Pro: Der Biss macht's

von Kerstin Hasenbichler

Ruhe bewahren und Köpfchen beweisen wie Jenson Button es gerne macht, ist ja gut und schön, führt aber nicht immer zum gewünschten Erfolg. So saß der Brite in Barcelona 20 Runden hinter Michael Schumacher fest. Button fehlte der nötige Biss. Wie es anders geht, zeigt Lewis Hamilton. Keiner überholte im ersten Saisondrittel mehr als er.

Qualmende Reifen und glühende Bremsscheiben gehören beim Briten zur Tagesordnung. Mit seinen Überholmanövern erinnert Hamilton an Rennfahrer aus vergangenen Tagen. Zu Zeiten von Ayrton Senna, Gilles Villeneuve und Niki Lauda hatten die F1-Piloten noch Eier in der Hose. Mit ein Grund, weshalb die Formel 1 als Königsklasse des Motorsports gilt.

Wenn es Lewis Hamilton qualmen lässt, ist er in seinem Element, Foto: Sutton
Wenn es Lewis Hamilton qualmen lässt, ist er in seinem Element, Foto: Sutton

Rücksicht auf den Gegner nehmen, bringt einen vielleicht den Ruf als Gentleman ein, aber nicht den WM-Titel - wie man bei David Coulthard in den 90er Jahren gesehen hat. Als F1-Pilot muss man sich das, was man will, einfach nehmen. Wie das geht, zeigte Fernando Alonso - seinerseits zweifacher Champion - in China. Um als Erster stoppen zu können, überholte er seinen Teamkollegen Felipe Massa mit einem riskanten Überholmanöver in der Boxeneinfahrt.

Die Szene war eine der heißesten im ganzen Rennen, für den Spanier nur eine "normale Episode im Rennen". Kritik lassen Alonso oder Hamilton kalt. Sie konzentrieren sich aufs Fahren und aufs Gewinnen - mehr muss ein Rennfahrer auch nicht.

Contra: Der Clevere wird Champion

von Stephan Heublein

Vollblutrennfahrer wollen um jeden Preis gewinnen. Dabei überschreiten sie schon einmal die Grenze - des Autos, aber auch der Regeln. Wenn Lewis Hamilton in Schlangenlinien vor seinem Gegner hin und herzackt, wenn er seinen Konkurrenten neben die Strecke drängt und wenn er jegliche Rücksicht außer Acht lässt, braucht er sich nicht wundern, wenn die Rennkommissare aus den Verwarnungen richtige Strafen machen. Sebastian Vettel wurde in Australien 2009 für weniger bestraft. Klar, ohne packende Rad-an-Rad-Duelle fehlt der Formel 1 das Salz in der Suppe, aber Spannung muss Fairness nicht ausschließen.

Alain Prost galt nicht umsonst als der Professor - und sammelte so viele Pokale, Foto: Sutton
Alain Prost galt nicht umsonst als der Professor - und sammelte so viele Pokale, Foto: Sutton

Aber selbst wenn die Zweikämpfe fair bleiben, kann ein zu aggressiver Fahrstil von Nachteil sein. Das beste Beispiel sind die beiden McLaren-Teamkollegen: Jenson Button hat sich den Beinamen des Reifenflüsterers erarbeitet, ein fürchterlich dämlicher Begriff, aber so wahr: Während Hamilton mit seinem Fahrstil die Reifen überstrapaziert und dabei Abflüge und Reifenschäden riskiert, fährt Button mit cleveren Strategien und ohne unnötiges Risiko zum Sieg.

Das ist keine neue Erkenntnis. Nicht umsonst galt der vierfache Champion Alain Prost als der Professor: Er wusste genau, wann sich eine Aktion lohnte und wann man lieber das Material streichelte. Aggressive und spektakuläre Fahrer erobern die Herzen der Fans, vorausschauende und smarte Denker gewinnen den WM-Titel.

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