Du sitzt im Auto, hinter dir herrscht Chaos und die Minuten bis zur Schließung der Boxengasse verrinnen - wie konntest du so ruhig bleiben?
Lewis Hamilton: Es war wirklich ein ungewöhnlicher Moment: es gab schon vorher Momente, als es ein Problem am Auto gab oder sich das Verlassen der Garage verzögerte, aber es ist noch nie passiert, dass es so eng war. Ich konnte im Funk hören, dass es ein Problem beim Starten des Motors gab und ich sah Leute, die etwas hektischer wurden. Ehrlich gesagt wollte ich einfach ruhig bleiben: ich war ins Cockpit geschnallt und wusste, ich konnte nicht helfen.

Andy [Latham, Renningenieur] hielt mich toll auf dem Laufenden, aber gleichzeitig auch ruhig. Und Philip [Prew, Chef-Renningenieur] hielt ein Auge auf dem Countdown, um sicherzustellen, dass wir es rechtzeitig in die Startaufstellung schaffen. Es war noch nie so eng, aber wir haben es geschafft. Und ich will allen Jungs Danke dafür sagen. Sie wissen bereits, dass ich sie für die Besten der Welt halte, aber am Sonntag haben sie das auch wirklich gezeigt - sie wussten genau, wie sie reagieren müssen, sie hatten nie Panik und sie identifizierten und lösten das Problem in wenigen Minuten.

Ich denke, ihre Erfahrung hat wirklich den Unterschied ausgemacht. Sie sind diejenigen, die es mir erlaubt haben, ruhig zu bleiben, denn wie jedes Mal, wenn ich ins Auto steige, wusste ich, dass ich in sicheren Händen bin. Und obwohl ich ohnehin immer alles gebe, wenn ich auf der Strecke bin, so wollte ich niemanden in der Garage hängen lassen, nachdem sie mir den Tag gerettet hatten.

Der Sieg war etwas Besonderes, Foto: McLaren
Der Sieg war etwas Besonderes, Foto: McLaren

Du hast am Sonntag gesagt, der Sieg sei von ähnlicher Bedeutung wie jene 2008 in Monaco und Silverstone - was hat ihn so besonders gemacht?
Lewis Hamilton: Für mich war das nicht einfach nur ein Angriffs-Rennen, auch wenn es viel reines Racing gab, was ich liebe. Diese zwei anderen Siege drehten sich auch nicht nur um Aggressivität - ich gewann diese Rennen mit reinem Speed, aber auch mit Intelligenz und mit der Unterstützung von allen in der Box. Das waren wirklich komplette Rennsiege - und das sind die schönsten. Auf der einen Seite war China also toll, weil wir es auf der Strecke hingekriegt haben - es ist immer schöner, ein Rennen zu gewinnen, wenn man die Autos vor sich überholt hat. In meinem letzten Stint kam ich an Nico, Felipe und Sebastian vorbei, um zu gewinnen, was hoffentlich für alle Fans toll war.

Es war aber auch wirklich schön, weil wir seit Donnerstag daran gearbeitet hatten, dass unsere Strategie aufgeht. Nach Malaysia wollte ich sicherstellen, dass wir genug Reifen für das Rennen haben, also ging ich mit dem Vorhaben ins erste Ingenieurs-Meeting des Wochenendes, dass ich meine Reifen aufsparen und so viele frische Sätze wie möglich für das Rennen aufheben wollte. Das Beste bei McLaren ist die Art und Weise, wie wir als Team arbeiten. Unser Teamwork ist unglaublich. Und es wäre für die Ingenieure einfach gewesen, mich anzusehen und 'Nein' zu sagen, aber sie hören immer zu und finden einen Weg, wie es funktioniert.

Wir haben wirklich zusammengearbeitet, damit alles funktioniert, auch am Freitagabend, als wir das Auto auseinandernahmen, um es zu verbessern - wir pushen immer weiter. Wir hatten also nicht nur ein gutes Auto und eine gute Strategie, als es ins Rennen ging, wir waren auch aggressiv und haben das ganze Rennen gepusht. Die Mechaniker und die Boxencrew arbeiteten perfekt und meine Ingenieure waren brillant.

Der WM-Kampf ist vor der Europa-Rückkehr jetzt wieder schön offen, oder?
Lewis Hamilton: Ja, wir brauchten diesen Sieg. Wenn ich auf die letzten Wochen zurückblicke, haben wir mit diesem Team Unglaubliches geschafft. Wir haben das Auto auf den Kopf gestellt und einen Sieger draus gemacht; so etwas Großes haben wir in so kurzer Zeit noch nie gemacht. Ich ziehe meinen Hut vor jedem im McLaren Technology Centre - noch einmal, sie haben Wunder vollbracht. Aber wir dürfen nicht stillsitzen.

Red Bull liegt noch etwas voraus, Foto: Sutton
Red Bull liegt noch etwas voraus, Foto: Sutton

Wir haben noch Arbeit, damit wir Red Bull einholen. Versteht mich nicht, falsch, was wir geschafft haben, ist unglaublich, aber wir müssen mit weiteren Upgrades und Verbesserungen in den Türkei Grand Prix gehen, wenn wir weiter vorne mitkämpfen wollen. Und wir wissen, dass andere Teams auch nicht stillsitzen werden. Also auch wenn dieser Sieg der perfekte Weg war, um wieder nach Europa zurückzukommen und sich auf Istanbul vorzubereiten, so war das erst der Start des Kampfes.