Auf den Audi-Vierfachsieg in Zandvoort folgte der vierfache Mercedes-Triumph an der Nürburg. Und wieder hatte schon nach dem Start einfach keine Spannung mehr in der Frage aufkommen wollen, welches Markenemblem das spätere Siegerfahrzeug trägt. In der Meisterschaft wurde endgültig die Vorentscheidung eines Vierkampfes zwischen Timo Scheider, Paul di Resta, Jamie Green und Mattias Ekström gefällt. Und doch war alles ganz anders als in den Niederlanden...

Vorschnelle Niederlage

Um die Audi-Führung war es nach wenigen hundert Metern geschehen, Foto: DTM
Um die Audi-Führung war es nach wenigen hundert Metern geschehen, Foto: DTM

Nach vier Audi-Piloten in Zandvoort waren es in der Eifel sieben Mercedes-Piloten, die in Führung liegend aus der ersten Runde kamen. Auf ganzer Linie war die Ingolstädter im Strategieduell der beiden Hersteller bereits vor dem Start des Rennens gescheitert. Leichter Nieselregen, aber sieben von zehn Autos auf Regenreifen - für Dr. Wolfgang Ullrich eine logische Entscheidung. "Zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Regenreifen war es für uns klar, dass der Regen stärker wird und alles andere als Regenreifen falsch wäre. In diesem Fall konnte ich mich beim besten Willen nicht fürs Falsche entscheiden", sagte der Audi-Sportchef. Doch er konnte.

Die Antwort auf die Frage, wieso man sich aus einer komfortablen Position in der Startaufstellung heraus bei der Reifenwahl nicht zumindest teilweise für die konservative Mercedes-Taktik entschied, blieb man bei Audi schuldig. Auch Markus Winkelhock sah sich von der Reifenentscheidung gehandicapt - und wechselte ebenso wie die Ingolstädter Titelkandidaten noch vor dem Start zurück auf Slicks. "Es war trotz des Nieselregens viel Grip vorhanden und nur selten rutschig", berichtete der Rosberg-Pilot, der am Ende dennoch nur knapp am Einzug in die Punkte scheiterte - anders als erstmals Ralf Schumacher.

36 Runden später als erhofft kam das Audi-Wetter, Foto: GEPA
36 Runden später als erhofft kam das Audi-Wetter, Foto: GEPA

Für Audi kam der Regen mit rund 50-minütiger Verspätung. "Sieben Runden vor Schluss haben wir uns für Regenreifen entschieden. Damit hatte sich das Auto gut angefühlt", sagte Winkelhock. Paul di Resta und Timo Scheider konnten dies bestätigen: Anders als viele Kollegen entschieden auch sie sich für einen weiteren Boxenstopp - und sahen sich zumindest im Falle Scheiders belohnt. Ausgestattet mit Reifenprofil schob sich der Meisterschaftsführende noch auf den letzten Metern vorbei an Mattias Ekström auf Position fünf - und wurde bester Audi-Pilot...

Nachsichtige Entscheidungen

Nach einem eher ruhigen Wochenende in Zandvoort erlebte auch die Rennleitung in der Eifel einige arbeitsame Tage. Auf die Diskussionen um Artikel 48.5 des Sportlichen Reglements und die Wahl des Qualifying-Ergebnisses folgten am Sonntag ungewohnt hitzige Duelle, die die Sportkommissare um Rennleiter Sven Stoppe beschäftigten. Lobenswerterweise hielt man sich auch diesmal mit einer allzu eifrigen Strafvergabe zurück - und beließ es bei Verwarnungen. Diese trafen neben Mattias Ekström, der bei Gary Paffett einmal mehr als deutlich anklopfte, auch besagten Briten:

Gary Paffett präsentierte sich temperamentvoll, Foto: DTM
Gary Paffett präsentierte sich temperamentvoll, Foto: DTM

"Die Aktion von Gary war ziemlich überflüssig. Über Monate hat man im letzten Jahr über den Zweikampf Scheider vs. Spengler in Zandvoort genörgelt", klagte Timo Scheider, der bei einer seiner zahlreichen Begegnungen mit dem später viertplatzierten Paffett sein Fahrzeug allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen sah. "DTM ist für mich dann fairer Sport, wenn man Lackaustausch hat, aber eben nicht andere ins Kiesbett drückt oder dem Gegner ganze Teil vom Auto fährt." Paffett fand an seinem Zweikampf mit Scheider nichts Zweifelhaftes - und sah selbst die Angriffe von Ekström weit lockerer als die Rennleitung...

Lediglich Katherine Legge traf es mit einer Rückversetzung um fünf Startplätze in Brands Hatch vergleichsweise hart - wenn die Strafe auch angesichts ihrer angestammten Position in der letzten Startreihe zu verschmerzen sein dürfte. "Katherine hat einen Fehler in der Schikane gemacht, dann wollte ich innen vorbei, sie fuhr nach rechts. Ich kann ja nicht in die Boxeneinfahrt reinfahren, also muss sie mir irgendwann auch einmal etwas Platz geben", schildert Maro Engel den Zweikampf mit der Britin, der für beide Beteiligten im Kiesbett endete. "Dann zog sie noch weiter nach rechts - dass es dann kracht, ist logisch."

Vorzeitiges Ende

Tom Kristensen wurde zur tragischen Figur des Rennens, Foto: DTM
Tom Kristensen wurde zur tragischen Figur des Rennens, Foto: DTM

Ohne Fremdeinwirkung hatte es derweil fast zeitgleich Tom Kristensen in den Kies geschafft. Der Däne erlebte nach seiner Pole Position im Sonntag einen erneuten Rückschlag im Rennen - und wurde anschließend nicht mehr an der Strecke gesichtet. Ebenso wie Martin Tomczyk und Mike Rockenfeller, die ebenfalls erst nach der ersten Runde zurück auf Trockenreifen wechselten, erlebte Kristensen ein mehr als nur frustrierendes Rennen. Tomczyk klagte: "Faktisch gab es keine Aufholjagd mehr. Ich wusste, dass es ohnehin nicht mehr in die Punkte schaffe."

"Es war eine Herumeierei inklusive Vorbeilassen anderer Fahrer. Für mich hatte das Rennen keinen Sinn mehr gemacht", führte der bayrische Abt-Audi-Pilot aus. Auch für ihn nahm ein quälender siebter Saisonlauf ein vorzeitiges Ende, als ein Verschleißteil für den Bruch der Radaufhängung sorgte. Mike Rockenfeller zeigte sich niedergeschlagen wie selten zuvor - und erinnerte in seiner Gefühlslage an seinen einstigen Teamkollegen Lucas Luhr, der am Ende des vergangenenen Jahres entnervt das Handtuch schmiss: "Es ist extrem frustrierend, denn das wäre eine gute Chance gewesen, Punkte zu sammeln." Das Auto sei eigentlich mehr als konkurrenzfähig gewesen...

Schneider voraus

Bisher kämpfte Bernd Schneider mit dem Qualifying - diesmal war er konkurrenzlos, Foto: DTM
Bisher kämpfte Bernd Schneider mit dem Qualifying - diesmal war er konkurrenzlos, Foto: DTM

Was für die Abt-Audi-Piloten auch auf dem Nürburgring möglich gewesen wäre, zeigten Mattias Ekström und Timo Scheider mit einer eindrucksvollen Aufholjagd. Nach dem Start aus der Boxengasse rollten sie das Feld von hinten auf - und schoben sich selbst an Bruno Spengler vorbei, der bereits in der ersten Runde im vorderen Mittelfeld hatte mitmischen können. So war der überdeutliche Sieg Bernd Schneider vor allem den unangefochtenen Regenkünsten des Altmeisters geschuldet. Der fünffache Champion, der an den Samstagen zurzeit mehr gegen das Qualifying selbst als gegen die Konkurrenz zu kämpfen scheint, knüpfte an alte Tage an.

Während sich so mancher Kollegen auf den verregneten letzten Runden auf Trockenreifen nur mit Mühe von den Nürburger Kiesbetten fernhielt, war Schneider ganz in seinem Element - und erinnerte sich an vergangene Tage. "Während des Rennens habe ich an Sao Paulo 1996 gedacht. Damals hat uns unser Chefkonstrukteur bei starkem Regen auf Slicks losgeschickt - die Situation war ähnlich. Damals haben wir dadurch das Rennen, aber auch die Meisterschaft verloren", schildert der Saarländer den verlorenen Titelkampf mit gegen den späteren ITC-Champion Manuel Reuter. "Diesmal war der Wettergott gnädig mit uns."