Der frühere DTM-Chef Hans Werner Aufrecht feiert am heutigen Donnerstag (28.12.) seinen 85. Geburtstag. Für die Redaktion von Motorsport-Magazin.com Grund genug, auf seine jahrzehntelange Karriere zurückzublicken.

Dass einer „Motorsport im Blut“ hat, das sagt sich leicht dahin – aber selten ist es so wahr wie bei Hans Werner Aufrecht. Der in Asbach geborene ehemalige Ingenieur, Manager und Visionär aus dem Schwäbischen zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Automobilbranche. 1967 folgte der frühere Entwicklungsingenieur von Daimler-Benz seiner Motorsport-Leidenschaft und gründete – gemeinsam mit Erhard Melcher – AMG. Als das Unternehmen 1998 an die DaimlerChrysler AG veräußert wurde, war es erneut der Motorsport, der Aufrecht zur Gründung von „HWA“ veranlasste: Das Geschäftsfeld Automobilrennsport und Teile des Fahrzeug- und Komponentenbaus wurden aus dem AMG-Verkauf herausgelöst und auf die HWA AG übertragen.

Hans Werner Aufrecht prägte die DTM auf seine ganz eigene Art und Weise, Foto: DTM
Hans Werner Aufrecht prägte die DTM auf seine ganz eigene Art und Weise, Foto: DTM

Nach seiner Lehre zog es den 1938 geborenen Hans Werner Aufrecht zunächst zu Mercedes-Benz, doch als er nicht einmal Ende 20 war, wurde er sein eigener Chef. Und da es sich schon damals auf mehr als einem Bein einfach besser stehen ließ, kam neben dem Motorsport-Engagement schon früh das Tuning der Modelle mit dem Stern auf der Motorhaube hinzu. Damals eine Marktlücke, die schließlich auch den Hersteller selbst überzeugte. 1990 wurde AMG zum offiziellen Kooperationspartner, bis Mitte der 2000er übernahmen die Stuttgarter den Tuner schließlich als hundertprozentiges Tochterunternehmen.

Aufrechts Anfänge: Von Mercedes AMG und HWA

"Wir haben AMG nur aus Leidenschaft für den Motorsport gegründet. Und mussten dann aber schnell lernen, dass man allein davon wohl nicht leben kann", sagt "HWA". Leben und den Rennsport finanzieren konnten Aufrecht und Melcher aber durch den Aufbau des Tuninggeschäftes für Mercedes-Benz-Fahrzeuge - damals eine Marktlücke, die AMG so perfekt füllte, dass das Unternehmen 1990 zunächst offizieller Kooperationspartner der Daimler AG und später in zwei Schritten 1999 und 2005 eine hundertprozentige Tochter des Konzerns wurde.

Ebenso erfolgreich wie als Unternehmer war Aufrecht im Motorsport – wenn nicht sogar noch erfolgreicher. Gleich der Einstand hätte kaum spektakulärer sein können, denn ihr Motorsportdebüt gaben die beiden jungen Ingenieure Ende der 60er Jahre mit einem Mercedes-Benz 300 SEL, der noch heute ob seiner Farbgebung und Fahreigenschaften als „rote Sau“ legendär ist. Mit dem 6,8-Liter-Rennwagen gelangten Hans Heyer und Clemens Schickentanz beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps 1971 ein überraschender Klassensieg und zudem als Gesamtzweite der Sprung auf das Siegerpodium – ein Einstand nach Maß!

Hans Werner Aufrecht ist eng mit AMG verbunden, Foto: DTM
Hans Werner Aufrecht ist eng mit AMG verbunden, Foto: DTM

Doch AMG ist nur eine von mehreren Buchstabenkombinationen, die das Leben von Hans Werner Aufrecht geprägt haben. So könnte man auch DTM oder ITR nennen, die untrennbar mit Aufrecht verbunden sind. Oder eben einfach nur "HWA", wie Freunde und Geschäftspartner den mehr als 30 Jahre langen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des DTM-Rechteinhabers und -vermarkters ITR e.V. auch heute noch nennen.

Mercedes AMG feiert große Erfolge im Motorsport

Parallel zu dieser Entwicklung war AMG im Motorsport erfolgreich. Was Anfang der 70er-Jahre mit dem legendären 300 SEL 6,8 Liter spektakulär begann, führte nach vielen weiteren Erfolgen dazu, dass AMG 1988 offizielles Mercedes-Werksteam wurde.

Mercedes-AMG Motorsport gewann mit fünf verschiedenen Piloten elf Mal den Titel Fahrertitel in der DTM: Klaus Ludwig (1992, 1994), Bernd Schneider (1995, 2000, 2001, 2003, 2006), Gary Paffett (2005, 2018), Paul Di Resta (2010) und Pascal Wehrlein (2015). Außerdem feierte der Stuttgarter Autobauer sieben Mal den Gewinn der Herstellerwertung (1991, 1992, 1994, 1995, 2003, 2005, 2018) sowie 14-mal die Teamwertung (1991, 1992, 1995, 2000, 2001, 2002, 2003, 2005, 2006, 2008, 2009, 2010, 2015, 2018) der DTM.

Mercedes AMG feierte große Erfolge in der DTM, Foto: DTM
Mercedes AMG feierte große Erfolge in der DTM, Foto: DTM

190 Siege, darunter 109 Doppelerfolge in 436 DTM-Rennen, wovon allein 43 Siege auf das Konto des siegreichsten DTM-Fahrers der Geschichte - Bernd Schneider, gehen. Mit 85 Siegen ist die AMG-Mercedes C-Klasse DTM das erfolgreichste Rennauto in der DTM-Geschichte.

Sternfahrer von Mercedes-AMG Motorsport standen insgesamt 140 Mal auf der Pole Positions, dabei gingen 80 Mal zwei Mercedes-Fahrer aus der ersten Startreihe ins Rennen. In 436 Rennen erzielten sie 193 Mal die schnellste Rennrunde.

Zwischen 1988 und 2018 standen Fahrer von Mercedes-AMG Motorsport in der DTM 564 Mal auf dem Podium, fuhren 1.733 Mal in die Punkteränge und erzielten insgesamt 14.914,5 Punkte.

Bernd Schneider ist mit fünf Fahrertiteln Rekordmeister der DTM. Zudem führt der gebürtige Saarländer mit 236 gefahrenen Rennen, 25 Pole Positions und 43 Siegen bis heute die Rekordbücher der DTM an.

Der DTM-Champion von 2015, Pascal Wehrlein, ist jeweils der jüngste Starter, Rennsieger und Champion in der Historie der populären Rennserie.

Das ist die stolze DTM-Bilanz des Rennstalls, der 1998 in die neugegründete und später erfolgreich an die Börse gebrachte HWA AG ausgegliedert wurde. Dazu gesellten sich noch die WM-Titel 1997 und 1998 mit Mercedes-Benz in der FIA-GT-Meisterschaft.

Hans Werner Aufrecht: Lichtfigur für DTM-Zukunft

Seit Mai 1986 war Aufrecht als „Mr. DTM“ Chef der Dachorganisation ITR e.V., und arbeitete dabei unermüdlich daran, die Tourenwagenserie immer besser zu machen. "Die DTM hat mein Leben bestimmt", sagte Aufrecht einst. Ihm und auch dem langjährigen Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug gelang es, die DTM im Jahr 2000 nach dem vorübergehenden Aus der ITC 1996 wiederzubeleben. 2006 sorgten sie nach dem Ausstieg von Opel und gemeinsam mit Audi dafür, dass die DTM auch mit nur noch zwei Herstellern (Audi und Mercedes) überlebte.

Hans Werner Aufrecht prägte die DTM nachhaltig, Foto: DTM
Hans Werner Aufrecht prägte die DTM nachhaltig, Foto: DTM

„HWA“ war mit den Motorsportchefs von Audi, BMW und Mercedes auch die Triebfeder für das neue Technische Reglement, das 2012 in Kraft trat und BMW von einem Comeback in die DTM überzeugte. Und er machte genau dieses Reglement zu einem Exportartikel, schloss Kooperationsabkommen mit der SUPER GT in Japan und der GRAND-AM in den USA mit dem Ziel: ein komplett einheitliches Reglement ab 2017 und möglicherweise eine Art Weltfinale. "Meine Hauptaufgabe ist es, diesen Prozess zu beschreiben und die verschiedenen Kulturen dazu zu bringen, etwas aufzugeben und dafür viel Neues und Gutes zu bekommen", sagte Aufrecht.

Dieses Ziel erreichte „HWA“, u. a. auch wegen der zweijährigen Verschiebung des geplanten Turbomotors und Zwist mit den Herstellern, allerdings nicht mehr. Unfreiwillig übergab er offiziell im März 2017 das Kommando über die ITR und damit auch die DTM nach fast 31 Jahren an den früheren Formel-1-Fahrer, BMW-Motorsportdirektor und Mitbesitzer von Toro Rosso, Gerhard Berger, der sich davor als Präsident der FIA-Einsitzer-Kommission um die Formel-Nachwuchsklassen kümmerte.

Unschönes Ende der DTM-Führungszeit

Die Entscheidung darüber war Aufrecht nach Informationen von Motorsport-Magazin.com aber schon 2016 in einer Vorstands- und Beiratssitzung der ITR auf der „Sonnenalp“ in Ofterschwang im Allgäu wenig galant und ausgerechnet von Haug-Nachfolger Toto Wolff mitgeteilt worden.

In der offiziellen Pressemitteilung der ITR kam „HWA“ peinlicherweise nur kurz zu Wort. "Ich bin stolz auf das, was meine Kollegen und ich in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebt und erreicht haben. Nun ist aber der Zeitpunkt gekommen, diese einzigartige Rennserie zu übergeben."

Hans Werner Aufrecht führte die DTM bis 2017, Foto: DTM
Hans Werner Aufrecht führte die DTM bis 2017, Foto: DTM

Über das alles andere als ehrenvolle Ende hat Aufrecht, so diplomatisch wie man ihn kennt, bis heute geschwiegen. Fakt ist und das sollten sich vor allem die damaligen Entscheidungsträger kritisch vor Augen führen, dass die DTM nach der Ära „HWA“ nicht den gewünschten Aufschwung nahm, sondern (leider) genau das Gegenteil passierte: Ausstieg der ARD sowie der Hersteller Mercedes, Audi und BMW. Damit verbunden war auch der Wechsel von spektakulären Class-1-Prototypen zu fast serienmäßigen GT3-Sportwagen, sinkende Zuschauerzahlen und TV-Quoten sowie schließlich nach nur 5,5 Jahren das Ende der DTM-Dachorganisation ITR unter der Regie von Berger, für die Aufrecht zuvor fast 31 Jahre erfolgreich tätig war!

Die „Freizeit“ von Hans Werner Aufrecht gehört heute ganz der Familie, seiner Frau Roswitha und den beiden Töchtern Pia-Luise und Eva-Maria, für die er früher nicht so oft da sein konnte. Damals lebte Hans Werner Aufrecht seinen Traum, heute unterstützt er seine Töchter - die eine erfolgreiche Springreiterin, die andere Pferdezüchterin - nach Kräften bei ihren Hobbys. Denn ganz ohne PS geht es bei "HWA" nie.