Der Sommer scheint schon ewig zurückzuliegen - und erst jetzt macht sich der DTM-Tross auf zum Nürburgring. Unter dunklen Regenwolken beziehen Audi und Mercedes Quartier im Nürburger Fahrerlager. Die durchwachsene Wetterlage, die sich in der Eifel traditionell noch durchwachsener präsentiert, setzt sich fort; das nächste Regenrennen droht. Wie schon vor einigen Wochen in der Formel 1 könnte der Nürburgring zum Schauplatz einer reizvollen Schlammschlacht werden...

Schlammerprobter Schauplatz

So greift Markus Winkelhock bei der Beschreibung der 3,629 Kilometer langen Kurzversion des Grand-Prix-Kurses mit "flüssig" auch gleich das passende Stichwort auf: "Am Nürburgring muss man sehr flüssig fahren - gerade in der neuen Passage nach Start- und Ziel." Eine flüssige Fahrweise, die gerade im Regen noch wichtiger wird: "Die Mercedes-Arena ist nicht leicht zu fahren und es ist schwierig eine gute Linie zu finden. Es ist sehr schwierig, dort zu pushen - man darf es auf gar keinen Fall übertreiben." Geradezu übertrieben auch die Vielfalt der Streckenpassagen, lässt sich der Nürburgring doch weder der Kategorie Highspeed-Kurs noch Monaco auf grüner Wiese zuordnen:

Die Haarnadel nach Start und Ziel verleitet zum Überholen - und zu Verbremsen, Foto: Sutton
Die Haarnadel nach Start und Ziel verleitet zum Überholen - und zu Verbremsen, Foto: Sutton

"Der Nürburgring bietet einfach alles: Es gibt Spitzkehren, schnelle Schikanen, langsame Schikanen, Bergauf- und Bergab-Passagen. Die Strecke hat viele Charakteristiken und macht einfach sehr viel Spaß", beschreibt Winkelhock, der bei seinem Formel-1-Debüt in der Grünen Hölle gleich die ersten Führungsrunden verzeichnen durfte. Überholmöglichkeiten bieten sich einige: Neben der NGK-Schikane und teils auch der folgenden Start-/Ziel-Kurve, die bei mangelnder Fahrzeugbalance immer wieder zu Fehlern verleitet, ist es die Haarnadelkurve eingangs der Mercedes-Arena, die für spektakuläre Starts ebenso bekannt ist wie für miss- und geglückte Überholmanöver.

In der Haarnadel gewonnene Positionen können allerdings eine Runde später allzu leicht wieder verloren gehen, falls wie so oft in ihrer Anbremszone das kurveninnere Vorderrad stehen bleibt. Derweil sieht Alexandre Prémat auf seine Ingenieure eine ungewöhnlich schwierige Setup-Arbeit zukommen: "Die Abstimmung auf einer so anspruchsvollen Strecke ist immer ein Kompromiss - nicht nur zwischen den technischen Zielsetzungen, sondern auch zwischen Auto und Fahrer. Das Auto muss sehr agil sein."

Die Performance-Schlacht

"Mercedes sollte auf dem Nürburgring insgesamt stärker sein als bei den letzten beiden Rennen - auch weil unser Gewichtsnachteil verglichen mit Audi auf zehn Kilo schrumpft", zeigt sich Jamie Green zuversichtlich, dass sich die Audi-Dominanz der vergangenen beiden Wochenenden auf dem Nürburgring nicht weiter fortsetzt. Bereits in den vergangenen Jahren präsentierte sich die Mercedes C-Klasse - trotz damaliger Gewichtsnachteile - in der Eifel tendenziell schlagkräftiger als der Audi A4 DTM. Bei nassen Bedingungen dürften sich die Kräfteverhältnisse auch in Reihen der Neuwagen deutlich zu Gunsten Mercedes' verschieben.

In der Mercedes-Arena ist flüssiges Fahren gefordert, Foto: DTM
In der Mercedes-Arena ist flüssiges Fahren gefordert, Foto: DTM

Doch ähnlich wie die Konkurrenz verweist auch Audi auf die technischen Fortschritte, die vor vier Wochen bei Tests auf dem EuroSpeedway Lausitz erzielt wurden - sowie auf die Vorteile auf abtrocknender Strecke. "Nach der Performance, die wir in Zandvoort gezeigt haben, bin ich auch für den Nürburgring optimistisch. Wenn wir wieder so stark als Team auftreten, gelingt mir vielleicht sogar das lang ersehnte Podium", zeigt sich Timo Scheider hoffnungsfroh, während Tom Kristensen darauf setzt, nach dem Hockenheimer Startunfall endlich auf sein gewohntes Fitnesslevel zurückgekehrt zu sein.

Verbale Schlammschlacht?

Parallel zur möglichen Schlammschlacht in den DTM-Boliden, die bei Regenrennen immer wieder gern auch in den weitläufigen Kiesbetten des Nürburgrings stattfindet, droht auch die nächste verbale Schlammschlacht - sollten sich die Gemüter seit dem viel diskutierten Zandvoort-Rennen noch immer nicht beruhigt haben. Im Eifer des Holland-Gefechts schien so mancher Mercedes-Protagonist versucht, als Reaktion auf aus seiner Sicht unfaire Manöver der Audi-Piloten auf der Strecke ein Rennen später eine Revanche mit gleichen Mitteln anzukündigen. Fest steht, dass es Mercedes auf dem Nürburgring kaum wird vermeiden können, gewisse Risiken einzugehen: Erleiden die Stuttgarter eine erneute Niederlage gegen Audi, ist das Titelrennen vorentschieden.

Die DTM-Welt erwartet den Meisterschaftsendspurt mit Hochspannung. So bleibt auch das Thema Stallorder ein Unsicherheitsfaktor - wenngleich Audi nach jüngsten Zuschauerreaktionen auf eine Version à la Zandvoort verzichten dürfte. Der Meisterschaftsvorsprung Mattias Ekströms auf den Bruno Spengler im bestplatzierten Mercedes scheint komfortabel. Doch der Blick auf das vergangene Jahr zeigt, zu welcher Endspurt-Performance gerade der Kanadier fähig ist...