve. Wir versuchen sie Jahr für Jahr mit Vollgas zu fahren. Sie ist schnell und extrem uneben, daher kannst du nur schwerlich erkennen, wo du hinfährst - du hältst rein und hoffst das Beste", sagte der amtierende Weltmeister Sebastian Vettel. Nico Rosberg geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wenn ich meine Traum-Formel-1-Rennstrecke entwerfen müsste, wäre diese Kurve garantiert darin enthalten."

Wieso diese Passage einen derartigen Reiz auf die Piloten ausübt, kann der Mercedes GP-Pilot auch erklären. "Die Kurve 8 ist eine der größten Herausforderungen des gesamten Jahres: Man fährt für mehr als acht Sekunden mit Vollgas durch die Kurve und muss Kräften bis zu 5G standhalten."

Doch wenngleich diese Kurve viel Spaß mit sich bringt, gibt es auch Nachteile, so spricht Mark Webber von einer "zusätzlichen Belastung für die Reifen und den Nacken des Piloten." Diese Anstrengungen für Mensch und Material sind auch jene Gründe, weshalb nicht jeder restlos begeistert von dieser Kurve ist. "Die Leute reden über Kurve acht, die der anspruchsvollste Teil der Strecke sein soll, aber für mich ist das keine allzu große Herausforderung", meinte Heikki Kovalainen.

Norbert Haug konnte sich im vergangenen Jahr in der Türkei über die Ränge 1, 2, 4 und 5 für seine Motoren freuen, Foto: Mercedes GP
Norbert Haug konnte sich im vergangenen Jahr in der Türkei über die Ränge 1, 2, 4 und 5 für seine Motoren freuen, Foto: Mercedes GP

Eine Mischung aus Geschwindigkeit und Technik

Doch nicht nur Kurve acht stellt eine Herausforderung dar. "Fast 70 Prozent der 5,338 km werden mit Volllast gefahren, so dass nicht nur Fahrwerk und Reifen enorm belastet sind, sondern auch der Motor", zeigt Norbert Haug auf. Die anderen 30 Prozent sind vorwiegend am Ende der Runde zu finden. Denn hier bestimmen enge, langsame Kurven-Kombinationen den Kurs.

Die Reifen

Die viel geschundenen Pirelli-Reifen, die deutlich schneller abbauen als ihre Vorgänger von Bridgestone, sehen in der Türkei einer neuen Herausforderung entgegen: Eben dieser Kurve acht. "Bezüglich der Reifen wird das Wochenende eine weitere interessante Erfahrung werden, weil die berühmte Kurve acht zu jenen gehört, welche die höchsten Belastungen für die Pneus darstellen", gibt Key zu bedenken.

Diese Meinung teilt auch Kamui Kobayashi. "Normalerweise bietet der Belag wenig Haftung, und das bedeutet, dass die Autos viel rutschen. Ich glaube, es wird entscheidend sein, möglichst schonend mit den vorderen Reifen umzugehen", zeigt der Japaner auf. Key glaubt sogar, dass es zu "alternativen Strategien" kommen könnte, was aber erst nach den freien Trainings definitiv beurteilt werden kann.

Der DRS-Bereich

Am Ausgang der Kurve neun wird entschieden, ob kurz vor Kurve elf der Heckflügel geöffnet werden darf. Offen ist dieser dann in der schnellen Kurve, die auf die Gegengerade führt. Diese dürfte noch vielen Zuschauern in Erinnerung sein, da sich in der vergangenen Saison dort Sebastian Vettel und Mark Webber begegneten. Kurz vor Kurve zwölf endet der Bereich dann wieder.