Im Dezember 2019, vor Zeiten von Corona, durfte Motorsport-Magazin.com einen Blick ins Innerste von BMW M Motorsport werfen: den hauseigenen Simulator. Dieses Technikkonstrukt, das direkt aus einem Science-Fiction-Film entsprungen sein könnte, eingerahmt von Projektoren, überdimensionalen Leinwänden, Monitoren über Monitoren und wuseligem Motorsportfachpersonal.

Als wir den Raum betreten, dreht gerade Timo Glock seine virtuellen Runden im Cockpit des BMW M4 in DTM-Ausführung. Ebenfalls nach der Fahrzeughälfte abgeschnitten, ohne Räder oder Motorhaube. Über die 240-Grad-Leinwand flimmern die Kurven des spanischen Circuito de Jerez, zu dem Glock und Co. wenige Tage später für Testfahrten reisen werden. Nur wenige Stunden vor der DTM-Einheit sah die Welt noch anders aus im Simulator-Raum. Formel-E-Stadtkurs statt Jerez, auf dem dynamischen Tripod des Simulators festgeschraubt ein Formel-E-Chassis.

BMW, Audi oder auch die meisten Formel-1-Teams nutzen die hauseigenen Simulatoren für die fast schon unglaublich exakte Vorbereitung auf anstehende Rennwochenenden oder gleich die Entwicklung eines neuen, noch nicht auf Strecken getesteten Boliden. Was wirklich hinter den Meisterwerken der Technik steckt, lassen die exklusiven Bilder in dieser Geschichte nur erahnen.

Der Simulator bei Audi Sport in Neuburg, Foto: Audi Communications Motorsport
Der Simulator bei Audi Sport in Neuburg, Foto: Audi Communications Motorsport

Etwas handfester drückte es mal Audi-Werksfahrer Daniel Abt aus, als er 2019 seinen über 300.000 Abonnenten im besten YouTube-Stil ein neues Video schmackhaft machte - und dabei wohl kein Clickbaiting betrieb: 'Der 2 MILLIONEN EURO Audi RENNSIMULATOR!', lautete die versalierte Überschrift. Zwei Millionen Euro, also ungefähr der Gegenwert von zwei realen Formel-1-Autos. "Das ist schon krass", fiel auch einem Daniel Abt nicht viel mehr zu dieser doch immensen Investition ein.

Dabei sind die selbst entwickelten Simulatoren der Hersteller ähnlich komplex wie ein F1-Bolide. Hier kann simuliert werden, was das Rennfahrer- und vor allem Ingenieursherz begehrt: von der exakten Setup-Einstellung in jeder Kurve über sämtliche Parameter der Fahrzeugdynamik bis hin zum Wetter und Soundmodellen. Die Simulator-Rennautos, eins zu eins dem Original nachempfunden, verfügen sogar über aktive Sitze und aktive Gurte, die Zug und Druck realitätsgetreu direkt auf den Fahrer übertragen.

Hard- und Software werden in Eigenregie entwickelt und immer weiter feinjustiert, und selbst die benötigten Streckenmodelle entstehen aus der eigenen Feder. Die zuvor gesammelten Scandaten werden an einen Streckenmodelleur übergeben, der dann rund drei Monate für das Modellieren eines kompletten Rennkurses benötigt.

Die Simulatoren bieten fast unbegrenzte Möglichkeiten, Foto: BMW Motorsport
Die Simulatoren bieten fast unbegrenzte Möglichkeiten, Foto: BMW Motorsport

Im simulierten Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es nur wenige Einschränkungen, eine davon der Durchschüttelfaktor für die Fahrer. Bei Audi Motorsport etwa ist der Simulator aufgrund seiner Bauweise auf einen Fliehkraftwert von maximal 2,5 g beschränkt - also das Zweieinhalbfache des Körpergewichts - und der nicht für lange Zeit aufrechterhalten werden kann. "Eine schnelle, langgezogene Kurvendurchfahrt wie zum Beispiel die Parabolica in Monza kann wegen des begrenzten Bewegungsrahmens des Simulators nicht realisiert werden", erläutert Bastian Göttle, bei Audi Sport Verantwortlicher für die Koordination der Fahrsimulation für DTM und Formel E.

In der Formel-E-Simulation liegt der Fokus auf dem Erlenen der ungewöhnlichen Stadtkurse, die sich von Jahr zu Jahr gern verändern, und vor allem auf dem richtigen Umgang mit dem Energie-Management - gern auch mal während parallel zu den kompakten Rennwochenenden der jungen Elektro-Rennserie. "Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig die Rolle der Simulatorarbeit in der Formel E ist", sagt der frühere Formel-1-Fahrer und Audi-Teamchef Allan McNish. "Mehr als in jedem anderen Sport, würden wir ohne unser Team zuhause nichts gewinnen."

Im DTM-Trim liegt das Hauptaugenmerk angesichts meist bekannter Pisten hingegen auf dem Setup des Fahrzeuges. Im Hause Audi erhielt die DTM-Fraktion kürzlich ein Upgrade. Bereiteten sich die Fahrer bislang in einem statischen Simulator vor, können sie seit diesem Jahr vermehrt auf den 2018 in Betrieb genommenen dynamischen Fahrsimulator zurückgreifen. Dieser wurde zuvor vor allem für das Formel-E-Programm der Ingolstädter genutzt.

DTM und Formel E haben unterschiedliche Schwerpunkte in der Simulation, Foto: BMW Motorsport
DTM und Formel E haben unterschiedliche Schwerpunkte in der Simulation, Foto: BMW Motorsport

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