Mit einem Höchstmaß an Überholmanövern konnte der zweite Saisonlauf auf dem EuroSpeedway Lausitz nicht dienen. Vielmehr geriet er zu einer Prozession, die auf Grund ihrer zahlreichen Stolpersteine jedoch nicht gleichbedeutend mit einem langweiligen Rennen war...

Grüne Stolpersteine

Die misslungenen Starts des Jamie Green schienen bereits zum Dauerläufer zu werden, da überraschte der junge Brite auf dem EuroSpeedway mit einer perfekten Umsetzung seiner Pole Position - allerdings nur auf den ersten Metern. Die Erleichterung ob seines perfekten Starts währte nicht lange, als sich der mittlerweile vierfache Pole-Inhaber vor der ADAC-Kurve verbremste und nicht nur den souverän gestarteten Teamkollegen Mika Häkkinen, sondern auch Mattias Ekström und Bernd Schneider passieren lassen musste.

Green gelang erneut keine fehlerfreie Leistung, Foto: DTM
Green gelang erneut keine fehlerfreie Leistung, Foto: DTM

Nach einer Neuauflage eben jenes Verbremsers im Anschluss an die ersten Boxenstopps schlug auch Tom Kristensen die Einladung, an Green vorbeizuziehen, nicht aus. Ein allzu übermotiviertes sowie für die Funktionstüchtigkeit seines und Häkkinens Fahrzeugs nicht ganz risikoloses Überholmanöver gegen den Finnen wurde von Mercedes-Sportchef Norbert Haug vollkommen zu Recht mit der angeordneten Rückgabe der Position an den zweifachen Formel-1-Weltmeister geahndet: "Das war eine eindeutige Ansage an Jamie, dass es so nicht geht. Man fährt nicht seinem eigenen Teamkollegen dermaßen hart ins Auto, um eine Position zu gewinnen."

Und so scheint es dem britischen Greenhorn anders als ihrerzeit Christijan Albers und Gary Paffett nicht zu gelingen, den vorhandenen, unbestritten extraordinären Speed in eine Top-Position im Kampf um den Titel umzusetzen: Zu unüberlegt scheint weiterhin so manches Fahrmanöver, zu wenig abgeklärt setzt sich Green mit seiner größten Schwäche - den Starts - auseinander. Wenig abgeklärt erschien auch die Vorstellung des weiblichen Grünschnabels Vanina Ickx: Nach einer misslungenen Kampfeinlage gegen ihren niederländischen Teamkollegen Olivier Tielemans sowie der Missachtung der blauen Flaggen kam die Rennleitung verständlicherweise nicht umhin, eine Durchfahrtsstrafe zu vergeben.

In der Box zeigten sich die Ingolstädter nicht immer souverän, Foto: DTM
In der Box zeigten sich die Ingolstädter nicht immer souverän, Foto: DTM

Stolpern in der Boxengasse

Für schadenfrohe Zeitgenossen bieten die Boxenstopps in der DTM seit jeher reichlich Amüsement. Und so wurde der Katalog der Missgeschicke in der Boxengasse auch auf dem EuroSpeedway Lausitz wieder großzügig erweitert. Während Mika Häkkinen Opfer des Klassikers, während dessen sich eine Radmutter allzu widerborstig zeigt, und somit möglicherweise um seinen zweiten DTM-Sieg gebracht wurde, vollzog sich bei Audi die Variante "Rüsselsheim zu Gast in Holland": Ebenso wie bei Timo Scheider in Zandvoort 2003, als ein nicht korrekt befestigtes Rad die Rüsselsheimer Nachwuchshoffnung um den ersten Opel-Sieg seit drei Jahren brachte, musste auch Christian Abt diesmal zusehen, wie sich sein rechtes Vorderrad am Ende der Boxengasse verselbstständigte.

Während Heinz-Harald Frentzen beim ersten Boxenstopp zur falschen Mechanikertruppe abbog, was an einem für den Mönchengladbacher katastrophalen Rennen allerdings auch nicht mehr allzu viel zu ändern vermochte, gestaltete sich das Missgeschick bei Mattias Ekström am ärgerlichsten: Nicht im Tank seines Audi A4 DTM, sondern zunächst auf dem Boden, dann im Putzlappen eines Mechanikers landete ein Teil der letzten Tankfüllung. Nachdem der Schwede zwei Runden vor Schluss wegen Benzinmangels ausrollte, blieb ihm zumindest die seinem früheren Erzrivalen Gary Paffett bekannte, noch ärgerlichere Variante, einen Podestplatz in der Lausitz wegen zu geringer Restbenzinmenge nachträglich aberkannt zu bekommen, erspart. Doch selbst wenn rechtzeitig ein dritter Boxenstopp eingelegt worden wäre, hätte sich die Freude des amtierenden Vizemeisters über einen auf diese Weise möglichen siebten Platz wohl eher in Grenzen gehalten.

Schneider wusste die gelungene Rennstrategie zu nutzen, Foto: DTM
Schneider wusste die gelungene Rennstrategie zu nutzen, Foto: DTM

Stolperfreie Taktik

Während sich somit in den Reihen der Mechaniker so manches Malheur ereignete, leisteten die Kommandostände umso bessere Arbeit: Weder bei HWA noch bei Abt fiel man durch gänzlich misslungene Rennstrategien auf - im Gegenteil. So hatte Bernd Schneider seinen Sieg nicht nur seiner fehlerfreien, bemerkenswerten fahrerischen Leistung, sondern vielmehr auch der für ihn ausgearbeiteten Rennstrategie der HWA-Truppe zu verdanken. Schien es zunächst noch so, als verlöre der Saarländer in Folge seines ersten Stopps zu viel Zeit im Verkehr, als dass er um den Sieg noch hätte mitreden können, so wurden die Zuschauer anschließend eines Besseren belehrt:

Ein perfekt getimter und verglichen mit den übrigen Mitgliedern der Spitzengruppe recht früher zweiter Boxenbesuch ebneten für den DTM-Rekordmeister schließlich den Weg zur Führung, deren Verteidigung im Folgenden nicht nur angesichts der begrenzten Überholmöglichkeiten des EuroSpeedways nicht mehr allzu schwer fiel: Im letzten Renndrittel bestätigte sich durchaus die trotz des Gewichtsnachteils von zehn Kilogramm im Vergleich zu den Ingolstädtern vorhandene, wenn auch hauchdünne Überlegenheit der Mercedes C-Klasse im Vergleich zum Audi A4.

Tom Kristensen darf sich Hoffnungen auf den Titel machen, Foto: DTM
Tom Kristensen darf sich Hoffnungen auf den Titel machen, Foto: DTM

Stolpersteine in der Meisterschaft

Während sich Bernd Schneider somit zum ersten Mal seit 2003 seiner Anwärterschaft auf den DTM-Titel gewiss sein darf, geriet bereits der zweite Saisonlauf für Mattias Ekström zum Stolperstein und zum unverschuldeten Ende der Meisterschaftsträume. "Ich bin aus dem Meisterschaftsrennen schon draußen", stellte der Meister des Jahres 2004 ohne Illusionen fest, kann seiner neuen Rolle in der Meisterschaft jedoch durchaus etwas abgewinnen: "Wenn es zu einem Zweikampf kommen sollte, dann werde ich keinen Millimeter herschenken. Denn ich habe nichts zu verlieren und Mika oder Bernd haben sehr viel zu verlieren."

Derweil avanciert Tom Kristensen, der mit engagierten Überholmanövern auf dem eher überholfeindlichen Lausitz-Kurs seine Klasse unter Beweis stellte, in seinem dritten DTM-Jahr zur Speerspitze der Ingolstädter. Während Martin Tomczyk auch in diesem Rennen enttäuschte und Heinz-Harald Frentzen eine Eingewöhnungszeit zugestanden werden muss, darf sich der siebenfache Le-Mans-Sieger mit nur vier Punkten Rückstand auf Schneider aller Chancen erfreuen und ab Oschersleben wohl auf die tatkräftige Unterstützung seiner Teamkollegen hoffen, die in diesem Rennen noch eher voreilig angemutet hätte.