HRTs Neuer: Wundertüte F111, Foto: Sutton
HRTs Neuer: Wundertüte F111, Foto: Sutton

An jedem Tag der Testfahrten herrscht ziemlich genau eine Stunde Ruhe auf der Strecke. Mittagspause. Die Teams ziehen sich in ihre Boxen zurück, die Journalisten ins Pressezentrum oder in die Kantine. Eine Stunde ohne Motoren-Sound oder wildes Umherwuseln auf und an der Strecke. Nicht so am Freitag in Barcelona.

Bei einem Team herrschte während der Pause reger Betrieb in der Box. Pressevertreter strömten in Scharen heran um etwas zu begutachten, was vorher noch niemand gesehen hatte: das neue Auto von HRT. Da stand er nun, der F111 samt Fahrer-Duo Narain Karthikeyan und Last-minute-Verpflichtung Vitantonio Liuzzi. Freitag sollte der große Tag für das kleine Team werden - der erste Rollout überhaupt mit der Neuentwicklung.

Jeder war gespannt. Würde der von Hollywood-Designer Daniel Simon designte Bolide wirklich über den Circuit de Catalunya fegen? Schön sieht er aus, keine Frage. Doch wir befinden uns in der Formel 1, nicht auf einem Schönheitsköniginnen-Wettbewerb. Deshalb stellten sich alle Anwesenden nach dem Ende der Mittagspause die bange Frage: Wo steckt der HRT?

Die ernüchternde Antwort folgte wenig später. "Unglücklicherweise haben wir die Dämpfer nicht aus dem Zoll bekommen. Deshalb können wir nicht fahren. So ist das Leben und wir werden dieses Problem bewältigen", gab Teamchef Colin Kolles Aufschluss.

Der Zoll legte HRT lahm. Es war der vorläufige Höhepunkt einer katastrophalen Vorbereitung auf die anstehende Saison. Ob man in diesem Fall überhaupt von Vorbereitung sprechen darf, sei einmal dahin gestellt. Fakt ist: Hispania startet am 27. März beim Auftakt in Australien mit einem Auto, dass quasi über keinerlei Streckenerfahrung verfügt. Mit zwei Fahrern an Bord, für die das gleiche gilt.

Schönheit allein reicht nicht, Foto: Pirelli
Schönheit allein reicht nicht, Foto: Pirelli

Nun könnte man sagen: "Respekt HRT! Ein kleines Team mit stark begrenzten finanziellen Mittel hat es geschafft, ein eigenes Auto zu bauen." Ich meine: "Viel Glück HRT! Hoffentlich kommt in Melbourne niemand zu Schaden." Stand heute stellt das Auto ein absolutes Sicherheitsrisiko da - sowohl für die beiden HRT-Starter, als auch für das restliche Fahrerfeld. Niemand - wirklich niemand - weiß, wie sich der F111 auf dem Kurs verhält. Die aktuelle Sicherheitsdebatte in der Formel 1 sollte neben den verschleiß-freudigen Reifen, dem neuen Heckflügel und den zahlreichen Knöpfen am Lenkrad auch noch HRT mit auf die Liste setzen.

Allerdings wissen die F1-Piloten nach tausenden Testkilometern inzwischen einigermaßen, wie sich der Heckflügel und die Pirelli-Pneus verhalten - bei HRT weiß man es nicht. Nicht einmal Hispania selbst. "Am Ende des F1-Feldes ist das Leben schon hart genug. Gerade wurde es noch härter", twitterte Karthikeyan nach dem Zoll-Debakel. Recht hat er. Ob er damit auch die Fahrerkollegen meinte, die sich auf den hinteren Plätzen mit dem HRT herum plagen müssen?

Man kann fast von Glück reden, dass der Bahrain-GP abgesagt wurde. Mehr Zeit für HRT, ein halbwegs sicheres Auto an die Strecke zu bringen. "Wir wären auch für Bahrain soweit gewesen", meinte Kolles. "Die Frage ist allerdings, in welcher Spezifikation wird dort aufgekreuzt wären." Die Frage ist auch: Mit oder ohne Dämpfer?

Es bleibt nur zu hoffen, dass HRT in der Lage ist, für Melbourne ein ansatzweise Wettbewerbs-taugliches Autos an den Start zu stellen. Sonst verkommt das Team zur völligen Lachnummer in der Königsklasse - mit oder ohne Dämpfer.