Rund um die Trennung zwischen Timo Glock und BMW M Motorsport muss man zwischen den Zeilen lesen, um das Gesamtbild zu verstehen. Wer nach Glocks Initiative, den Abschied vom Münchner Autobauer zum Saisonende 2022 selbst bekanntzugeben, glaubte, dass der 40-Jährige damit das Ende seiner Profi-Karriere einleitet, dürfte völlig falsch liegen.

"Ich brenne weiter für diesen Sport und werde es immer tun", schrieb der 91-fache Formel-1- und 148-malige DTM-Starter am Mittwoch in seinem Instagram-Posting. "Also schließe ich meine Augen vor alten Enden und öffne mein Herz für neue Anfänge."

Das klingt nicht nach Abschiedsgedanken eines Rennfahrers, der zehn Jahre lang für BMW vorrangig in der DTM an den Start ging und dieses Jahr in die Italienische GT-Meisterschaft, die sich vorrangig an Nachwuchspiloten und Amateure richtet, abgeschoben wurde. Einige aktuelle und ehemalige BMW-Mitarbeiter, darunter Führungskräfte und Fahrer, soll die Trennung von Glock sehr überrascht haben.

Wer Glock ein wenig kennt, der weiß, dass er noch lange nicht genug hat. "Ich merke immer noch das gleiche Adrenalin vor einem Rennen", sagte er uns Anfang 2021 kurz vor seinem Renndebüt bei den 24 Stunden von Daytona im BMW M8 GTE. "Solange diese Nervosität noch da ist, merke ich, dass es noch brennt und ich heiß aufs Rennfahren bin."

Glock überzeugt im BMW M4 GT3 - niemand bekommt es mit

Daran hat sich seitdem nichts verändert, wie allein ein Blick in die aktuellen Ergebnislisten zeigt. In der Italienischen GT-Meisterschaft - die völlig unter dem Radar der Öffentlichkeit fährt - hat Glock sein Talent immer wieder unter Beweis gestellt. Mit dem Team Ceccato Racing der DTM-Ikone Roberto Ravaglia führte Glock den BMW M4 GT3 zu zwei Pole Positions an den bisherigen drei Sprint-Rennwochenenden.

Dabei war er in jedem Zeittraining an einem Rennwochenende schneller als Teamkollege Jens Klingmann, der als langjähriger BMW-Werkspilot intensiv in die Entwicklung des neuen GT3-Modells involviert war. In Monza und Imola fuhr Glock souverän die Pole Position für das Duo heraus. In der Sprint-Meisterschaft belegen Glock/Klingmann vor dem Finale in Mugello (22./23. Oktober) - Glocks letztem BMW-Einsatz - den dritten Platz. Gäbe es in der Italien-Serie den üblichen Erfolgs-Ballast anstelle deutlicher längerer Boxenstopp-Zeiten, sähe es vermutlich anders aus in der Tabelle...

Ob Glock am Ende die Meisterschaft gewinnt, dürfte in seiner erfolgreichen Motorsport-Vita keinen Unterschied machen. Wollte er den Verantwortlichen bei BMW aber noch einmal zeigen, dass er nicht nur im alten DTM- und GTE-Prototypen, sondern auch im neuen BMW M4 GT3 oder womöglich im LMDh-Projekt eine wichtige Säule sein kann?

Timo Glock und Teamkollege Jens Klingmann, Foto: BMW/Andres Pardo Gomez
Timo Glock und Teamkollege Jens Klingmann, Foto: BMW/Andres Pardo Gomez

Timo Glock und der "Nicht-GT3-SPEZIALIST"...

Rein spekulativ, aber eine Anmerkung aus den vergangenen Tagen könnte durchaus als Hinweis zu verstehen sein. Zwei Tage vor seinem BMW-Abschied schrieb Glock auf Instagram nach dem Imola-Event: "Was für ein tolles Wochenende für einen Nicht-GT3-SPEZIALISTEN."

Unweigerlich musste man an Mark Webbers berühmten Funkspruch nach seinem Sieg in Silverstone 2010 - "Nicht schlecht für einen Nummer-2-Fahrer" - denken. Glock wäre nicht der erste Star, der bei einem deutschen Autohersteller die Wertschätzung für erbrachte Leistungen vermissen würde. Wie wir aus BMW-Kreisen hören, soll der Abschied von Glock ziemlich emotionslos erfolgt sein.

Man denke auch an Mike Rockenfeller, der sich vergangene Saison nach 15 Jahren eigenständig von Audi Sport verabschiedete, unter anderem mit den Worten: "Ich habe gewisse sportliche Ziele und Ansichten, wie man miteinander umgeht. Und die sehe ich nicht mehr bei Audi." Wie Rockenfeller, bedankte sich auch Glock bei seinem BMW-Abschied explizit und ausschließlich bei ehemaligen Motorsportchefs. In diesem Falle bei Jens Marquardt, der ihn 2013 zu BMW in die DTM gelotst hatte und unter dessen Führung eine langfristige Zukunft in Aussicht stand.

BMW-Motorsportchef: "Wir müssen Schwerpunkte setzen"

BMW M Motorsport selbst plant erst zum Saisonende eine offizielle Pressemitteilung zu Glocks Abschied. Auf Nachfrage ließ sich Andreas Roos, seit 01. Februar 2022 neuer BMW-M-Motorsportchef unter anderem mit den Worten zitieren: "Es gibt viele gemeinsame Momente mit Timo, die wir niemals vergessen werden. Leider endet unsere Zusammenarbeit zum Ende der Saison. Wir haben sehr viele Werksfahrer im Kader und müssen Schwerpunkte setzen. Wir wünschen Timo für das nächste Kapitel seiner Karriere alles Gute!"

Worte, die bei Glock alles andere als gut angekommen sein dürften. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass BMW mit dem dreifachen DTM-Champion Rene Rast soeben erst einen Neuzugang für den noch proppevoll gefüllten Werkskader verpflichtet hat, der im GT3- und LMDh-Programm der Münchner zum Einsatz kommen könnte. Zusammen mit dem Team-Neuzugang WRT könnte sich bei BMW in Sachen Fahrern noch so einiges tun, wie aus München zu hören ist.

Während Rast trotz seines noch bis zum Saisonende 2022 laufenden Audi-Vertrags bereits das neue LMDh-Auto von BMW testen durfte, blieb Glock außen vor. Dabei hätte der allein schon wegen seiner F1-Vergangenheit/TV-Präsenz bekannteste BMW-Fahrer der letzten zehn Jahre (Roos: "Eine der prägenden Figuren und ein Gesicht der Marke") den Münchnern auf dem internationalen LMDh-Parkett in Daytona und Le Mans sicherlich gut zu Gesichte gestanden.

Foto: LAT Images
Foto: LAT Images

Rollen bei BMW noch weitere Köpfe?

Siehe Porsche, wo der verdiente und wertgeschätzte Werksfahrer Andre Lotterer - wie Glock 40 Jahre alt - mit dem Sportwagenbauer ab 2023 auf die Langstrecke zurückkehren wird und parallel sogar noch in der Formel E beim neuen Kundenteam Andretti starten darf.

Szene-Kenner sind überzeugt, dass bei BMW - wo der Werks-Motorsport ähnlich wie bei Audi inzwischen in die jeweilige Sport-GmbH eingegliedert worden ist - noch weitere 'Köpfe rollen' werden. Ganze 19 Werksfahrer präsentierten die Münchner zum Saisonbeginn 2022. Darunter der frühere DTM-Champion und Fan-Liebling Bruno Spengler, der dieses Jahr kein einziges Profi-Autorennen für BMW gefahren ist.

Wie Spengler, wäre auch Glock gerne weiter in der DTM für BMW an den Start gegangen. Bei seinem diesjährigen, medial vielbeachteten Gaststart in Imola mit Ceccato Racing sagte Glock zu Motorsport-Magazin.com: "Ich wäre bereit, nächstes Jahr wieder dabei zu sein."

Und das vor allem im nagelneuen BMW M4 GT3, der im Gegensatz zum Vorgänger M6 GT3 auf mehr Strecken als nur in Spa oder auf der Nordschleife konkurrenzfähig ist. "Ein frustrierendes Auto", sei der M6 laut Glock gewesen, der 2021 bei ROWE Racing mit einem 'Museumsauto' eine schwierige DTM-Saison erlebte. "Ich glaube, am Ende war an meinem auch nicht mehr alles gerade." Dass Glock großen Spaß am Rennfahren mit dem BMW M4 GT3 hat, ließ er diese Saison mehrfach durchblicken.

Foto: DTM
Foto: DTM

Wie geht es für Timo Glock weiter?

Im umworbenen LMDh-Projekt - ein weiteres mögliches Einsatzgebiet für erfahrene Piloten wie Glock oder Spengler - setzt BMW stattdessen auf andere Fahrer. Der zweifache DTM-Champion Marco Wittmann konnte den neuen Prototypen ebenso testen wie der amtierende DTM-Spitzenreiter Sheldon van der Linde, Philipp Eng, Augusto Farfus, Nick Yelloly, Connor De Phillippi und die drei BMW-Junioren Dan Harper, Max Hesse sowie Neil Verhagen.

Wie es für Glock nach der bevorstehenden Trennung von BMW weitergeht, ließ er zunächst offen. Es wäre sicherlich keine Überraschung, wenn andere Hersteller und Teams schon längst beim bestens vernetzten Renn-Veteranen angeklopft hätten...