Dem Motorsport gehen langsam aber sicher die Reifen aus. Die Sicherstellung von Rennveranstaltungen wie in der DTM sind vertraglich mit den Reifenlieferanten gesichert, doch drum herum wird es allmählich düster. In der DTM und auch in zahlreichen weiteren GT- oder Formel-Rennserien haben Teams nicht mehr ausreichend Reifenkontingente, um Testfahrten zur Vorbereitung auf die Rennwochenenden durchzuführen.
Fakt ist, dass es die Problematik schon bei den offiziellen DTM-Testfahrten in Hockenheim Anfang April gab, als nicht genügend Regenreifen zur Verfügung standen und die Teams sich auch dank der Unterstützung der ITR untereinander geholfen haben.
Diese gegenseitige Hilfe ist jetzt aber kein Thema mehr, weil inzwischen alle Teams die noch vorhandenen Reifenkontingente für ihre eigenen Bedürfnisse nutzen. Will heißen: Wer noch Rennreifen aus Restbeständen zur Verfügung hat, wird sich genau überlegen, wo er sie einsetzt. Überhaupt herrscht Materialknappheit im Rennsport: Teams handeln aktuell untereinander mit allen möglichen Teilen. Wohl dem, der ein großes Teilelager hat...
Die DTM-Organisation ITR hat Motorsport-Magazin.com am Rande des Lausitzring-Events (20.-22.05.) auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie auf die Problematik in Bezug auf Testfahrten nicht reagieren kann. Die Verantwortlichen stellen dabei allerdings klar, dass die laut Sportlichem Reglement benötigten Reifensätze für alle noch folgenden Events sichergestellt sind und es demzufolge keine Engpässe für die Teams geben wird.
Betroffen sind also vornehmlich die Testfahrten, bei denen die meisten Teams nach Informationen von Motorsport-Magazin.com schon in der Vergangenheit auf gebrauchte Slickreifen zurückgreifen mussten.
Dabei stellt sich die Frage nach dem Mehrwert und auch dem Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit. Was bedeutet, dass Teams, die noch mit neuen Reifen testen können, einen klaren Vorteil gegenüber den Konkurrenten haben, die nur noch über bereits genutzte Schlappen verfügen. Testfahrten mit abgenutzten Reifen sind wenig aussagekräftig für Setup-Arbeiten und dienen aktuell vor allem weniger erfahrenen Piloten, sich mit den jeweiligen Strecken grundsätzlich vertraut zu machen.
Ob sich die Vorteile von Teams mit vorhandenen Reifenkontingenten noch auf den Kampf um die Meisterschaft auswirken? Ein Testverbot gibt es schließlich nicht in der aktuellen DTM unter dem GT3-Reglement, ganz im Gegensatz zu alten Class-1-Zeiten mit den Herstellern. Damals hatten sich die Marken vor allem aus Kostengründen auf die Einschränkung verständigt. Testfahrten können schließlich mit hohen fünfstelligen Beträgen die Budgets belasten.
Von der Rückkehr eines Testverbots abseits der offiziellen ITR-Testfahrten war DTM-Boss Gerhard Berger nicht überzeugt. Beim Saisonauftakt in Portimao argumentierte der frühere Formel-1-Fahrer auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com: "Wer mehr Geld hat, fährt dann vielleicht in anderen Rennserien und testet indirekt dort. Je mehr du beschränkst und regulierst, desto schwieriger wird es. Wo es Sinn macht, schauen wir uns das an, auch aus Kostengründen."
Aufgrund des anhaltenden und möglicherweise noch lange dauernden Russland-Kriegs in der Ukraine wird sich an der Gesamtsituation nach Meinung von Reifenexperten fast aller Hersteller so schnell nichts ändern, weil benötigte Rohstoffe einfach nicht zur Verfügung stehen. Das gilt übrigens nicht nur für den Motorsport, auch für Straßenautos sind Reifen aktuell absolute Mangelware.
Zuletzt waren auch Rennserien wie die NLS betroffen: So zog beispielsweise ausgerechnet das Team Falken Motorsports seine beiden Porsche 911 GT3 R vom zweiten Lauf der NLS, der 53. Adenauer ADAC Rundstrecken-Trophy, zurück, weil eine sichere Durchführung des Rennens nicht gewährleistet gewesen wäre.
"Bereits während des Zeittrainings stellte sich heraus, dass die für das heutige Temperaturfenster perfekt funktionierende Reifenmischung nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht", teilte das Team in einer offiziellen Pressemitteilung mit. Als Grund für den Rückzug wurden globale Lieferengpässe von Rohstoffen genannt, "welche insbesondere die Automotive-Industrie, und damit auch die Reifenproduktion von Falken in Japan, hart treffen."
Ein ähnliches Szenario drohte zuletzt auch beim 24h-Rennen Nürburgring, wo etliche Teams sich mit dieser Problematik auseinandersetzen mussten. So erklärte beispielsweise Lamborghini-Teamchef Franz Konrad gegenüber Motorsport-Magazin.com, wie er den spektakulären Auftritt seiner Mannschaft, die das Rennen zwischenzeitlich angeführt hatte, gerettet hat.
"Mit den uns von Michelin zur Verfügung gestellten Slickreifen wären wir definitiv nicht über die Runden gekommen - das stand schon vor dem Rennen fest", so der erfahrene Teamchef. "Wir hatten das große Glück, dass die Temperaturen in der Nacht so niedrig waren, dass wir stundenlang mit einer weicheren Reifenmischung fahren konnten..."
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