Viele Emotionen und unzählige Bilder sind in mir hochgekommen, als ich in Oschersleben als Erster die Ziellinie überfuhr - Bilder aus mehr als sieben Jahren in der DTM. Der erste Sieg ist ein ganz besonderes Gefühl, nachdem lange und harte Jahre in der DTM hinter mir liegen. Ich habe in meiner Anfangsphase gerade bei Opel viel lernen dürfen - vor allem das Kämpfen mit unterlegenem Material. Bei Opel habe ich gelernt, nie aufzugeben, und das hat mich sicherlich in vielen Situationen meines Lebens stärker gemacht. Dann kam Gott sei Dank eines Tages Dr. Wolfgang Ullrich, der mir die Möglichkeit gegeben hat, bei Audi fahren zu können. Für mich war es immer ein Wunsch, irgendwann bei Audi zu landen, denn für mich ist Audi im Gesamtauftritt eine tolle Marke - die Chemie zwischen Audi und mir stimmt.

Telefonate mit Folgen

Zum Jahreswechsel 2005/2006 habe ich immer wieder versucht, Dr. Ullrich zu erreichen und einen Kontakt aufzubauen. Ich wollte jede auch noch so kleine Möglichkeit nutzen, zurück in die DTM zu kommen, denn die Serie hatte sich seit 2000 zur europaweit, nicht sogar weltweit wichtigsten Tourenwagenserie entwickelt. Es gab mehrere Telefonate mit Dr. Ullrich, die zunächst schwierig waren, aber am Ende zum Erfolg geführt hatten. Für mich war das eine Sensation, denn 2005 war ein extrem schwieriges Jahr für mich: Damals hatte ich keine guten Karriereaussichten - es schien schon fast so wie das Ende meiner Karriere. Und das, obwohl ich mit dem Vizetitel in der FIA-GT-Meisterschaft durchaus erfolgreich war.

Im Jahreswagen konnte ich 2006 Dr. Ullrichs Vertrauen gleich in Ergebnisse umsetzen, ich wurde bester Audi-Jahreswagenpilot und habe 2007 die Möglichkeit bekommen, in den Abt-Audi-Kader zu stoßen. Es hat eine halbe Saison gedauert, bis das Team und ich zusammengefunden haben - danach ging es mit einem neuen Renningenieur aufwärts für mich. Dieser Aufwärtstrend hat sich bis heute fortgesetzt: Die Saison 2008 hat für mich grandios angefangen. Schon in Hockenheim lief es nahezu perfekt; in Oschersleben habe ich mit Bestzeiten in allen Trainings, der Pole Position, der Schnellsten Rennrunde und dem ersten Sieg ein Wochenende erlebt, wie es perfekter nicht hätte sein können. Man müsste einmal in den Statistiken nachschauen, ob es das schon einmal gegeben hat - schade, dass es nicht auch für die Schnellste Runde und die Pole Position Punkte gibt...

Schluss mit dem Gerede

Timo Scheider wies die Verfolger in die Schranken, Foto: Sutton
Timo Scheider wies die Verfolger in die Schranken, Foto: Sutton

Der Erfolg hat mein Selbstbewusstsein weiter gestärkt - und ich hoffe, dass ich damit auch das Team weiter nach vorne bringen kann. Endlich ist Schluss mit dem Gerede: Wann kommt endlich der erste Podestplatz, wann endlich der erste Sieg? Jetzt gibt es nur noch "Maximum Attack", und ich bin stolz darauf, mein Etappenziel für die neue Saison erreicht zu haben: Ich wollte schon in den ersten drei Rennen so gut dabei sein, dass ich ein Kandidat auf Siege und den Titel bin.

Als Tom am Start an mir vorbeischoss, war meine erste Reaktion: Verdammt, nicht schon wieder. Im zweiten Moment wurde mir bewusst, dass Tom ein Frühstart passiert war, denn die roten Lampen waren noch immer nicht erloschen. Ich habe mich dennoch bei meinem Ingenieur versichert und gefragt, ob ich Tom attackieren muss - doch nachdem mir Toms Jump Start bestätigt wurde, konnte ich mir mein Rennen selbst einteilen. Das Rennen selbst war für mich unspektakulär; ich konnte mir schnell einen Vorsprung von drei Sekunden aufbauen und bat meinen Renningenieur, mir den Abstand zu Martin regelmäßig anzusagen, damit ich ihn konstant halte. Ich wollte so Reifen schonen, um nichts zu riskieren.

Dank an die Äbte

Ein mentaler Unsicherheitsfaktor waren die Boxenstopps, nachdem ich 2003 mit Opel einen sicheren Sieg in Zandvoort wegen eines missglückten Stopps verloren hatte. Die Boxenstopps hat man als Fahrer nicht in der Hand; man ist auf sein Team angewiesen. Ich wusste, dass die Äbte die Boxenstopps tagtäglich trainieren und bekannt für die schnellste Abfertigung sind - das Gefühl der Unsicherheit war trotzdem da. Doch auch heute haben sich meine Jungs keine Fehler erlaubt - vielen Dank auch an sie, denn meine Mechaniker zittern, leiden und jubeln mit.

Die einzige Schrecksekunde war für mich Toms Unfall, denn mir war sofort klar, dass das Safety-Car auf die Strecke kommt. Auf der einen Seite hat mich das geärgert, weil wir uns einen komfortablen Vorsprung auf Mercedes aufgebaut hatten. Andererseits war es aus Sicherheitsgründen die richtige Entscheidung - und die Spannung für die letzten Runden garantiert. Zum Glück konnte ich mich nach dem Restart erneut absetzen. Das Ergebnis ist bekannt, und nachdem die Flüge umgebucht und die Hotelzimmer verlängert waren, konnte die Party beginnen...

Der Knoten ist geplatzt - die Tabellenführung ist ein tolles Gefühl. Hoffen wir, dass wir diesen Vorsprung halten oder sogar ausbauen können, denn nach Oschersleben wird es nicht einfacher. Für Mugello wächst noch einmal der Gewichtsnachteil für Audi, aber wir werden uns nicht auf der Performance, die wir seit Hockenheim an den Tag gelegt haben, ausruhen. Schade, dass das nächste Rennen erst in zwei Wochen stattfindet - denn wenn man einen solchen Lauf hat, will man am liebsten gleich wieder ins Auto steigen...