Die neue Saison steht vor der Tür. Am 27. März startet die Formel 1 mit dem Großen Preis von Australien ins neue Jahr und wie immer stehen dabei auch viele Neuerungen und Veränderungen im Vordergrund, die sich erstmals unter Rennbedingungen beweisen müssen. Damit sind aber nicht nur Material und Technik der Teams gemeint, sondern 2011 auch ganz besonders die neuen Regeln. Für die anstehende Saison hat sich die FIA zahlreiche Neuheiten im Reglement einfallen lassen - für Spannung dürfte also ausreichend gesorgt sein.

Eine der einschneidensten Veränderungen für die anstehende Saison ist der Wechsel des Reifenlieferanten. Bridgestone ist Vergangenheit, ab sofort liefert Pirelli die Pneus als Monopolist. Der Vertrag der Formel 1 mit dem italienischen Unternehmen läuft derzeit bis 2013. Wie schon in der vergangenen Saison muss jeder Fahrer während eines trockenen Rennens beide Spezifikationen der Trockenreifen einsetzen.

Die richtige Reifenwahl wird für die Teams 2011 nicht immer ganz einfach, Foto: Pirelli
Die richtige Reifenwahl wird für die Teams 2011 nicht immer ganz einfach, Foto: Pirelli

Jeder Pilot erhält überdies elf Reifen-Sets pro Rennwochenende, davon dürfen drei Sätze im 1. und 2. Freien Training genutzt werden. Danach muss ein Paar zurückgegeben werden. Weitere acht Reifensätze dienen für das restliche Wochenende. Pirelli hat bereits angekündigt, für den Start in Melbourne die weiche und die harte Mischung mitzubringen, nachdem sich zahlreiche Fahrer über den hohen Verschleiß der neuen Reifen beschwert hatten.

2011 erlebt die Formel 1 zudem die Rückkehr eines alten Bekannten: Das KER-System feiert nach einjähriger Abwesenheit sein Comeback. Das Kinetische Energie-Rückgewinnungs-System verschafft dem Fahrer per Knopfdruck am Lenkrad einen zeitlich begrenzten Zuwachs an Leistung, indem beim Bremsen angesammelte Energie durch das Hybrid-System in zusätzliche Leistung umgewandelt wird. Der Pilot kann die Mehrleistung entweder auf einmal nutzen oder auf eine laufende Runde verteilen. Da die Aufnahme des Systems das Gewicht eines Autos anhebt, hat die FIA das Mindestgewicht eines F1-Boliden inklusive Fahrer auf 640 kg angehoben. Dadurch haben körperlich schwerere Fahrer keinen Nachteil.

Verstellbarer Heckflügel im Fokus

Nach dem Verbot des F-Schachtes und des Doppel-Diffusors bietet die FIA den Fahrern für 2011 eine andere Möglichkeit, Überholvorgänge zu erleichtern: den verstellbaren Heckflügel. Dieser verschafft dem Fahrer während eines Rennens kurzzeitig einen Gewinn an Geschwindigkeit. Auf Knopfdruck klappt der Flügel förmlich am Heck herunter, was weniger Abtrieb und somit mehr Speed zur Folge hat.

Der verstellbare Heckflügel ist 2011 die Schlüsselstelle der Boliden, Foto: Sutton
Der verstellbare Heckflügel ist 2011 die Schlüsselstelle der Boliden, Foto: Sutton

Doch für den Gebrauch des Heckflügels gibt es klare Regeln. Beim Freien Training und während des Qualifyings darf er uneingeschränkt benutzt werden. Beim Rennen sieht das anders aus: Hier darf er nur aktiviert werden, wenn der Rückstand des Piloten auf seinen Vordermann an einem bestimmten Punkt der Strecke eine Sekunde oder weniger beträgt. Der verstellbare Heckflügel wird automatisch deaktiviert, wenn der Fahrer auf die Bremse tritt. Außerdem müssen Getriebe in dieser Saison fünf statt nur vier Rennwochenenden halten.

Nicht nur das Rennen selbst muss sich Regeländerungen unterwerfen, auch beim Qualifying gibt es eine Neuheit - die so genannte 107-Prozent-Regel. Diese richtet sich vor allem an die kleineren Teams im Feld und dürfte den Taschenrechner zeitweise zum Glühen bringen. Sollte die schnellste Runde eines Piloten im ersten Qualifying-Segment nicht innerhalb von 107 Prozent des Schnellsten liegen, darf der Betroffene nicht beim Rennen starten. Ausnahmen seitens der FIA gibt es trotzdem. Die Rennkommissare können das betroffene Auto zum Rennen zulassen, wenn besondere Umstände entstehen. Beispielsweise, wenn ein Pilot eine ausreichend schnelle Rundenzeit erzielt hat, obwohl er die 107-Prozent-Regel gebrochen hat.

Härtere Strafen möglich

Reagiert hat die FIA auch auf die massive Kritik an der Stallorder im vergangenen Jahr. In der neuen Saison gibt es zwar garantiert auch wieder zahlreiche Kontroversen - die der Teamorder gehört allerdings nicht mehr dazu. Die Motorsportbehörde hat den Artikel über das Verbot der Stallregie aus dem Sportlichen Reglement ganz einfach herausgestrichen und hofft so den zahlreichen Diskussionen vorzubeugen.

Im Gegenzug hat man dafür allerdings die Härte der Strafen erhöht. Den Rennkommissaren steht an einem Rennwochenende nun ein viel breiteres Spektrum an Strafen zur Verfügung, um Regelverstöße zu ahnden. Diese haben es in der Tat in sich: Von Zeitstrafen über den Ausschluss vom Rennergebnis, bis hin zu einer Sperre für das folgende Rennen erstrecken sich die Möglichkeiten der Stewards 2011.

HRT reist praktisch ohne Testerfahrung nach Down Under - ob der neue Bolide auf Grund der 107-Prozent-Regel daher auch am Sonntag in der Garage bleiben muss bleibt abzuwarten., Foto: Sutton
HRT reist praktisch ohne Testerfahrung nach Down Under - ob der neue Bolide auf Grund der 107-Prozent-Regel daher auch am Sonntag in der Garage bleiben muss bleibt abzuwarten., Foto: Sutton

Förderlich soll sich das vor allem in puncto Sicherheit auswirken. Auch hier hat sich die FIA noch einmal intensiv Gedanken gemacht und zudem beschlossen, dass beispielsweise jedes Rad eines Formel-1-Boliden mit einem weiteren Seil gesichert werden muss. Schon in der vergangenen Saison mussten die Räder bereits mit einem Stahlseil befestigt werden - doch immer wieder hatten sich diese bei Unfällen trotzdem vom Chassis gelöst und für ein erhöhtes Risiko aller Beteiligten gesorgt.

Zu guter Letzt hat die FIA für die kommende Saison eine Art nächtliche Sperrstunde eingeführt. Diese gilt für alle Teammitglieder, die direkt am Auto arbeiten. So dürfen sich die Betroffenen während zwei sechsstündiger Zeiträume vor dem 1. Freien Training am Freitag und dem 3. Freien Training am Samstag nicht an der Strecke aufhalten. Jedes Team hat pro Saison allerdings vier Mal die Gelegenheit, diese Regel zu ignorieren. Damit besteht die Möglichkeit sich diesen Vorteil aufzusparen und somit eventuell am Ende der Saison als taktischen Schachzug einzusetzen, um besser da zu stehen, als die Konkurrenz. Bis sich alle Beteiligten aber wirklich an die Flut der neuen Regeln gewöhnt haben, dauert es sicher noch ein bisschen - doch auch in der Natur des Chaos lässt sich ja bekanntlich durchaus Spannung finden.