In der Red Bull Box ist die Spannung zwischen links und rechts, zwischen dem Webber- und dem Vettel-Lager, an diesem Wochenende in Montreal deutlich zu spüren. Alles öffentliche Glattbügeln, alles Gerede, das Thema des Istanbul-Crashs sei abgehakt, man blicke jetzt nur noch in die Zukunft, funktioniert bei den Betroffenen offensichtlich nicht wirklich.

Und die wachsweiche Haltung von Teamchef Christian Horner, der hier zum Teil um 180 Grad das Gegenteil erzählt wie in Istanbul und plötzlich behauptet, die Anweisung an Webbers Renningenieur, den aufzufordern, Vettel zumindest nicht zu sehr zu behindern, hat die Sache nicht besser gemacht. Horner knickte nach den heftigen Attacken vor allem in der britischen Presse, Red Bull würde Mark Webber gegenüber Vettel unfair benachteiligen, übrigens von dem Australier in einigen "Hintergrundgesprächen" durchaus geschürt, offenbar ein und versuchte, vor allem sich selbst aus der Schusslinie zu bringen.

Und Dr. Helmut Marko, der sich ja in und nach Istanbul ganz klar positioniert hatte, nicht nur an der Strecke selbst, sondern auch noch danach in einem langen Auftritt bei Servus-TV, sehr deutlich positionierte und den unterschiedlichen Wissensstand der beiden Fahrer und das Zustandekommen der Situation erklärte, widerspricht Horner jetzt nicht mehr, sondern sagt nur: "Das Thema ist abgehakt, denn es wurde intern so geregelt, dass alle damit leben können. Die Details sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Damit ist es abgehakt und wir schauen in die Zukunft."

Sebastian Vettel steht unschuldig im Kreuzfeuer der Kritik, Foto: Sutton
Sebastian Vettel steht unschuldig im Kreuzfeuer der Kritik, Foto: Sutton

Abgehakt ist es aber eben nicht wirklich: Denn erstens steht damit Marko öffentlich als derjenige da, der nach Istanbul falsche Informationen gegeben habe. Was ihn offenbar nicht stört, solange es seiner Ansicht nach dem Team dient, "und wir brauchen da ein konstruktives Arbeitsklima." Aber zweitens - und das ist das größere Problem: Sebastian Vettel hat man damit praktisch zum Abschuss durch die internationalen - vor allem die britischen - Medien freigegeben. Die versuchten schon am Donnerstag, den Deutschen auseinander zu nehmen, nach dem Motto, du bist schon genauso wie Michael Schumacher - der kann sich auch nicht entschuldigen, auch nicht zugeben, wenn er einen Fehler gemacht hat.

Was Vettel in eine äußerst schwierige Situation brachte: Denn warum sollte er sich für etwas entschuldigen, was nicht sein Fehler, sondern ein unter den gegebenen Umständen völlig normales Vorgehen war? Andererseits darf er aber angesichts der internen Sprachregelung nicht öffentlich aussprechen, was wirklich passiert ist. So versuchte Sebastian, das durch die Blume zu sagen, indem er formulierte: "Wenn ich wirklich einen Fehler gemacht habe, dann bin ich der erste, der das zugibt." Da brauche man bloß einmal in der Box bei seinen Mechanikern nachfragen... Leistungsfördernd ist solch unnötiger Stress für einen 22-jährigen WM-Kandidaten sicher nicht.