Istanbul war ein richtig gutes Wochenende für mich, auch wenn ich am Freitag Vormittag zuschauen musste, damit Sakon Yamamoto auch mal ein paar Kilometer im Auto bekam, falls er doch mal plötzlich einspringen muss. Dadurch, dass die Strecke am Anfang sowieso sehr schmutzig war, war der Verlust nicht so groß - was wir in Sachen Abstimmung am Nachmittag aus Zeitgründen nicht mehr ganz hinbekommen haben, haben wir dann am Samstag Vormittag aussortiert - und ich war dann mit dem Auto wirklich recht zufrieden.

Das Team hat das ganze Wochenende sehr gut gearbeitet, wir haben das Auto immer weiter verbessert, ich hatte dann richtig Vertrauen bekommen, so dass ich immer mehr pushen konnte, auch, weil ich wusste, dass die Strafe für kleine Fehler nicht mehr ganz so groß sein würde. Trotzdem war die Kurve Acht natürlich immer noch ein bisschen ein Abenteuer, auch wenn wir dort 20, 30 km/h langsamer waren als die Schnellsten - aber man hat das wohl auch in den Onboard-Kameraaufnahmen gesehen, dass ich da ganz schön kämpfen musste.

Die Formkurve von HRT zeigt nach oben, Foto: Sutton
Die Formkurve von HRT zeigt nach oben, Foto: Sutton

Trotzdem - es war das erste Mal, dass wir zumindest mit einigen unserer ebenfalls neuen Konkurrenten einigermaßen mithalten konnten. Im Qualifying habe ich immerhin Lucas di Grassi im Virgin hinter mir halten können - obwohl die Runde zwar gut, aber noch nicht hundertprozentig optimal war. Ein, zwei kleine Fehler waren drin - zwei, drei Zehntel besser wären schon noch möglich gewesen.

Leider hat sich im Qualifying aber auch schon das Problem mit dem Benzintank gezeigt, dass uns im Rennen zum Verhängnis werden sollte. Ich konnte mit dem zweiten Satz Reifen keine zweite schnelle Runde mehr fahren, weil da der Benzindruck wegblieb, obwohl wir mit einer ganzen Menge Sicherheitsreserve unterwegs waren. Am Freitag hatten wir eine neue Tankversion ausprobiert, die hat aber nicht funktioniert, also mussten wir auf die alte zurückwechseln.

Was da passiert, ist Folgendes: In den schnellen, langen Kurven, von denen es in Istanbul sehr viele gibt, wird, wenn der Tank etwas leerer wird, der Sprit durch die Fliehkräfte nach außen gedrückt, dann bleibt nicht mehr genügend in dem zehn Liter fassenden Catchtank, an dem die Benzinpumpen ansetzen - und dann ist natürlich der Benzindruck weg. Das Problem ist erkannt, wohl auch die Tatsache, dass es mit diesem Tank, vielleicht auch mit diesem Hersteller, nicht mehr zu lösen ist, dass man andere Konsequenzen ziehen muss. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass es bis Montreal erledigt ist - ich hoffe jedenfalls schwer darauf.

Das Rennen ging erst mal mit einem etwas chaotischen Start los. Jarno Trulli hat sich aus Versehen auf meinen Startplatz gestellt, ist erst in letzter Sekunde vorgezogen, da habe ich mich schon nicht mehr getraut, damit das nicht etwa als Frühstart interpretiert werden könnte. Ich stand dann also auf Chandhoks Platz, Karun klebte ganz knapp hinter mit, er hat nicht mal die Ampel gesehen... Trotzdem kam ich gleich an Timo Glock vorbei, der einen schlechten Start hatte, in der ersten Kurve war ich dann eher vorsichtig, habe aber erstmal noch Plätze gewonnen, weil sich Hülkenberg und Buemi wohl irgendwie in die Haare gekommen sind und da auch Chaos entstand.

Als Hülkenberg nach seinem Boxenstopp wieder hinter mir auftauchte, habe ich ihn nicht direkt vorbei gewunken, aber ich habe ihm das Überholen auch nicht besonders schwer gemacht, weil ich sonst nur unnötig Zeit verloren hätte. Er war nicht wirklich mein Gegner, meine Gegner waren die Virgins hinter mir und die Lotus - wobei die mit ihrem neuen Heckflügel schon einen Schritt nach vorne gemacht haben. Bis wir unsere ersten großen Aero-Updates kriegen - ich hoffe, bis Hockenheim - wird es wohl schwierig werden, die wirklich einzuholen.

Bruno Senna möchte wieder Zweikämpfe bestreiten, Foto: Sutton
Bruno Senna möchte wieder Zweikämpfe bestreiten, Foto: Sutton

Jedenfalls hatte ich einen recht guten Rhythmus, auch wenn die weicheren Option-Reifen, auf denen ich gestartet bin, dann doch etwas nachgelassen haben, die Balance schlechter wurde, so dass Timo doch vorbeigekommen ist. Aber nach dem Boxenstopp, bei dem ich leider ein bisschen Pech hatte, weil gerade eine ganze Schlange von Autos vorbeikam, als ich wieder rausfuhr, hatte ich mit den härteren Primes wieder eine gute Balance, habe dann auch schnell wieder auf di Grassi aufgeschlossen, der noch nicht an der Box war.

Hinter ihm habe ich allerdings noch mal ein bisschen Zeit verloren, weil ich beim Überholen nicht allzuviel riskieren wollte, um mir nicht mein bis dahin gutes Rennen zu zerstören. Einmal gab es sowieso einen etwas kritischen Moment, als wir beide überrundet wurden und ein bisschen Chaos mit den blauen Flaggen war... Ich habe jedenfalls auf eine Situation gewartet, wo klar war, dass ich weitgehend risikolos vorbei kommen würde. Danach hatte ich wieder eine recht gute Pace, bis halt die Probleme mit dem Benzin wieder kamen. Ich habe noch zwei, drei Runden versucht, weiterzufahren, um vielleicht wenigstens doch noch in die Wertung zu kommen - aber es hatte keinen Sinn, ich musste aufhören, sonst wäre nur noch der Motor kaputt gegangen.

Natürlich war ich danach, genauso wie das Team, ziemlich enttäuscht, dass wir für unseren wirklich guten Job wieder keine Belohnung bekommen haben. Andererseits: Es war jedenfalls das erst Mal, dass ich in der Formel 1 ein wirkliches Rennen gefahren bis, dass ich mit Konkurrenten kämpfen konnte. Das war wesentlich interessanter als bisher, hat eine Menge Spaß gemacht. Sicher ist das auch zusätzliche Motivation für das gesamte Team, sich noch mehr reinzuhängen, was die Entwicklung des Autos angeht - jetzt, wo nach der endgültig auch offiziell besiegelten Trennung von Dallara alles in unserer Hand liegt und wir die entsprechenden Möglichkeiten haben.

Auch die gewissen strukturellen Veränderungen im Team, der Einstieg verschiedener spanischer Geschäftsleute, sollte dazu beitragen, dass es da bald sichtbare Fortschritte gibt. Alle arbeiten Hand in Hand, man sieht schon, dass das gesamte Team im Laufe der Zeit immer mehr Richtung und Orientierung bekommt. Für jemanden wie die Carabantes war es schwierig, in die Formel 1 zu kommen, ohne sie zu kennen - aber sie gewinnen immer mehr Erfahrung, lernen sehr schnell. Wir sind alle gemeinsam durch die ganz schweren Zeiten am Anfang gegangen, jetzt wollen wir auch gemeinsam die hoffentlich bald besseren erleben.

Kanada sollte eine Strecke sein, auf der wir wieder ganz gut aussehen könnten. Schließlich braucht man dort noch weniger Downforce als in Istanbul, vor allem hinten - das sollte ein Vorteil für uns sein, auch wenn die Stabilität des Autos schon wichtig ist, vor allem auf den vielen Bodenwellen. Aber durch die langen Gerade zählt auch der Top Speed wieder - und das ist eine unserer Stärken. Wir beide, Karun und ich, kennen die Strecke zwar nicht, aber das ist nicht wirklich ein Problem, die ersten eineinhalb Stunden freies Training reichen normalerweise locker aus, um einen Kurs zu lernen. Wenn wir das Auto wieder so hinbekommen wie in der Türkei, so, dass ich wieder die ganze Zeit voll angreifen kann, dann könnten wir vielleicht wirklich wieder ein echtes Rennen mit den anderen Neuen fahren und diesmal hoffentlich auch endlich mal wieder ankommen!